Deutsche Balladen
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Getakelt...

(Heinrich Christian Boie, 1744 – 1806)

            Getakelt lag das Schiff am Port,
die Wimpel flossen rot im Winde,
schwarzäugig Suschen kam an Bord:
»O sagt mir, wo ich Wilhelm finde!
Ihr weidlichen Matrosen sagt mir wahr:
geht Wilhelm mit in eurer frohen Schar?«

Wilhelm der hoch am Maste sang,
gewiegt von Wellen hin und wieder,
sobald die traute Stimm' ihm klang,
sah stumm durch Seil und Stangen nieder;
das lange Tau durchglitt ihm heiß die Hand,
und rasch erreicht er das Verdeck und stand.

So, wenn die Lerch' im Saatfeld ruft,
verstummt ihr Gatte schnell, der munter
sein Frühlied singt in blauer Luft,
und schießt geschloßner Schwing hinunter.
Die holden Küss', o Wilhelm, ohne Zahl,
mißgönnte dir Kap'tän und Admiral.

»O Suschen! Suschen! muß ich gehn,
auch ferne bleibst du mein Verlangen.
Wir trennen uns zum Wiedersehn;
o trockne die die heißen Wangen!
Verstürm uns auch der Wind nach Ost und West,
dir steht mein Herz, ein treuer Kompaß, fest!

O süßes Mädchen, traue nicht
des falschem Landvolks schnödem Worte:
der Seemann find't ein glatt Gesicht
für seine Lieb an jedem Orte.
Ein glatt Gesicht ist hier und allerwärts;
doch Suschen, wo dein gutes liebes Herz?

Ob uns Orkan und Wogen drohen,
ob Klipp und Sandbank um uns brande:
den Elementen biet ich Hohn
und kehre heim vom festen Strande;
und donnert auch mit Kugelsaat die Schlacht,
mich rettet dir der holden Liebe Macht!« –

Der Schiffer ruft sein schrecklich Wort;
der Anker steigt, die Segel schwellen.
»Ach«, schluchzt er küssend, »Suschen, fort!«
Und starrt ihr nach durch dunkle Wellen.
Schon kleiner wankt ihr Nacken noch am Strand,
und weiß noch weht das Tuch in Suschens Hand.

Der Ozean stieg schaurig,
vom Sturmwind aufgeschreckt,
da seufzte Suschen traurig,
am Felsenbach gestreckt.
Ihr Auge, weithin spähend,
durchflog den Wolkendrang,
indes die Stirn ihr wehend
die Tauerweid umschlang.

»Das Jahr ist schon vorüber,
ach, schon neun Tage mehr!
Warum so dreist, o Lieber,
vertrautest du dem Meer?
Laß, Meer vom Sturm gehoben,
laß meinen Wilhelm ruhn!
Ach, hier im Busen toben
noch wildre Stürme nun!

Was zogst du, Gold zu häufen,
zum fernen Mohrenstrand,
wo Spezereien reifen
und Perl und Diamant?
Der Fleiß bei sicherm Werke
gewährt uns Überfluß;
uns gäbe Mut und Stärke
ein treuer Herzenskuß.

Wie ringt mit grausen Wettern
dein überwogtes Schiff!
O wehe mir! nun schmettern
es Stürm' ans Felsenriff!
Jetzt schwimmst du auf der Trümmer
durch Weltmeer! sinkend jetzt
nennst du mit Angstgewimmer
dein Suschen noch zuletzt!« –

Sie rief's mit bangem Sehnen
vom Felsen, wo sie saß,
und weinte helle Tränen,
ihr Busentuch ward naß;
da trieb die Woge schäumend
den kalten Leichnam her;
sie starrt ihn an, wie träumend,
erblaßt und sank ins Meer.

 


 


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