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Viertes Buch

Erstes Kapitel

Nach diesen gewaltsamen Vorgängen geschah alles, die aufgewühlte Bevölkerung der Gegend um den Heiligenhof wieder zu beruhigen. Die kirchliche Behörde sandte an die Stelle Ardelts einen weltläufig-besonnenen Nachfolger, Spiller mit Namen, einen früheren Assessor und juristischen Doktor. Der verständigte und verband sich mit dem versöhnlichen Geiste des Fürstlich Arenbergschen Oberförsters Wiesner. Die Kündigung der Querhovener Pachtäcker wurde nicht nur zurückgenommen, sondern der Zins wegen der schlechten Lage der Landwirtschaft in jener Zeit, wenn auch nur um geringes, ermäßigt. Ja, jenen, die eine Erweiterung ihrer Wirtschaft anstrebten, stellte man sogar neue Ländereien in Aussicht, und als nicht lange danach das frühere Querhovener Meixnergut in den Besitz der Herrschaft überging, konnten sehr viele der armen Speilhobler des Walddorfes zu ihrem schmalen Pachtstreifen noch ein Lehnäckerlein schlagen. Die Leiche des abtrünnigen Schwärmers wurde unter dem Steine am buschigen Hange herausgehoben und in die geweihte Erde des Hemsterhuser Kirchhofes gebettet, wenn auch der kirchliche Beistand bei der Feier nur auf eine gelegentliche Einsegnung beschränkt blieb. Der Ketzerkantor Liborius Pfeiffer wurde im Interesse des Dienstes weit fort, in eine Gemeinde der katholischen Diaspora versetzt und gewöhnte sich dort langsam, aber schmerzvoll seinen wilden Bekehrungs- und Verdächtigungseifer ab, obzwar er weiter fortfuhr, in engstem Kreise über die babylonische Verwirrung der Christenheit leidenschaftlich zu klagen und ein furchtbares Gottesgericht über das sündige Europa in nahe Aussicht zu stellen. Doch mit Ausnahme eines Briefes an den Hemsterhuser Kirchvater, den Vorsteher der dortigen Glaubensbruderschaft, hat er nie wieder nach jener Zeit seines Lebens gelangt, die mit einem Zerbrechen seiner heiligsten Absichten endete. Ein Weilchen bemächtigten sich auch die Tageszeitungen des Hemsterhuser Aufruhrs. Das erstemal erklang da auch der Name des Heiligenbauers und seiner blinden Tochter in die weitere Welt hinaus. Freilich verzerrt, konnte sich niemand ein Bild von diesen beiden Menschen machen, die in der gewollten Einsamkeit ihres Lebens der Grund und Anstoß für eine Bewegung geworden sind, die selbst, ja erst recht in unseren Tagen sich immer weiter ausbreitet. Die »Gottesfreunde« von Querhoven oder »Menschenchristen«, wie sie sich zuletzt nannten, gerieten nach dem günstigen Ablauf des wilden Strudels, in den sie ihre fanatischen Brüder gestürzt hatten, weder in die eitle Überheblichkeit erfolgreicher Anfänger, noch auch in eine verstiegene Proselytenmacherei, nein, sie blieben nach wie vor bei ihrem errungenen einfachen Glauben. Die früheren Schwärmer hatte der schreckliche Tod ihres Führers schnell auf die besonnten Wege zurückgedrängt, von denen sie durch das Meixnersche Himmelstollen verscheucht worden waren, und eine so tiefgehende Wandlung in ihnen bewirkt, daß sich diese Irregeführten bald durch besondere Innerlichkeit auszeichneten. In wenigen Wochen bildeten die Querhovener wieder eine einhellige Gemeinde. Sie fuhren fort, den Weg zu Gott nicht durch einen Mittler, nicht durch die Macht einer Kirche zu suchen, sondern nur mit der Frömmigkeit des erhobenen Herzens und in werktätiger Liebe zueinander. Sie fragten: »Brauchen der Baum oder die Blume jemand oder etwas, das ihnen die Luft, den Regen, die Sonne, den Himmel vermittelt, als nur die Kräfte und Eigenschaften, die ihr Wesen ausmachen? Nun und sagt man nicht, der Mensch sei mehr als ein Gewächs des Feldes? Warum erniedrigt sich der Mensch also? Niemand, der Brot essen kann, kehrt zum Brei des Säuglings zurück. Der eigene Hunger ist besser als der gekaute Bissen aus dem Munde anderer.«

