Christoph Martin Wieland
Nachlaß des Diogenes von Sinope
Christoph Martin Wieland

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33.

Du begreifst nicht, Eurybates, was ich mit dieser Schutzrede für die Freude wolle, die dir in dem Munde des Diogenes unerwartet ist? Ich würde, däucht dir, am wenigsten dabey zu verlieren haben, wenn die ernsthaften Leute, die sichs zum Verdienst anrechnen in ihrem Leben nie gelacht zu haben, die Oberhand in der Welt gewinnen sollten.

Du irrest dich vielleicht, Eurybates; – denn sie würden mir meine gute Laune nehmen wollen; und wenn sie das könnten, so möchten sie mir eben so gut auch das Leben nehmen; ich würde keine Bohne mehr darum geben.

Aber, in der That, ich dachte dabey weniger an mich selbst, als an eure Kinder und Kindeskinder. – Ich hatte bey mir selbst nachgedacht, was daraus folgen würde, wenn eine gewisse Partey von Graubärten in euerm Rathe durchdränge, welche Tag und Nacht über Verderbniß der Sitten klagt, und, wie ich höre, neulich den Vorschlag gethan hat, daß man alle die Personen beiderley Geschlechts aus Korinth wegschaffen solle, deren Profession es ist, andern Vergnügen zu machen. Alle Tempel und Kapellen, wo den Göttern der Freude geopfert wird, sollten geschlossen, alle Schauspieler, Mimen, Tänzerinnen, Flötenspielerinnen, auf Einen Tag aus der Stadt verwiesen werden, – wenn es nach dem strengen Sinne dieser Herren ginge, welche sich ihrer eigenen Jugend nicht gerne mehr erinnern, und einen vielleicht unbilligen Haß auf Vergnügungen geworfen haben, zu denen sie das Alter oder ihre ehemahlige Unmäßigkeit unvermögend gemacht hat.

Ich gestehe dir, Eurybates, ich würde diese fröhliche Bande aus meiner Republik auch verbannen, ich werde sie nie hinein lassen, so bald ich Gelegenheit finde, eine Republik nach meiner Fantasie zu errichten. – Aber, ob ihr sie aus Korinth verweisen sollt, ist eine andere Frage.

Die Perikles und die Sokraten, die Weisesten und Besten zu Athen, versammelten sich des Abends bey der schönen Aspasia. Man sprach von wichtigen Dingen in dem muntern Tone der die lange Weile verbannt, und Kleinigkeiten wurden durch Witz und Laune interessant. Aspasia war die Seele der Unterredung. Die schönsten Ideen, die klügsten Anschläge wurden in dieser Gesellschaft entworfen, welche nur Erhohlung und Zeitvertreib zum Zweck zu haben schien; und oft fand Aspasia Mittel, unvermerkt zu vereinigen, oder kleine Mißverständnisse zu beheben, welche in der Folge der Republik hätten nachtheilig werden können. Eine niedliche Abendmahlzeit öffnete vollends die Gemüther der Geselligkeit und Freude. Kleine rosenbekränzte Becher weckten den Attischen Scherz und das feine Lachen, die Filosofie lernte von den Grazien scherzen, man sprach Dinge, welche werth waren, von einem Xenofon geschrieben zu werden; bis die Musen, unter der Gestalt lieblicher junger Mädchen, durch Gesang und Tänze die Scene beschlossen.

Sage mir nun, Eurybates, würde sich Athen besser befunden haben, wenn es die schöne Aspasia mit ihren Mädchen fortgeschickt, und die Perikles und Sokraten genöthigt hätte, ihre Abende ernsthafter zuzubringen?

Meinst du, daß Hellas diesen mannigfaltigen Überfluß von schönen Bildern und Gemählden, diese Meisterstücke idealischer Schönheiten, welche den Geist zu Begriffen von überirdischer Vollkommenheit erheben, besitzen würde, – wenn keine Theodoten, Frynen, Danaen und ihres gleichen gewesen wären, welchen der Wohlstand nicht verbot, ihre Schönheit zur Aufnahme der Kunst dienen zu machen?

Und was für Ergetzungen wollen wir, wenn wir die Musen und die fröhlichen Grazien aus unsern Grenzen verbannt haben, an die Stelle der ihrigen setzen? – Gar keine? – So müßten wir die menschliche Natur umschaffen können! – Skythische Schmäuse und Thracische Freuden werden die Stelle derjenigen einnehmen, die ihr verjaget.

In kurzem wird euer Witz plump, eure Gemüthsart rauh und ungesellig, eure Tugend wild, spröd und menschenfeindlich seyn. Ihr werdet eurer Jugend Eine Gelegenheit zu Ausschweifungen abgeschnitten haben; aber, unbekehrt von euern Sittenlehren, werden sie auf Schadloshaltung bedacht seyn, welche ihnen selbst und dem Staate zehnmahl verderblicher seyn werden. Die Fremden werden eure Stadt fliehen, die nichts anlockendes mehr für sie haben wird; und der müßige Theil eurer Bürger, dem ihr die unschädlichsten Mittel, seine Zeit zu verlieren, benommen habt, wird in kleine Privatgesellschaften zusammen schleichen, und aus lauter langer Weile anfangen die Regierung nach falschen Begriffen zu bekritteln, Intriguen anzuzetteln, und Staatsveränderungen zu träumen.

Ich habe, wie du sagtest, bey allem diesem nichts zu verlieren: aber, alles überlegt, dächt' ich, ihr behieltet immer eure Komödianten, Mimen, Gaukler, Flötenspielerinnen u. s. w. mit den kleinen Übeln, von welchen ihr Daseyn begleitet ist. – Es giebt zwanzig Mittel, den Ausschweifungen, wozu der Hang zum Vergnügen verleitet, Grenzen zu setzen. Aber gegen die Übel, die über euch kommen werden, wenn ihr die Musen und Huldgöttinnen, mit ihrem Gefolge von Scherzen und Freuden des Landes verwiesen habt, weiß ich kein Mittel, als – ihr müßtet euch gefallen lassen, eure Republik nach der Spartanischen, oder Platonischen, – oder nach der meinigen umzuschaffen; und dabey würdet ihr einige Schwierigkeiten finden!


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