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Zwei Königssöhne standen zu Nacht, 
        gelehnt an hohen Lanzenstab, 
        und hielten vor einem Berg die Wacht, 
        der Berg war ihres Vaters Grab. 
        Von Wolken oft umsponnen, 
        sah Mondlicht wechselnd drein; 
        da ward Gespräch begonnen 
        also von diesen zwein:
        »O Bruder mein, was denkst du wohl, 
          bracht uns der Hirt wahrhafte Mär, 
          daß dort in Vaters Berggrab hohl 
          ein lust'ges Singen zu hören war? 
          Mich dünkte, es kann nicht hausen 
          bei Toten heller Klang; 
          er fänd im kalten Grausen 
          wohl schlechten Liebesdank.« 
»O Bruder mein, wie du's gedacht, 
          so denk ich's auch in meiner Brust. 
          Wo keines Lichtes Goldblick lacht, 
          hat niemand ja zum Singen Lust, 
          und helle Leuchten taugen 
          in Totenklausen nicht; 
          man sagt, gestorbnen Augen 
          sei herbe Pein das Licht.« 
»O Bruder mein du redest gut, 
          o Bruder mein, wie lebt sich's schön 
          Im Leben nur wohnt freud'ger Mut, 
          und alles, was Herzen kann erhöhn. 
          Schlimm machten es die Götter, 
          daß man ins dunkle Grab, 
          gar sonder allen Retter 
          so sicher muß hinab.« 
Und kaum noch war das Wort heraus, 
          das lebenshold der Jüngling rief, 
          da regte sich's im Grabeshaus, 
          da täten sich auf die Kammern tief, 
          und draus hervor sah fröhlich 
          das alte Königshaupt; 
          man hätte kaum so selig 
          'nen Herrn der Welt geglaubt. 
Er saß im Grab, das Schild sein Tisch, 
          vier Lichter brannten in Ecken klar, 
          und Mond strich ab die Wolken risch 
          und nahm liebvoll des Alten wahr. 
          Da in die goldnen Schimmer 
          sang froh hinein der Held, 
          er sang so freudig nimmer 
          ehmals auf dieser Welt. 
So war sein Spruch, so war sein Lied, 
          er schlug mit dem Schwert dazu das Maß: 
          »Weh dem, der wankt, weh dem, der flieht, 
          weh dem, der zitternd im Sattel saß! 
          Ein Vater zweier Söhne 
          hielt immer fröhlich stand 
          und hat nun Licht und Töne 
          mit sich im dunklen Land.« 
Und zu ging wieder das Grabeshaus, 
          und drin ward's wieder still und stumm, 
          der Kerzen Lichtstrom löschte aus, 
          Mond nahm den Wolkenmantel um. 
          Die Brüder sahn zur Stunde 
          den Bildern staunend nach, 
          bis, wie aus einem Munde, 
          jedweder also sprach: 
»O Bruder mein, o Bruder gut, 
          wir woll'n dran denken, was wir sahn, 
          wo's gilt in Schlachten Kriegesmut 
          und durch Heerscharen brechen die Bahn. 
          Hell mag des Leben gleißen 
          in kühner Jünglingsbrust, 
          doch auch, was Tod wir heißen, 
          hegt schön geheime Lust!« – 
Sie gingen heim, die Brüder zwei, 
          gar kecklich in erneuter Kraft; 
          doch sangen sie und schwangen frei 
          das blanke Schild und den Lanzenschaft. 
          Sie haben viel errungen 
          des Ruhms am Norderstrand, 
          seit ihnen ward gesungen 
          das Lied vom dunklen Land.  |