Mit Inbrunst glaubten sie an das, was der Mönch Ekkehart, der tiefste Christ aller Zeiten, den Gottesgrund in jedes Menschen Wesen nennt, und betrachteten danach das Gute nicht als ein der Seele fremdes, von einer äußeren Macht herrührendes Gebot, sondern als eine menschliche Lebensnotwendigkeit, und Bösesein hielten sie für einen solchen irrsinnigen Wahnwitz wie etwa Gifttrinken, um seinen Durst zu löschen. Deshalb behandelten sie auch jeden Bösen, wie einen von Krankheit befallenen Bruder, mit Liebe und nie ermüdendem Mitleid.

So lebten die Querhovener »Menschenchristen«, wie es uns etwa von den Christen der ersten Jahrhunderte berichtet wird, ehe die Kirche in den Götzendienst der äußeren Macht verfallen war.

Sie lehnten es ab, sich mit Gegnern in einen Glaubensstreit einzulassen. »Wer mit Worten beweist, kann mit Worten widerlegt werden«, sagten sie, und »Zwei Männer, die ihres Glaubens halber in Streit geraten, sind wie zwei Gewitter, welche aufeinanderprallen. Sie hören nicht eher auf zu blitzen und zu donnern, bis sich beide zerstört haben.« Und so lehrten sie nur durch ihren Wandel.

Damit aber ahmten sie die Überredungskraft der Natur nach, die auch durch nichts anderes zu sich erzieht als durch die geheimnisvolle Schönheit ihrer Lebensgestalten, und die Zahl derer, die sich den Querhovenern anschlossen, wuchs fortwährend.

Am meisten betroffen von dem Erfolg dieser Irrlehre war die römisch-katholische Kirche, die geglaubt hatte, mit duldender Güte den sektiererischen Widerstand abschleifen und die neue Kraft langsam in die Bahnen ihrer alten Formen leiten zu können. Der neue Pfarrer, Dr. Spiller, wirkte in diesem Sinne unausgesetzt auf sie ein, indem er sie zu überreden suchte, daß ihre Ansichten nichts Neues, sondern die alten Grundlehren des Christentums und somit der Kirche seien, und daß ihre Wirkung noch eine weit nachhaltigere sein würde, wenn sie sich ganz der Weisheit der Kirchenzucht unterwürfen. Allein, dem widersetzten sich alle, am nachdrücklichsten aber der alte sanftmütige Vanlyßender, und er wies dem Geistlichen auch nach, warum das unmöglich sei.

»Deswegen nämlich, Hochwürden, sind wir nicht wie ihr«, sagte der ehrwürdige Greis, »weil wir Querhovener vom ersten bis zum letzten Christum nicht für einen Gott, sondern für einen göttlichen Menschen halten, für den Menschensohn, als den er sich bei Markus immer bezeichnet. Das Geschlechtsregister bei Matthäus und Lukas ist ebenso Priesterwerk wie die Lehre des Paulus und das Evangelium Johannes, das nicht von dem Jünger des Jesus sein kann. Dieser hohe Mensch, der Herr Christus nämlich, hat nie eine Kirche stiften wollen, und Sakramente hat er auch nicht eingesetzt, nicht ein einziges. Wir sind das neue, junge Herz in dem alten Leibe, der sich nach dem Namen Jesus Christus nennt. Darum trennen wir uns nicht, weil wir das Herz nicht aus dem Leibe reißen, sondern ihn, den Leib nämlich, mit neuem Blut erneuern wollen.«

Als der Alte so zu dem Pfarrer gesprochen hatte, entschuldigte er sich, daß er, ein ungelehrter Mann, so rede. Aber in seiner Seele wisse und glaube er, daß der Mensch ein Wesen sei, das Gott und den Himmel von Anbeginn in sich trage. Darum, wer den Weg zu Gott, zu der höchsten Glückseligkeit suche, der dürfe nur in sein tiefstes Innere sinken. Und der Himmel werde einst auf Erden sein, wenn alle den Mut haben werden, nach den Gesetzen ihres tiefsten Inneren zu leben.

