Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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Vorige Woche ist Osdorff zur Stellung gewesen und zum Militärdienst untauglich befunden. Er war einfach selig und sagte, es täte ihm nur leid, daß er so zu dem verfluchten Examen gebüffelt hätte. Er soll nur noch ein Jahr hierbleiben und dann als Volontär auf ein Gut und Landwirtschaft studieren. Das ist auch was für das Faultier. Lieber sollten sie ihn einem Friseur in die Lehre geben, das ist das einzige, wozu er Lust und Talent hat. Aber natürlich, ein Osdorff mit zwei f'n! . . .

Hier im Hause ist nicht alles, wie es sein soll. Es scheint mir wirklich so, als ob Vater Elisabeth nicht recht ausstehen kann, und sie grämt sich darüber, wahrscheinlich, weil sie denkt, daß er ihr kündigt, was sie aber nicht zu befürchten braucht, solange ich noch da bin. Vater tut ja doch alles, was ich will. Ich weiß nicht, was er an 49 Elisabeth auszusetzen findet. Zuerst machte er ihr doch immer so verliebte Augen.

Vor einigen Tagen kam ich mittags in ihr Zimmerchen, da lag sie langenwegs in ihrem Bett und weinte . . . schluchzte – – Ich weiß nicht, wie das war, aber mir war die Brust plötzlich wie zugeschnürt, eine entsetzliche Angst kam über mich.

»Elisabeth,« sagte ich leise und strich über ihr Haar. Da sah sie mich mit ihren nassen Augen so seltsam an, ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll. Mein Herz zitterte, und die Tränen schossen mir in die Augen. »Was ist dir, Elisabeth?« sagte ich. »Ich habe solche Angst,« sagte sie – – »Wovor?« »Ich weiß nicht,« sagte sie und drückte beide Hände gegen die Brust. »Eine so schreckliche, entsetzliche Angst« . . . Ich suchte sie zu beruhigen, aber mir war selbst schwül zumute. Ich glaube, Elisabeth ist nicht gesund. Irgend etwas steckt ihr in den Gliedern, vielleicht ein Nervenfieber. Sie sieht furchtbar miserabel aus.

* * *


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