Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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74 Sie heißt doch in Wirklichkeit Frau Liesmann. Wir haben uns angefreundet und du und du getrunken und nennen uns Thymian und Konni (sie heißt nämlich Konstanze mit Vornamen). Konni hat mir ihren ganzen Lebenslauf erzählt. Sie ist bei ihrer Großmutter, einer Wäscherin in Hannover, erzogen und wurde mit siebzehn Jahren an einen Witmann mit drei Göhren verheiratet. Drei Monate hielt sie es bei ihm aus, dann ist sie durchgebrannt. Seitdem hat sie viele Schätze gehabt und war auch mal eine Zeitlang am Theater. Jetzt hat sie den Herrn V. v. V., der heißt Viktor von Vohsen, ein reicher Fabrikbesitzer, der ganz für sie sorgt. Sie sagt, sie freut sich unbändig, daß sie ein Kind von ihm kriegt, weil sie ihn damit fest hat und den Männern sonst doch nicht zu trauen ist. Ich fragte sie, ob sie ihn sehr liebte. Da lachte sie und meinte, das sei doch Nebensache. (Er ist nämlich ganz und gar nicht hübsch!) Wenn man so viel geliebt habe, wie sie, sei man allmählich »durch«, die Hauptsache sei, daß man seine Existenz sichere. Auf Schönheit lege sie gar keinen Wert, nur auf Schick. Schick müsse so ein Mann sein, auf der Straße, im Hause, im Bett. Und Schneid müsse er haben. Das übrige sei Nonsens. Ich mußte dabei an Osdorffs tadellose Stiefel und an seine gepflegten Hände denken. Ich glaube, Konni Liesmann hat recht.

Man sieht mir noch gar nichts an. Es macht mir Spaß, wie sich die Männer die Hälse nach mir verdrehen. Das habe ich daheim gar nicht so bemerkt. Wenn Konni und ich mittags am Jungfernstieg spazieren gehen, steigen uns immer ein paar nach. Ein paarmal wurden wir schon angeredet. Konni sagt, ich sei bildschön und wenn ich klug wäre, könne ich noch mal mein Glück machen. Wir haben abgemacht, uns oft zu schreiben. Konni sagt, man kann nie wissen, wie man einander noch mal gebraucht.

Osdorff hat mir neulich geschrieben. Er ist in der 75 Nähe von Hamburg auf dem Gut des Grafen Sch . . . und will mich nächstens besuchen, worauf ich mich sehr freue.

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