Der Pfarrer von Hemsterhus war von den einfachen Worten des ergriffenen reinen Greises selbst wider Willen ergriffen, daß er seiner Bewegung nicht Herr werden konnte.

Er brachte kein Wort hervor und senkte erblaßten Gesichtes seine Augen. Dabei ging sein Atem einige Züge lang schwer, daß es selbst dem Vanlyßender auffiel. Deswegen faßte der sich ein Herz und sagte dem Doktor Spiller auch das letzte, was er wußte.

»Herr Pfarrer«, rief der Greis begeistert aus, »ich weiß es und sterbe darauf, wenn es sein muß. Wenn jemand ein Kaiser wird, oder ein Papst, oder ein Dichter, oder ein großer Gelehrter und Fabrikherr bloß aus dem Grunde nämlich, um mehr zu sein als ein großer, reiner Mensch, so steigt er allemal herab und wird weniger als er war.«

Dabei berührte der Speilhobler beteuernd den Geistlichen mit der Hand an der Achsel.

Plötzlich fiel die Ergriffenheit von dem Doktor Spiller ab; er schüttelte den Alten von sich, sah ihn ob der Respektlosigkeit verweisenden Gesichtes an und ging einmal die Stube des Pfarrhauses hin, in der diese denkwürdige Unterredung stattfand.

Dann blieb er vor dem Vanlyßender stehen und maß das vertrocknete, kümmerliche Greisenmännlein belustigt vom Kopf bis zu Füßen. »Ja, Vanlyßender, also Sündenfall hat's nicht gegeben?« fragte er schneidend.

»Nein«, antwortete der Alte sanft.

»Und Erlösung auch nicht?«

»Nein.«

»Und alle Menschen sind Engel?«

»Wenn sie den Willen haben, ja.«

»Und ein Mörder, ein Ehebrecher, Kinderschänder ... Mann, ist ein solcher Mensch auch Gott?«

»In seiner tiefsten Seele, ja. Denn auf den Meeresgrund reicht keine Welle, auch die furchtbarste Sturmflut nicht. Oder kann es einen Wind geben, so stark, daß er die Sterne auszulöschen imstande wär'?«

Dr. Spiller wich bei den ruhigen, sicheren Antworten des alten Vanlyßender immer weiter, wie in wachsendem Entsetzen zurück.

Der Greis aber war in eine Art träumende Versunkenheit verfallen und schaute wie geistesabwesend mit seinen klaren Augen ins Raumlose.

Da fiel der erste Strahl des Abendrots in die verdunkelte Pfarrstube. Wie eine schimmernde, rote Wand stellte es sich zwischen die beiden Männer und schied sie voneinander. Der Alte fuhr aus seinem Fernsein auf, heftete die Augen auf den Schimmer und bekam davon ein glückseliges Lächeln über sein ganzes Gesicht.

Dann sagte er mit leiser, liebreicher Stimme in das lange Schweigen hinein: »Sehen Sie, Herr Pfarrer, auf meine Hand! Jetzt halte ich sie in das Sonnenscheinen, und sie blüht rot. So sind wir Querhovener in die Sonne getreten. Und Gott blühe uns weiter.«

Dabei neigte er sich vor dem Geistlichen und ging geräuschlos davon.

Dr. Spiller sah lange und betroffen auf die geschlossene Tür und begann dann wieder erregt durch seine Zimmer zu schreiten.

Trotzdem ließ er auch in der Folge nicht nach, mit allen Mitteln die Querhovener von ihrem Irrtum abzubringen. Ja, als es mit dem Vanlyßender nicht lange danach reißend bergab, gegen die Grube hin ging, steigerte er sein Seelendrängen noch. Er erzwang sich von den gebeugten Angehörigen den Zutritt zu dem Sterbenden und trieb seine Bekehrungsversuche zu einer Heftigkeit, die diesem feierlichen, letzten Augenblicke geradezu Hohn sprach. Der Vanlyßender antwortete auf nichts, sondern lag still und sanft da. Auf einmal aber glühte der erlöschende Blick des frommen Alten unmutig auf, und er sagte mit klarer Stimme: »Ich will von Ihrem Sakrament nichts wissen. Wer unreinen Herzens ist, dem nützt es nichts, und der gute Mensch braucht es nicht«, nickte dem Priester gütig zu, drehte sich von ihm ab gegen die Wand und starb lächelnd.

