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Zweites Buch

Erstes Kapitel

Nun stand der Heiligenhof so licht wie in den ersten Tagen der jungen Sintlingerschen Ehe auf seinem Hügel, sah mit blinkenden Fenstern den Wald um Querhoven verdämmern, schaute weit über Hemsterhus hinaus bis ins graue Rauchen der fernen Heide, merkte an Abenden wieder achtsamer auf das leise Wehen der Weiden am Grenzwege und brauste dann oft aus den Kronen der Torlinden ganz unbändig über das Gewoge des unruhig pilgernden Landes umher, weil er die Freude hinausschreien mußte, daß die Finsternisse keine Macht mehr über ihn hatten, die mondenlang bis in seine heimlichsten Winkel geflossen waren. Die Bäuerin schrak nicht mehr wie bisher von einem Stoß gegen die Brust in den Morgen; sie wurde wie in guten Tagen von früh ab schon in eine sicher-gelinde Hand genommen. Denn ein Abglanz der glücklichen Nacht schimmerte immerfort in ihrer Seele, jener mondhellen Nachmitternachtsstunde, da das Land rundher und mit ihm das Läuten des Unglücksglöckchens aus der Welt hinausgewandert war.

Nichts drohte ihr mehr. Aber ehe das Licht unbestritten über ihr blühen konnte, war ihr und dem Sintlinger noch eine Prüfung vorbehalten.

Denn manchmal streifte doch noch ein leises Erschauern an ihr hin. Wenn sie in dem Sintlingerschen Wohnhause auf den oberen Flur an die Stelle kam, wo der Schatten an ihr vorübergewandert war, geschah es manchmal, daß sie in dem Bewurf der Mauer die traumhaften Umrisse einer Männergestalt auftauchen und ungewiß vergehen sah. Sie war nicht imstande anzugeben, ob der Mann, dessen verhauchtes Schattenbild sie erblickte, groß oder klein gewesen sei, noch was er sonst für Eigentümlichkeiten an sich gehabt habe. Sie wußte auch unmittelbar danach nicht genau zu sagen, ob diese Männergestalt in die Wand zurückgesunken oder in das Dunkel des Flures geglitten oder ob es nicht vielmehr nur eine Selbstberückung ihrer eigenen Gedanken gewesen sei. Und indes sie instinktiv ihre Stirn mit der Hand glättete, wie um solche Spinnweben aus den Kehrecken ihres Hirns zu wischen, horchte sie trotzdem mit großen Augen in das Dämmern des langen Flures und der gewundenen Stiegen, als sei es gleichwohl möglich, von einem geheimnisvollen Laut in Schrecken versetzt zu werden. Dann lächelte sie zwar über ihre »Einbildigkeit«, entfernte sich aber doch mit gemäßigtem Flüchten aus dem letzten verdunkelnden Kreisen, das an diesem Orte ihr Gemüt befiel.

Solcherlei Schattenschaum streifte öfter an der Heiligenhofbäuerin hin, und obgleich sie die Unerschrockenheit besaß, ihn nicht schwerer in sich wiegen zu lassen, wie etwa die einzige verdunkelte Wolke in der Sommerhöhe bedeutet, die von einem verbrausten Gewitter am Himmel zurückgeblieben ist, sie kam doch von einer leisen, aber immerwährenden Beklemmung nicht los.

