Deutsche Balladen
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Der Wassermann

(Volksballade)

                Es freit einmal ein Wassermann,
der wollte Königs Tochter han.

Er freit wohl länger als sieben Jahr,
bis daß die junge Braut seine war.

Sie ging wohl in den Garten,
und wollt der Blümlein warten.

Da sah sie in den Wolken stehn,
daß sie im Rhein sollt untergehn.

Sie ging wohl in die Kammer,
beweint sich ihren Jammer.

»Ach Tochter, schweig nur stille,
und tu nach unserm Willen!

Und so du tust, wie's uns gefällt,
so kommst du ja nicht aus der Welt.«

Der Bräut'gam kam geritten
mit vierundvierzig Reitern.

»Guten Tag, guten Tag, liebste Eltern mein,
wo ist denn nun das junge Bräutelein?«

»Da drinnen in der Kammer
schlägt sie die Händ zusammen.«

Der Bräut'gam war ein geschwindiger Mann,
er schaut, daß er in die Kammer kam.

»Ach, Bräutlein, liebstes Bräutlein mein,
wie geht dir's denn im Kämmerlein?«

»Mir geht's nicht gut, mir geht's nicht wohl,
und daß ich heut noch sterben soll.

Ei, Mutter, herzliebste Mutter mein,
laß mich dies Jahr noch Jungfer sein!«

»Keine Jungfer darfst du nicht mehr sein,
du mußt ja jetzt schon seine sein!«

»Ei, Mutter, bleib in Gottes Nam'n!
Jetzt seht ihr mich zum letztenmal!«

Und als sie auf den Wagen stieg,
ihrem Vater und Mutter gute Nacht sie gibt.

»Gute Nacht, gute Nacht, mein Töchterlein!
Wir hoffen, es wird dein Glück noch sein.«

»Wie soll denn das mein Glück noch sein?
Seine Mutter ist ein wildes Wasserweib,
das wird mir kosten meinen Leib.«

Und als sie auf Grundheid nauskam'n,
zwei weiße Schwanen ihr entgegenkam'n.

»Fliegt ihr nur hin, wo Freude ist!
Ich fahre hin, wo Elend ist.

Das kann ich an der Sonne sehn,
daß ich heut muß zugrunde gehn.«

Und als sie an die Brücke kam'n,
ihren Tod sie schon vor Augen sah.

»Nun zieht mir aus mein Ehrenkleid,
ich mach mich gleich zum Tod bereit.«

Er ließ die Brücke befahren
mit vierundvierzig Wagen.

Sie fuhren hinüber, sie fuhren herüber,
die junge junge Braut wollte nicht hinüber.

Er ließ die Brücke bereiten
mit vierundvierzig Reitern.

Sie ritten hinüber, ritten wieder herüber,
die junge junge Braut wollte nicht hinüber.

Und als sie auf die Brücke kam,
ein Stein mit ihr zu Grunde gang.

»Geschwind, geschwind, eine Kette,
damit ich sie errette!«

Sie schwimmt wohl hin, sie schwimmt wohl her,
die Braut, die sah man nimmermehr.

»Soll das die siebente Seele sein,
die ich gefahren hab an diesen Rhein,
so soll mein Mutter die achte sein!«

 


 


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