In der Nacht, die dem Tode des guten Greises folgte, aber schon gegen den Morgen hin, stand der Weber Staupitz, der beste Freund des Verblichenen, auf, da er vor Trauer nicht schlafen konnte, und wandelte in das Gebüsch hinaus, in dem einst der wilde Meixner über dem Grabe des Schwärmers den Aufruhr gepredigt hatte. Dort saß der Betrübte unter einem Baume und gedachte der tiefen Wandlung, die an ihm und dem ganzen Dorfe in den Jahren geschehen war. Da überfiel den Mann die Dunkelheit und der Kummer wieder tiefer, und er fragte sich, was nun wohl mit dem neuen Geiste werden solle, nachdem der Vanlyßender, der allen ein Vater gewesen, gestorben war. Und er schaute schmerzvoll durch das Geäst des Baumes in den Himmel hinauf. Der erste Frühwind rührte dort die Kronen auf. Das Blau der Nacht war blasser geworden, und die Sterne brannten schon bleicher. Eben wollte der Querhovener, von der Sorge ganz erfüllt, den Herrgott selber fragen, ob ihnen in der Zukunft vielleicht noch stärkere Heimsuchungen auferlegt werden sollten, als die gewesen, die hier aus diesem Gebüsch einst den Anfang genommen, da wurde das leise Windwühlen des Morgens stärker und stärker. Es schwang die Kronen der Bäume hin und her wie Glocken, die von eifervollen Händen bewegt werden, und das Brausen der Blätter verwandelte sich plötzlich in ein tausendstimmiges, jubelndes Geläut, das über die Hügel, Wälder und Dörfer rundum bis in die Tiefe aller Welt hineinklang. Diese geheimnisvolle Antwort verwirrte den Querhovener Mann so, daß er wie in den wirklichen Taumel eines Traumes versank. Als er wieder daraus erwachte, stand der hellste Tag über der Erde, und er ging hinunter ins Dorf und verkündete allen, was er erlebt hatte.

Die Querhovener nahmen das Begegnis als eine gute Vorbedeutung und einen Trost auf. Und obwohl der Pfarrer den geistlichen Dienst bei dem Begräbnis wiederum versagte, weil Vanlyßender in Feindseligkeit mit der Kirche gestorben war, betteten ihn alle, die sich eines Geistes mit ihm fühlten, in einer Art erhobenen, glückvollen Schmerzes in die Erde.

Hier an dem offenen Grabe ist auch das erstemal das Gebet gesprochen worden, das man allgemein dem Vanlyßender zuschreibt. Nach der Erzählung trat, als der Sarg in die Grube gesunken war, die schöne Rütschin aus der Wuhle, seine einzige Tochter, mit ihren vier blühenden Jungen auf den Rand des Grabes. Wie alle Teilnehmer hielten die fünf je einen kleinen Feldblumenstrauß in der Hand. Und nachdem die bleiche, blonde Frau eine Weile mit geneigter Stirn sinnend dagestanden hatte, hob sie ein weniges den Kopf und sprach dann mit ihrer schönen, ergreifenden Stimme das Gebet:

»Nicht auf dem Berge Garizim, noch zu Jerusalem ist Gott allein zu finden, noch zu Rom, noch zu Wittenberg. Man baut Tempel aus Stein und fängt ihn nicht. Man errichtet Kirchen, und keine Wand kann ihn binden. Darum lasset uns in der eigenen Brust Türme bauen, die in den Himmel reichen, ein Haus, mit dem goldenen Dach der Wahrhaftigkeit des Herzens, mit Mauern aus gutem Willen und einer Liebe, die nie endet. Denn vom Anfang des Daseins bis zu seinem Niedergang ist Gott in dem Menschen, entweder zu seiner Pein oder zu seiner Seligkeit.

