Deutsche Balladen
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Der Mordknecht auf der Wartburg

(Karl Gerok, 1815 – 1890)

          Die Wartburg ruht im Dunkel,
der Bergwald stöhnt im Sturm,
nur eines Lichts Gefunkel
glimmt matt im Frauenturm;
dort flieht der süße Schlummer
zwei Augen, trüberwacht,
dort nagt der bittre Kummer
ein Herz in stiller Mitternacht.

Das ist Frau Margarete,
Graf Albrechts fromm Gemahl,
sie kniet noch im Gebete
in tiefer Seelenqual;
der solch Juwel zerschlagen,
solch edlen Schatz verkannt,
der wird seit alten Tagen
wohl »der Unartige« genannt.

Ihr hoher Seelenadel,
ihr Hohenstaufenblut,
die Schönheit sonder Tadel,
drei Kindlein hold und gut,
der keines rührt die Sinne
dem ungetreuen Mann,
den eine wilde Minne
mit Zaubernetzen ganz umspann.

Die schöne Kunigunde,
das Fräulein Isenberg,
lockt ihn zu bösem Bunde
durch teuflisch Zauberwerk;
sie mag nicht Ruhe geben,
bis daß ihr Werk vollbracht:
es geht dir an dein Leben,
hüt, arme Frau, dich heute nacht!

Sie hüllt sich keusch in Decken,
sie schloß die Augen kaum,
da fährt in jähem Schrecken
sie auf aus bangem Traum,
ihr Herz schlägt wie ein Hammer,
sie sieht sich grausend um;
Weh! mitten in der Kammer
da steht ein Mörder bleich und stumm.

Doch plötzlich rührt ein Grauen
des Knechtes rohen Sinn,
vor seiner edlen Frauen
in Tränen sinkt er hin:
»Ich kann es nicht vollbringen,
Ihr seid zu tugendreich!
mich ließ der Landgraf dingen,
man helft vom Tode mir und Euch!«

Da sprach sie: »Schleich verstohlen
dich in den Ritterbau,
geh meinen Kämmrer holen
mir schwerverratnen Frau.«
Sie weckt die treuen Frauen,
da hält man weinend Rat:
»Ihr müßt vor Morgengrauen
weit weg von hier auf sichrem Pfad!«

Sie läßt sich zitternd kleiden
in rauhes Reis'gewand,
sie rafft von Brautgeschmeiden
ihr Bestes rasch zur Hand;
sie weiß vor Angst und Grämen
kaum selber, was sie tut,
darf doch nicht mit sich nehmen
den besten Schatz, ihr liebstes Gut.

Sie tritt mit schwanker Kerze
ins nahe Schlafklosett
und steht im stummen Schmerze
an ihrer Kindlein Bett;
da liegen sie verschlungen
auf einem Schlummerpfühl,
drei blühendschöne Jungen,
drei Rosen gleich an einem Stiel.

Sie schlingt die Mutterarme
um Dietz mit heißem Schmerz,
sie preßt in herbem Harme
den holden Heinz ans Herz,
doch da sie nun zum dritten,
zum süßen Friedrich kam,
da zuckt ihr Herz, durchschnitten
von unaussprechlich bittrem Gram.

Sie hebt vom Schlummerkissen
ihn weinend in die Höh,
erstickt ihn schier mit Küssen,
dem Kindlein ward so weh,
drückt lange, lange, lange
ihn an den heißen Mund
und beißt im Liebesdrange
des Knaben weiche Wange wund.

Lang blutet ihm die Wange,
doch länger ihr das Herz,
das blutet fort so lange,
bis daß es brach vor Schmerz.
Wohl von der Wartburg Mauer
half ihr das Rettungsseil,
doch von des Abschieds Trauer
ihr Mutterherz ward nimmer heil.

Zu Frankfurt an dem Meine,
im stillen Klosterhaus,
ruht unterm Leichensteine
die Schmerzensreiche aus.
Dort kniete oft und lange
ein Degen ritterlich:
Mit der gebißnen Wange
ihr bester Sohn, Graf Friederich.

 


 


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