Unter allen merkte scheinbar nur der alte Zenker etwas von dieser Unruhe, welche um die Bäuerin her war, und das deswegen, weil der Alte genötigt war, sich einer Bresthaftigkeit hinzugeben, die ihm eigentlich seit dem Laufen um den toten Alb im Walde anhing. Er ging mit reißendem Atem umher, zwang nur die halbe Arbeit und mußte noch dazu manche Zeit versitzen, weil ihm das »Geprudel«, wie er sein Schaffen ingrimmig schimpfte, das Herz kollerig trieb, sich in die Beine schlug und seine Lippen blau anlaufen ließ. Dieses Mißvergnügen mit sich schärfte seine Augen auch für alle Fehler und Nöte seiner Umgebung, und so hatte er es denn von den Winkeln und Ecken her, in die er zum Verschnaufen kroch, gar bald heraus, daß seiner Herrin irgendwas nachlaufe. Und da ihm der tote Alb gleichsam aus dem Grabe heraus einen solch tüchtigen Pack auf den Rücken gehängt hatte, wähnte er, der verkrochene Narr habe vor seinem endgültigen Abschiede auch der Bäuerin irgendeinen Span eingehauen. Darum aber, eigentlich nur, um auf den Strauch zu schlagen, sann er nach, wie hinter das Geheimnis zu kommen sei, das der Sintlingerin manchmal den Mund so zusammenschraubte. Nicht lange, und es lief ihm eine Gelegenheit dazu zwischen die Finger. Als er nämlich einst vom Felde heimkehrend in dem Augenblicke von unbezwinglicher Schwäche befallen wurde, da er durch das Tor in den Hof getreten war, setzte er sich auf eine umgekippte Radwer und hustete und riß sich seinen Atem wieder in Ordnung. Während er so mehr gekrümmt kauerte als ruhte, trat die Bäuerin aus der Wohnungstür und wollte quer über den Hof in den Kuhstall. Er rief sie an, wartete mit erschrockenen Handbewegungen und ging dann, so gut er es eben fertigbrachte, geradeaus den gepflasterten Hof bis zum großen Düngerhaufen, wobei er wie betend die Lippen bewegte und mit den Fingern der rechten Hand Kreuzzeichen gegen die Erde hin machte, als streue er Salz neben sich. Das tat er, um sie zum Reden zu bringen. Die Bäuerin betrachtete lächelnd die seltsame Manipulation des Alten, und als sie erfuhr, daß er angeblich einen fliegenden Schatten bespreche, um den es nicht geheuer sei, gab sie ihm einen verweisenden Schlag auf die Schulter und sagte, er solle lieber einige Tage ins Bett kriechen und sich nicht rühren, so würden ihm die Raupen von selber aus dem Kopfe laufen. Dann setzte sie ihren Weg fort, ohne sich um den verderblichen Strich zu kehren, den Zenker als die Spur bezeichnet hatte, auf der das Verdunkeln über den Hof gewieselt sei. Aber trotzdem hatte der Alte das leichte Erbleichen gemerkt, das über das Gesicht seiner Herrin gehuscht war, und wußte nun, daß ihn sein Verdacht richtig geleitet hatte. Es vergingen auch keine zwei Tage, so erzählte ihm die Sintlingerin von den seltsamen Umrissen, die auf dem oberen Flur aus der Wand tauchten und wieder versänken. Zenker hörte so ernst und mitgenommen zu und verharrte dann noch lange in kopfschüttelndem, vielsagendem Schweigen, daß Johanna auch die erste furchtbare Berückung nicht verschwieg, von der die jetzigen Schattenbilder wohl nichts als ein Rückstand in ihrer Erinnerung seien, die sich von selbst verlieren würden.

Ja, ja, antwortete der Alte, das sei schon möglich, vielmehr wahrscheinlich. Aber wenn es sich noch einmal zeigen sollte, täte sie gut, darauf zu merken, ob der Mann, der aus der Wand heraussinke, groß oder klein sei. Denn ihm sei in den dreißig Jahren, während denen er auf dem Sintlingerhof zu Hause sei, auch schon mancherlei vorgekommen, worüber man zu Fremden ja schweigen müsse. Aber der Bäuerin gegenüber »sich auf das Maul zu treten«, halte er durchaus für unnötig, vor allem auch deswegen, weil, wie er sehe, sie auch ein Mensch sei, an den solcherlei Fug habe. Sie brauche dem Herrn ja nichts davon zu vermelden, denn man wisse, daß er es bloß mit dem Lachen kriege, allein er habe es erfahren, der wilde Jakob Sintlinger, der einst der Brindeisenerin übers Hemd geraten sei, treibe noch immer von Zeit zu Zeit sein Gewese. Er tue zwar keinem Menschen mehr etwas zuleide, wenn man ihm seine Wege lasse, und sähe sie ihn den Flur herkommen und die Treppe hinunter nach der Haustür zu verschwinden, so habe es überhaupt weiter nichts zu bedeuten. Dann triebe es ihn bloß in den Brindeisenerhof hinüber, wo er zur Strafe immer noch den Versuch machen müsse, ob es ihm gelinge, irgend jemand in dem anderen Fremdhofe zu seiner alten Lebenshitze zu verführen.

