Christoph Martin Wieland
Nachlaß des Diogenes von Sinope
Christoph Martin Wieland

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Die Republik des Diogenes

An Xeniades

1.

Ich habe dir meine Republik versprochen, guter Xeniades, und der Besuch eines Macedonischen Jünglings, der auf Eroberung der Welt auszieht, hat mich in die Laune gesetzt, dir Wort zu halten.

Um den ungeheuern Einfall zu haben, aus allen Völkern des Erdbodens einen einzigen Staat zu machen, muß man – Alexander seyn. So weit erstreckt sich meine Einbildungskraft nicht.

Ich will mir einbilden, ich wär' ein weiser Zauberer, der mit Hülfe einer magischen Ruthe alle seine Ideen realisieren könnte; und hätt' eine noch unbewohnte Insel vor mir liegen, welche groß und fruchtbar genug wäre, einige hundert tausend Männer, mit den dazu gehörigen Weibern und Kindern, auf jeden Mann höchstens zwey Weiber und sechs Kinder gerechnet, hinlänglich zu ernähren.

Ich setze ferner voraus, daß diese Insel – Ja, das ist eben die Frage, was ich voraussetzen soll? – Ob, zum Exempel, meine künftigen Unterthanen noch ungezeugt und ungeboren, – oder zwar erwachsen aber noch wild, – oder ob sie wirklich schon so policiert, so geschickt, so wohl erzogen und fromm seyn sollen, als wir Griechen sind?

Die Sache verdient Überlegung.


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