Deutsche Balladen
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König Karls Meerfahrt

(Ludwig Uhland, 1787 – 1862)

        Der König Karl fuhr über Meer
mit seinen zwölf Genossen,
zum heil'gen Lande steuert er
und ward vom Sturm verstoßen.

Da sprach der kühne Held Roland:
»Ich kann wohl fechten und schirmen;
doch hält mir diese Kunst nicht stand
vor Wellen und vor Stürmen.«

Dann sprach Herr Holger aus Dänemark:
»Ich kann die Harfe schlagen;
was hilft mir das, wenn also stark
die Wind' und Wellen jagen?«

Herr Oliver war auch nicht froh;
er sah auf seine Wehre:
»Es ist mir um mich selbst nicht so,
wie um die Altekläre.«

Dann sprach der schlimme Ganelon
(er sprach es nur verstohlen):
»Wär ich mit guter Art davon,
möcht euch der Teufel holen!«

Erzbischof Turpin seufzte sehr;
»Wir sind die Gottesstreiter;
komm, liebster Heiland, über das Meer
und führ und gnädig weiter!«

Graf Richard Ohnefurcht hub an:
»Ihr Geister aus der Hölle,
ich hab euch manchen Dienst getan;
jetzt helft mir von der Stelle!«

Herr Naimes diesen Ausspruch tat;
»Schon vielen riet ich heuer,
doch süßes Wasser und guter Rat
sind oft zu Schiffe teuer.«

Da sprach der graue Herr Riol:
»Ich bin ein alter Degen
und möchte meinen Leichnam wohl
dereinst ins Trockne legen.«

Es war Herr Gui, ein Ritter fein,
der fing wohl an zu singen:
»Ich wollt, ich währ ein Vögelein:
wollt mich zu Liebchen schwingen.«

Da sprach der edle Graf Garein:
»Gott helf uns aus der Schwere!
Ich trink viel lieber den roten Wein,
als Wasser in dem Meere.«

Her Lambert sprach, ein Jüngling frisch:
»Gott woll uns nicht vergessen!
Aß lieber selbst 'nen guten Fisch,
statt daß mich Fische fressen.«

Da sprach Herr Gottfried lobesam:
»Ich laß mir's halt gefallen;
man richtet mir nicht anders an,
als meinen Brüdern allen.«

Der König Karl am Steuer saß;
der hat kein Wort gesprochen,
er lenkt das Schiff mit festem Maß,
bis sich der Sturm gebrochen.

 


 


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