Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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Geliebtes Tagebuch – treueste Freundin und Trösterin meiner Schmerzenszeit – – ich hätte dir vieles anzuvertrauen, aber ich mag nicht viel schreiben, ich bin zu müde. Osdorff ist vom Gut des Grafen Sch . . . 79 ausgerissen, weil diese »scheußliche Arbeit« ihn krank macht, wie er sagte. Sechs Tage trieb er sich in Hamburg umher, weil er sich nicht nach Hause traute und er Angst vor seinem Vormund hat. Ich habe ihm mein ganzes Geld gegeben. Der arme Kerl hatte nämlich nur drei Mark im Portemonnaie und ich hatte noch fünfundvierzig. Dafür haben wir einmal im Alsterpavillon gesessen, wo der Kellner mich »gnädige Frau« anredete und alle uns sehr respektvoll behandelten. Osdorff sieht wirklich gräflich aus, bei all seiner Dummheit. Als das Geld alle war, ist er doch fort, das heißt, er hat telegraphiert, sie sollen ihm Reisegeld schicken, und da ist einer gekommen und hat ihn wieder nach Sch . . . zurückgebracht, aber der Graf hat gesagt, er wollte den Faulenzer und Tagedieb nicht mehr, und da ist er nach Berlin gekommen. Vorige Woche schrieb er mir, daß sein Onkel ihn bei einem Diplomaten in der Wilhelmstraße in die Lehre gegeben hat, er muß sich da im Bureau beschäftigen, Briefe kopieren und so kleine Sachen, die nicht viel Verstand erfordern, machen. »Anstrengende, geistige Arbeit« nennt er das . . . Na also –!

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