Deutsche Balladen
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Bischof Kletus

(August Stöber, 1808 – 1884)

            Der Kaiser sitzt auf goldnem Thron,
im Purpurkleid mit goldner Kron'.
Auf seidnen Kissen funkelnd ruht
des Golds und der Kleinodien Glut.

Es letzt sein Blick sich an dem Licht,
das blitzend aus den Schätzen bricht;
es tönt ihm süßer als Gesang
der goldnen Stücke heller Klang.

»Ihr Diener alle um mich her;
wann werden meine Kisten leer?«
»Ausschöpfen läßt das Meer sich nicht,
nicht wägen deines Golds Gewicht!«

»Ihr Diener, nennt mit einemmal
mir meiner Edelsteine Zahl!«
»Wer zählt der Sterne zahllos Heer?
der Edelsteine hast du mehr!«

»Wo blitzt etwan ein hellrer Schein
als der aus meines Geschmeides Schrein?«
»Die Sonne hat wohl funkelnd Licht,
wie dein Geschmeide glänzt es nicht!«

So prahlt des Kaisers stolzes Wort;
es schmeicheln so die Knechte fort.
Da schreitet aus der Söldner Chor
mit finstrer Stirn Sankt Kletus vor.

Der Bischof tritt zum Kaiser hin:
»Mein Herr! nicht bringt dir das Gewinn!
Laß ab! laß ab von Trug und List,
vernimm, was an der Wahrheit ist!

Wohl funkelt hell der Schätze Glut.
Doch weh! dran klebt manch schuldlos Blut!
doch weh! dran klebet brennendheiß
der armen Untertanen Schweiß!

Doch weh! dran haften Seufzer bang,
die schallen das ganze Land entlang,
und Wais- und Witwentränen viel
träufeln von deinem Augenspiel!

So rot und hell die Schätze sprühn,
so heiß soll dein Gewissen glühn!
soll schelten in dein sündig Tun
und nimmer mit seinem Schelten ruhn!«

Der Kaiser flammt von Zorneswut,
er zückt sein Schwert in wilder Glut:
»Ihr Knechte, was haut sogleich ihr nicht
zu Stücken den kecken, frevlen Wicht!«

Der Knechte Schwerter blitzen hell,
sie zückten nach dem Bischof schnell.
Der stehet furchtlos und ruhig doch;
»Herr Kaiser, vergönn ein Wörtlein noch!

Reich mir aus deiner Schätze Zahl
ein Goldstück her nach eigner Wahl;
reich einen Edelstein mir klar
und prüf, ob ich geredet wahr!«

Der Kaiser willigt das Begehr,
reicht Edelstein und Goldstück her.
Der Bischof bricht entzwei den Stein –
es quollen draus viel Tränen rein.

Er bricht entzwei das Goldstück schnell,
draus träufeln viel Blutstropfen hell ...
Den Kaiser greifet Angst und Graus;
die Knechte stürzen zum Saal hinaus.

Es sitz ein Bild auf güldnem Thron,
im Purpurkleid mit goldner Kron'. –
Die Schätze funkeln hell – und bleich
starret herab die Kaiserleich'.

 


 


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