Christoph Martin Wieland
Nachlaß des Diogenes von Sinope
Christoph Martin Wieland

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2.

Wenn sich jemand in den Kopf setzen wollte, andern Leuten zu Gefallen weise zu werden, – als, zum Beyspiele, sein Glück dadurch zu machen, oder sich bey der Welt in Achtung zu setzen, oder sich ihrem Tafel zu entziehen, – so wollte ich ihm unmaßgeblich gerathen haben, sich hinzusetzen und es bleiben zu lassen. Denn ich will meine Tasche und meinen Stecken, das ist, mein ganzes Vermögen, gegen eine Puffbohne (in so fern ihr keine Pythagoräer seyd) setzen, daß ihr eure Mühe dabey auf die eine oder die andre Art verlieren würdet.

Entweder werdet ihr euch die Hochachtung der Welt erwerben; und dann müßte mich alles betrügen, oder ihr werdet diese Ehre euerm Gelde, oder euerm Stande, oder euerm Amte, oder eurer Frau, oder eurer Schwester, oder eurer guten Miene, oder eurer Kunst zu singen, zu tanzen, die Flöte zu spielen, durch einen Reif zu springen, Hirsenkörner durch einen Fingerring zu werfen, kurz, eher allem andern in der Welt als eurer Weisheit zu danken haben: – oder gelangt ihr, durch des Himmels Gunst, wirklich zu Weisheit; so wird sichs die Welt nicht ausreden lassen, euch für eine Art von Narren zu halten; welchen Falls ihr wohl thun werdet, es (wofern ihr könnet) wie Diogenes zu machen – nehmlich, gerade weil Diogenes weise ist, so ist Diogenes kein Narr und bekümmert sich darum.

Denn, meine guten Freunde, wenn er euern Beyfall suchte, er, der euch keine Gnade auszutheilen, keine Gastmähler zu geben, keine Persischen Weine und keine schöne Frau vorzusetzen hat, – so müßte er eure Handmühlen drehen, oder in euern Bergwerken graben, oder eure Nymfen ins Gehäge treiben, oder eure Verdauung durch seine Schwänke befördern; und, mit eurer Erlaubniß, von allem diesem und was dem ähnlich ist, findet er für gut sich selbst zu dispensiren, weil er das Mittel ausgefunden hat eures Beyfalls entbehren zu können.

Mit den guten Freundinnen hat es schon eine andere Beschaffenheit. Auch ohne eben schön oder reich oder von Stande oder in Purpur und Byssus gekleidet zu seyn, oder nach Lavendel zu riechen, oder einen frisierten Kopf, oder überhaupt einen Kopf (in so fern Witz darein gehört) oder irgend ein Talent zu haben, das ein Frauenzimmer auch haben kann, giebt es – Dank sey eurer Gutherzigkeit, ihr angenehmen Geschöpfe! – ein unfehlbares Mittel euern Beyfall zu verdienen, und – kurz, wir verstehen einander, denke ich: und wenn jemahls meine Feinde ihre Bosheit so weit treiben sollten, mir durch gewisse Verleumdungen eure gute Meinung entziehen zu wollen; so hoffe ich, es werden immer noch einige unter euch edelmüthig genug seyn, mich in ihren Schutz zu nehmen, und ihren Schwestern in die Ohren zu lispeln, daß Diogenes – nicht ohne alle Verdienste sey.


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