Deutsche Balladen
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Und man grabt das Särglein ein

(Ferdinand von Saar, 1833 – 1906)

      »Ha, nun ist es schon das achte,
das sich meinem Schoß entringt,
weil der Mann, der unbedachte,
stets im Rausch mich wieder zwingt.

Hungern müssen längst die andern,
denn dahin sind Feld und Kuh –
und wir können bettelnd wandern,
kommt dies letzte noch hinzu.

Säug ich's auf an welken Brüsten,
fehlt mir selbst des Taglohns Brot –
und wie soll das Zeug ich rüsten? –
wäre doch der Balg gleich tot!«

Ungehört und ungesehen
ruft's im öden Stall ein Weib,
greift, bedrängt von raschen Wehen,
in den schmerzgesprengten Leib.

Mit der Hand, der schwielig rauhen,
faßt sie hart, was sie verflucht –
und stumpfsinnig, ohne Grauen,
schaut sie die entseelte Frucht.

Hastig jetzt aus morschen Schindeln,
die dort in der Ecke ruhn,
zimmert sie – das spart die Windeln –
gleich die winzigste der Truhn.

Auf der Bank in dumpfer Stube
wird der Wurm dann ausgestellt;
sei's ein Mädchen, sei's ein Bube –
kam er doch schon kalt zur Welt.

Schüttelt auch den Kopf der Bader,
schreibt er dennoch seinen Schein,
gern umgeht er Streit und Hader –
und man gräbt das Särglein ein.

 


 


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