Deutsche Balladen
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Die großen Städte

(Hermann Lingg, 1820 – 1905)

    Die großen Städte schleppen
durchs Meer und über Steppen
sich fort und ihren Fluch,
sie haben ihre Narren
und hinter sich Erstarren
und Schutt und Leichentuch.

Vom Euphrat an die Tiber
schlich ein verzehrend Fieber,
dein Dämon, Babylon!
Anstatt der Belsazare
erhoben sich Cäsare,
Wahnsinnige zum Thron.

In Schlangenträgheit sonnte
am Nil, am Hellesponte
ein Volk sich, nein, ein Schwarm
verdorrter Eintagsfliegen
und ward nur bei den Siegen
der Wagenrennen warm.

Die großen Städte raffen
die Welt an sich und schaffen
sich Raum von Land zu Land,
sie sind die Völkerzwinger
und sich die Fackelschwinger,
des Aufruhrs erster Brand.

Sie schaun die letzte Blöße,
das Grab von jeder Größe,
das Elend und die Pracht.
Sie sind die Totenstille
in Tower und Bastille
und sind die Straßenschlacht.

Sie wären Höllen, wären
nicht Tage, die verklären,
und Werke, die bestehn,
in ihnen sehn Befreier
und Denker ihre Feier
von Jahr zu Jahr begehn.

Inmitten des Getöses
sind Kreise, denen Böses
und Lüge nimmer naht.
Hart an der Stürme Toren,
vom Geist der Zeit beschworen,
erwächst die große Tat.

 


 


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