Oh, Herr der Welt, du Seele unserer Seele, mache, daß wir dein sind in Freude, in Glück und im Frieden des Guten. Wir flehen dich an, laß uns nicht durch die Qual und Finsternis des Bösen in deinen Schoß zurückfallen. Das Licht ist dein und der Schatten. Der Tag kommt aus deiner Hand wie die Nacht. Laß uns alle Tage in jener Tiefe unseres Wesens wohnen, wo wir von dir nicht geschieden sind, wo Worte nicht sind, noch Gedanken, noch Ziel, sondern Erfüllung. Dort laß uns zu Hause sein, wo wir waren vor unserm irdischen Anfang, und wo wir sein werden nach unserm irdischen Ende in Ewigkeit. Amen.«

Als die Rütschin dieses Vermächtnis ihres Vaters gebetet hatte, herrschte eine Stille auf dem Kirchhofe, daß man das Summen der Sommerfliegen in der Sonne hörte. Die schöne Ursula aus der Wuhle war selbst am tiefsten ergriffen. Um sich vor dem Umsinken zu bewahren, kniete sie nieder und beugte sich so über das Grab, daß viele glaubten, sie habe in ihrem Schmerz Mühe, sich davor zurückzuhalten, ihrem Vater ins Grab nachzusteigen. Allein, sie rang nur, noch etwas zu sagen, und konnte sich nicht fassen. Endlich sprach sie aus diesem schweren Kämpfen des beladenen Herzens in das lautlose Schweigen mit lauter Stimme das, was alle Querhovener, das ganze Grabgeleit bewegte.

»Mein Vater«, rief sie dem Toten ins Grab nach, »du hast geblüht bis zum Ende. So blühe auch uns allen Gott bis zum Tode.«

Dann erhob sie sich und ließ ihr Blumensträußlein auf den Sarg fallen. Die vier Rütschjungen folgten dem Beispiel ihrer Mutter, und alle anderen traten auch heran und warfen als letzten Gruß ihre Blumen in die Grube des Verehrten, so daß der Sarg von Blüten ganz bedeckt war.

Auf dem Nachhausewege, jedoch schon außerhalb Hemsterhus, sangen die Querhovener wieder fromme Lieder.

Seit diesem Begräbnis ist es bei den Querhovenern und ihren Anhängern Sitte geworden, dem Toten als letzten Gruß statt drei Schaufeln Erde Blumen auf den Sarg nachzuwerfen. Man betont überhaupt im Tode eines Menschen mehr das Sieghafte, die Verklärung, als den Schmerz des Abschieds. Aber, daß wüste Orgien gefeiert, gebechert und getanzt werde und laute Umzüge mit Maskerade und Geschrei die Totenfeier schließen, ist eine erfundene Legende aller kirchlichen und religiösen Feinde der Querhovener, die gleich gründlich widerlegt worden ist, als sie das erstemal in der Anzeige des Pfarrers Dr. Spiller aus Hemsterhus über Verspottung kirchlicher Einrichtungen, öffentliche Ruhestörung und Abhaltung verbotener Umzüge auftauchte, begangen beim Begräbnis des Vanlyßender.

Der berühmte Rechtsanwalt Dr. Weißpfleger aus Würzburg, der freiwillig und umsonst die Verteidigung der bedrängten Walddörfler übernahm, hat alle lächerlichen Beschuldigungen in dem aufsehenerregenden Prozeß zurückgewiesen, der so viel zur Verbreitung des neuen Menschenchristentums beigetragen hat. Weißpfleger ist auch dann der erste schrift- und wortgewaltige Vertreter der neuen Bewegung geworden, die eine vollkommene Umwandlung der katholischen Kirche, etwa nach dem Muster der altevangelischen Gemeinden, erstrebt, jener reinsten und inbrünstigsten Christen, die durch Jahrhunderte von den römischen Päpsten mit der hartnäckigsten Grausamkeit, mit Feuer und Rad verfolgt worden sind, denen Ekkehart und Tauler nahestanden, deren Reis der heilige Franz von Assisi eigentlich ist, und die im Luthertum dann einen verkümmerten Sieg feierten.


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