Der alte Wirtschafter hätte noch einen Spreukorb Geistergeschichten ausgeschüttet, wenn nicht der Sintlinger in der Nähe aufgetaucht wäre.

So trödelte sich der Graukopf unauffällig davon, und die Bäuerin redete ihrem Andreas von der hartnäckigen »Gauze« des guten Alten. Der Sintlinger merkte auch offenbar nicht das mindeste davon, daß die beiden wieder einmal in dem Geistertopf kramten, und so hatte Johanna Muße, alles in sich zu schlichten und achtsam die Erzählung des alten Zenker hin und her zu wenden. Da aber all solche Sachen aus Luft in Luft gebacken sind, wie man allgemein glaubt, rührte die Bäuerin mit gelassenem Finger das neue Spukgericht des alten Dienstmannes wohl um und um, machte es damit aber nicht genießbarer und auch nicht unwahrscheinlicher, sondern gewöhnte sich, ohne es zu wollen, nur einen schärferen Blick an, den sie überall, wohin sie ging, kühl vorauflaufen ließ, insbesondere wenn sie den oberen Flur betreten mußte.

Der Geist des tollen Jakob Sintlinger aber schien die üble Nachrede des alten Wirtschafters übelgenommen zu haben. Er war weg, wie man ein Stäubchen aus der Hand bläst, und die Bäuerin begann sich und Zenker heimlich zu verlachen.

Aber vielleicht ist die Besorgnis verderblicher, wenn sie aus dem Bewußtsein tiefer in die Seele, in jene Gebiete unseres Innern gesunken ist, wo die entlassenen Gewalten des Geistes noch lange ein geheimnisvolles Leben führen, möglicherweise auch nie verschwinden. Jedenfalls war Johanna ihre leise Beklemmung nicht losgeworden, nachdem sie sie lächelnd beiseitegeschoben hatte.

Das sollte sie bald erfahren.

Sie vernahm einmal hinter einer der Türen des oberen Flures gedämpftes Gemurmel von Männerstimmen, die geheimen Rat zu halten schienen. Ihr erster Gedanke war, allerdings nicht ganz ehrlich, wen Andreas wohl bei sich in der Schreibstube haben könne. Sie rief laut den Namen ihres Mannes und trat zugleich auf die Tür zu, hinter der das gedämpfte Raunen erklungen war.

Doch nicht nur, daß ihr der Laut der eigenen Stimme schallos vor die Füße fiel. Als sie den Türdrücker in die Hand nahm, um sich durch den Augenschein zu überzeugen, klang das Murmeln im nächsten Räume auf und zog so die Frau, die immer noch darauf bestand, sich dem Aberglauben nicht hinzugeben, von Tür zu Tür, stets tiefer in den dämmerigen Flur hin bis an die Bodenstiege heran und, unausgesetzt von dem unterdrückten Geraun eines, drohenden Männerrates gelockt, ja benebelt, wurde sie über die steile Treppe hinaufgeleitet und stand endlich vor einer Kammertür, an der sie verzweifelt rüttelte. In diesem Augenblicke zerbrach der gespenstige Wirbel, und Johanna trat, um sich zu fassen, an das Dachfenster und sah hinaus. Sie stand an jener Giebelseite des Wohnhauses, die nach dem Brindeisenerhof zu lag, und sie konnte in das andere Gehöft wie in eine offene Kiste schauen. Der alte Anton Brindeisener fuhr eben auf einem zweispännigen Brettwagen durchs Tor und bog dann auf den Weg, der quer durch den Garten hin ins Feld hinausführte. Er hielt den Peitschenstecken still zwischen den Knien, und seine Tochter saß blaß, krank und verdrückt neben ihm. Jetzt gingen die Räder unhörbar in dem verrasten Gartenwege, und Johanna vernahm genau die grobe, unwirsche Brummelstimme des Bauern, der, wie er es eben nicht anders konnte, nörgelnd an dem bleichen Mädchen herumzankte. Auf einmal war die Stimme Brindeiseners dieselbe, die die Bäuerin soeben verheimlicht hinter den Türen ihres eigenen Hauses gehört hatte, und sie mußte die ganze Stärke ihres besonnenen Willens zusammennehmen, um nicht Hals über Kopf die Stiegen hinunterzuflüchten.

