Deutsche Balladen
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Die treuen Hunde

(Joseph Friedrich Engelschall, 1739 – 1797)

              Begleitet von zwei treuen Hunden,
ging Schnell, ein Fleischer, über Land.

Schon waren ihm nach wenig Stunden
die Türme seiner Stadt verschwunden,
als in dem Wald, durch den der Weg sind wand,
ein Mann mit Knotenstock – im Blicke
mehr tiefen Gram als Herzenstücke –
bescheidend flehend vor ihm stand:
Freund nur ein kleines einem Armen,
Gott näher bringt dich das Erbarmen.

Schnell wendet sich und sucht hervor
ein Silberstück, als – mir zittert
die Feder, und mir singt das Ohr! –
als jener Unhold im Gewande
der Dürftigkeit durch einen Schlag
den Fleischer, der nichts Arges wittert,
zu Boden stürzt. Der Edle lag
betäubt und sinnenlos im Sande
und auf dem Punkt, beraubt zu sein.

Doch Vorsicht und Instinkt verkürzen
die Freveltat: wie Blitze stürzen
die Hunde wütend auf den Mörder ein,
zerfleischen schrecklich ihn und zerren
ihn endlich nach dem nahen Sumpf.
Dann fliegen sie zu ihrem Herren,
der noch an allen Sinnen stumpf
zu Boden lag, beriechen und belecken,
ihn in das Leben zu erwecken,
ihm freundlich Händ und Angesicht.

Schnell wachet auf, sieht seinen Mörder nicht,
doch findet er sein Geld und seine Hunde,
fühlt eine Beule, keine Wunde
und wandert seines Weges fort.

Urplötzlich dringt aus einem nahen Ort
ein kläglich Wimmern ihm zu Ohren.
Er geht dem Laute nach und sieht,
den Räuber blutend und verloren,
wenn niemand rettet. Hochentglüht
von Menschlichkeit und Tugend, springet
er mutig in den Sumpf und zieht
selbst seinen Mörder an das Land und ringet
ihm Haar und Kleider aus und jagt
die Hunde fort, Worauf er endlich fragt:´
Was tat ich dir, daß du mich schlugest
und friedlich nicht ein klein Geschenk von mir
zurück in deine Hütte trugest?

Mitleiden, sprach der Räuber hier,
Mitleiden, lebt nur noch in Sittensprüchen;
doch das Bedürfnis wird nicht satt von Wohlgerüchen!
Ich tat es, Wanderer, weil höchster Grad der Not
mir nur die Wahl noch ließ von mein und deinem Tod!

Ich könnte, sprach der Fleischer mit der Miene
des inneren Bewußtseins, das
so schon belohnet, wenn auch gleich auf ihrer Bühne
die Welt, die, was sie soll, fast immer noch vergaß,
es kaum bemerkt, – ich könnt auf Tod und Leben
dich den Gerichten übergeben;
doch armer Mann, was hälf es mir?
Nimm diesen blanken Taler hier
und eile, daß kein Zeuge dort erzähle,
was hier geschehn!
Erhabne Seele!
rief über ihm ein Genius
und schwang das goldene Gefieder,
du lebst im schönsten aller Lieder
des Dichters, der dich singen muß.

 


 


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