Deutsche Balladen
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Blaubart

(Friedrich Wilhelm Gotter, 1746 – 1797)

                      Blaubart war ein reicher Mann,
hatte Haus und Hof und Garten,
schmauste, zechte, spiele Karten,
lebte wie ein Tartarchan.

Stark war seines Körpers Bau,
feurig waren seine Blicke,
aber ach! ein Mißgeschicke!
aber auch! sein Bart war blau.

Doch durch seines Goldes Kraft
trieb er jedes Herz zu Paaren
und schon zwanzig Weiber waren
durch den Tod ihm weggerafft.

Er läßt immerfort zu freien,
sich die Mühe nicht verdrießen,
setzt, den Antrag zu versüßen,
stets die Frau zur Erbin ein.

Und zwei Schwestern der Galan
wird er jetzo, Schmausereien,
Schauspiel, Ball und Mummereien
stellt er ihretwegen an.

Bietet ihnen Gold wie Heu. –
Einstens, als sie Kaffee trinket,
spricht die Jüngste : »Hm! mich dünket,
daß sein Bart so blau nicht sei.«

Frisch gewagt ist halb getan,
hurtig muß ihn Trulle freien;
Schauspiel, Ball und Schmausereien
gehen nun von neuem an.

Drauf führt er sein Weibchen fort;
ein Cabriolet mit Sechsen
bringt, als könnte Blaubart hexen,
sie an den bestimmten Ort.

Gleich der Feenkönigin
lebt hier Trulle, sonder Sorgen;
vor dem Spiegel geht der Morgen
und beim Spiel der Abend hin.

An Tapeten, Kanapeen,
Schilderein, Trumeaux und Vasen
können Tanten sich und Basen
stundenlang nicht müde sehn.

Dann kömmt der Bewundrung Reih
an den Schatz von Küch und Keller;
ungekostet bleibt kein Teller,
und kein Glas geht voll vorbei.

Ja man packt, beim Lebewohl,
um noch unterwegs zu naschen,
mit Konfekt und Wein die Taschen
und die Mantelsäcke voll.

Unter manchem tiefen Knicks
wird die ältre Schwester Ännchen,
fromm und sittsam wie ein Nönnchen,
täglich Zeugin ihres Glücks.

Da sah man kein bös Gesicht;
Täubchen! hieß es nur und Püppchen!
Dann und wann schlug Trull ein Schnippchen,
doch er tat, als säh er's nicht.

Es bewegt ihr Ehestand
Hagestolze selbst zum Neide;
aber Leid folgt oft der Freude,
großes Glück hat nicht Bestand!

»Ich verreise, sprach er einst,
nimm die Schlüssel, liebe Trulle!
Zimmer, Kisten und Schatulle
stehn dir offen, wenn du meinst.

Nimm dir einen Cicisbee.
um dich zu desennüyieren!
Spiel im Schachbrett, geh spazieren,
schaukle dich und trinke Tee!

Flieh die schwarze Kammer nur,
sonst ist dir der Tod geschworen!« –
Noch schallt er in ihren Ohren,
so vergißt sie auch den Schwur.

Bricht vor Eile bald das Bein;
knack! so springen alle Riegel,
und der schwarzen Kammer Flügel
öffnen sich; sie wischt hinein.

O, der Greuel, die sie sah!
Blut in Strömen! tote Leiber!
Blaubarts alle zwanzig Weiber
hingen wie Gewehre da.

Fliehn will sie, zurückgeschreckt;
Angst entstellt Blick und Gebärde;
als ein Schlüsselchen zur Erde
fällt und sich mit Blut befleckt.

Was sie sich für Mühe gab!
zehnmal wischte sie und rieb es;
blutig war es, blutig blieb es,
und das Blut ging nimmer ab.

Noch vor Nacht kommt ihr Barbar,
fragt mit aufgeworfnem Rüssel:
»Weib, wo hast du meine Schlüssel?«
Zitternd reicht sie sie ihm dar.

»Sind es alle? – Laß doch sehn!
Einer fehlet, schaff ihn wieder!« –
Weinend stürzt sie vor ihm nieder
und bekennet ihr Vergehn.

»Gut! so weißt du dein Geschick!
Jene dort sind dein gewärtig.
Mache dich zur Reise fertig!
Dein ist noch ein Augenblick!« –

Schleppt sie drauf mit eigner Hand
in des Hofes innre Mauer,
wo, in feierlicher Trauer,
ein verfallner Wachtturm stand.

Trulle sträubt sich, zappelt, schreit:
»Aufschub! Aufschub! ich will sterben;
doch die Seele vom Verderben
zu erretten, laß mir Zeit!« –

Ännchen läuft auf ihr Geschrei
atemlos zum nahen Turme;
schauet, ob dem armen Wurme
Hilfe noch zu schaffen sei.

Er, der auf und nieder geht
und den Hut ins Auge drücket,
spricht, da er den Säbel zücket:
»Bet ein kurzes Stoßgebet!« –

Trullen stockt des Blutes Lauf
beim gezückten, scharfen Säbel;
schon umringt vom Todesnebel,
seufzet sie zum Turm hinauf:

»Schwester Ännchen siehst du nichts?« –
»Stäubchen in der Sonne drehen
und des Grases Spitzen wehen,
Schwesterchen, sonst seh ich nichts!« –

»Schwester Ännchen, siehst du nichts?« –
»Stäubchen fliegen, Gräschen wehen.« –
»Ännchen, läßt sich sonst nichts sehen?«
»Schwester Ännchen, sonst seh ich nichts.« –

Trulle fragt ohn Unterlaß.
Ännchen ruft: »Sei guter Laune!
Dort, beim Hagebuchenzaune
reitet man in starkem Paß.

Jetzo sprengt man – langt schon an!«
Trulles beide Herren Brüder
kamen von der Beitze wieder,
mit dem schönsten Auerhahn.

Blaubart kriegt den Tod zum Lohn,
wird gekocht in heißer Lauge;
Trulle kommt mit blauem Auge
dieses Mal noch so davon.

Weiber bleiben wie sie sind;
ihre Neugier auszurotten,
hilft nicht predigen, nicht spotten;
Weiber bleiben wie sie sind!

 


 


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