Dieser Vorgang, über den Johanna nicht Herr zu werden imstande war, bereitete der Erzählung des alten Imker in ihr ein wenig den Boden, der tolle Jakob Sintlinger müsse zur Strafe für seine wilden Laster immer noch den Versuch machen, jemand aus dem Brindeisenerhofe zu der Hitze seines Lebens zu verführen. Aber es mußte erst noch eine an sich unbedeutende Episode hinzukommen, daß sie dieser Glaube wie eine Tatsache packte.

Sie saß an einem Nachmittage in der Wohnstube allein am offenen Fenster und nähte. Alle waren auf dem Felde über den letzten Fudern Heu her. Die alte Trine aus Brederode spielte mit Helene in dem Obstgarten, dessen Baumkronen sich bis ins halbe Fenster heraufhoben. Ein ganz linder Wind rührte sich fast unmerklich in den Bäumen, und das Lichte auf der Diele vor der Bäuerin wankte davon so schwach, als würde die Sonne am Himmel von sanften Händen hin und her geschaukelt. Von Zeit zu Zeit klang Helenens Lachen auf, und es hörte sich immer an, als würde eine Handvoll kleiner Silberschellen in die Sommerluft hinaufgeworfen. Johanna erhob sich glücklich lächelnd, um zu erkunden, mit welchem Spiel die Kinderfrau des Mädchens Freude immer aufs neue entfesselte. Da sah sie die alte Trine die grünen, noch winzigen Falläpfelchen aus dem Grase auflesen. Das waren Kühlein, und Helene hielt ihre gewölbten Händchen hin, das sollte der Stall sein. Unter allerhand neckischem Gespräch und drolligen Schwierigkeiten sprangen die Kühlein in das Fingerställchen, und sooft ein Kälbchen kam und auch mit hineinwollte, war es so dumm und ungeschickt, daneben zu hopsen auf den Arm oder an die Brust des Kindes, wofür es auf das unbändigste ausgelacht wurde.

So spielten sich die beiden durch den ganzen Garten, immer weiter fort von dem Fenster, und das Lachen des Mädchens klang leiser und leiser. Nun waren sie wohl an der niedrigen Mauer angelangt, die den Garten vom Felde schied. Denn Johanna hörte, wie Trine das alte Weidelied der Hirten sang, und schloß daraus, daß die Apfelkühe jetzt auf der Mauer ins Feld getrieben würden. Als die Greisin ausgesungen hatte, versuchte Helene das Gesetzlein nachzuahmen, und weil sie zaghaft war, gelang es ihr zuerst nicht zum besten. Aber als sie endlich das einfache Liedchen der Alten beherrschte, schien es plötzlich ein ganz anderer Gesang geworden zu sein. Fast nicht mehr ein Menschensingen. – Johanna ließ die Näharbeit sinken und lauschte in ihrer Freude recht eigen, um herauszubekommen, wie das Lied denn eigentlich klinge. »So wie Frühvögel manchmal ganz hoch in der Luft singen, daß man sie nicht sehen und meinen kann, das Licht mache von selber solche Musik«, sagte, die Bäuerin zu sich, und immer, wenn sie in der Naht fortfahren wollte, setzte das Kind von neuem zu seinem Liedchen ein, daß sie wieder horchen mußte.

Indes die Heiligenhofbäuerin so wie verzaubert saß und auf alles vergaß, was um sie her vorging, kam jemand vorsichtig mit kurzen jagenden Schritten den Hausflur her. Sobald das Lied Helenens verstummte, zogen sich die Schritte zurück; begann das Kind von neuem zu singen, rafften sie sich wieder auf und drangen weiter im Flur gegen die Tür vor. Schon hörte man den Sand auf der Schwelle knirschen, und aufgeregter Atem schnob durch das Schlüsselloch. Mit eins aber flog die Tür auf, daß sie gegen den Uhrkasten krachte, und der kleine Peter Brindeisener stand auf der Schwelle, verdutzt und frech, aufs leidenschaftlichste ergriffen, rot vor Scham und doch mit ein paar Augen, heiß wie Stichflammen.

Er sah im ersten Augenblick die Bäuerin nicht, suchte offenbar auch die Sängerin des Liedes, von dem er angelockt worden war, hielt sich mit beiden Händen am Türpfosten fest und überflackerte so, furchtsam in die Stube geneigt, in einem Nu den ganzen Raum.

Da gewahrte er die Sintlingerin, die, erschrocken über den unvermuteten Einbruch, es zu nichts als zu einem verwunderten Blick brachte. Sie sehen, umschwenken, zurückfahren, daß sein blonder Haarschopf wie ein weißes Fähnchen aufzuckte, und durchs Haus davonrennen, war eins. Als Johanna laufend das Hoftor erreichte, sauste er schon über den Grenzweg. Er lief wie wahnsinnig, wie geschleudert und brach, als er beim Zurückblicken die Sintlingerin unterm Tor sah, in ein gewürgtes Lachen aus, das der Bäuerin häßlich, wie böser Hohn klang. Dieser freche Triumphlaut und der ganze Vorgang griffen Johanna in einer verderblichen Weise ins Gemüt. Sie rief Helene sofort aus dem Garten herein und gab es schonend der alten Trine auf, das Kind wohl in acht zu nehmen. Denn wenn die Gegend auch nicht von Rangen wimmele, so tue man doch gut, das Lenlein so zu behüten, als spiele Bosheit und Arglist immerfort in ihrer Nähe herum.

Jetzt fraß sich die Tatsache in ihr fester und fester, der Schatten des oberen Flures sei wirklich nach des alten Zenkers Meinung der Nest des wilden Geistes, mit dem sich der tolle Sintlinger hinter seinem verfallenen Grabe herumtreibe und bestrebt sei, den Fluch zu vollenden, den sein Leben nicht ganz erfüllen konnte. Ihr war, als sei der Schatten durch die Dachluke in den Brindeisenerhof hinübergeflogen und habe dort den Peter aufgerührt und hergetrieben. Ja, wenn Johanna sich die Augen des Kleinen vorstellte und seine Stimme in sich nachklingen ließ, so war es ihr, als stecke in dem Burschen etwas wie eine ausgewachsene Tücke. Natürlich gehört das Leben auf einem einsamen Hofe und die Anfälligkeit eines genesenden Gemütes dazu, das eben erst bis in seine Grundfesten erschüttert worden war, um das Ineinandergreifen solch spukhafter Möglichkeiten als eine einfache Tatsache zu empfinden. Das, was sie in ihrer Jugend so oft erzählen gehört hatte, daß die Bauern der beiden Fremdhöfe auch nach ihrem Tode noch fortfahren müßten, als Geister in der Luft miteinander zu ringen, glaubte sie nun erfahren zu haben. In stillen Augenblicken hörte die Heiligenhofbäuerin sogar ein gedankenleises Mahlen in den Lüften, und sie sann, wie diesem neuen Drohen des Geschickes zu entgehen sei, oder ob nicht wenigstens der Partei der Sintlingerschen Familiengeister nachträglich zu Hilfe geeilt werden könne, um sie im Luftkampf überlegen zu machen. In ihrer guten Seele war nicht der Ansatz zu einer Faser des Bösen, und deswegen geriet sie auf den Gedanken, dadurch den Sintlingerhof von allen Schatten der Vergangenheit zu befreien, daß die verstorbenen Bauern nachträglich gesegnet und ihre Geister damit in ein heilbringendes Licht hinaufgehoben werden müßten.


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