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Vierzehntes Capitel.

Das Kriegsgewitter, welches so plötzlich über den Bergen und Thälern in der Umgegend von Tuchheim losgebrochen war, hatte sich ebenso plötzlich wieder verzogen. In dem Publikum circulirten darüber die verschiedensten Gerüchte. Die Einen behaupteten, von Schnabelsdorf habe die Prophezeiung seines Gegners, des Generals von der Hasenburg, wahr gemacht und sein Pulver bereits bei der Ankunft des Königs bis auf die letzte Patrone verschossen gehabt; Andere, die Erbitterung der beiden kämpfenden Parteien sei so groß geworden, daß die Soldaten ihre Gewehre zuletzt mit kleinen Steinen und anderen gefährlichen Projectilen geladen hätten, was denn natürlich auf beiden Seiten viele und schwere Verwundungen, besonders von mißliebigen Officieren, zur Folge gehabt habe. Noch Andere munkelten von offenen Meutereien der durch den unaufhörlichen Wacht- und Vorpostendienst bis auf's Höchste erbitterten Soldaten.

Wie dem nun auch sein mochte, man ließ es nicht bis zu der großen Parade, mit welcher die kriegerischen Spiele auf das Würdigste hatten geschlossen werden sollen, kommen. Eines Morgens ertönten in den Dörfern und Höfen überall in der Runde die Signale zum Sammeln, und bevor noch die Herbstsonne für den Tag ihren höchsten Punkt erreicht hatte, waren die Musketiere und die Jäger, die Husaren und die Ulanen – Kanonen und Train, war Alles von dannen gezogen.

Von Schloß Tuchheim hatten sich die Gäste ebenfalls entfernt, und als ob in so schlimmer Zeit die Verleumdung selbst die höchsten Regionen nicht mehr verschonen wollte, hieß es: auch auf dem Schlosse sei die Stimmung beim Abschiede keineswegs ganz heiter gewesen. Man erzählte von einer geheimen Unterredung, die der König mit seinem edlen Wirthe kurz vor der Abreise gehabt habe. Der König sei in dieser Zusammenkunft so heftig geworden, daß man seine Stimme durch zwei Zimmer hindurch gehört habe, und der Freiherr sei bald darauf in das Vorzimmer getreten mit vor innerer Erregung gerötheten Wangen und mit blitzenden Augen. So viel stand fest, daß gleich nach diesem Ereigniß der Befehl zur Abreise gegeben wurde, die denn auch einige Stunden darauf mit einer gewissen Hast und Ueberstürzung stattfand – zum größten Schmerz des Generals, der von allen Plänen, mit welchen sich sein diplomatisches Herz bei der Ankunft getragen hatte, auch nicht einen hatte in's Werk setzen können.

So war er voll Groll gegen seinen Bruder und nicht minder gegen seine Schwester, in der er – nicht mit Unrecht – eine entschiedene Gegnerin seiner hochfliegenden Pläne sah, mit seinem königlichen Gebieter von dem Schlosse abgereist, und der Bruder und die Schwester athmeten hoch auf. In dem Bewußtsein, dem größeren Uebel des Hofdienstes glücklich entgangen zu sein, trug der Freiherr das kleinere Uebel der enormen Kosten der fürstlichen Bewirthung noch leichter, als er es sonst gethan hätte; und Fräulein Charlotte war herzlich froh, daß Henri keinen ernstlichen Versuch gemacht hatte, die gefährliche Gelegenheit zur Ausführung seines Lieblingswunsches zu benutzen. Wahrscheinlich war dem Knaben der Abmarsch der Truppen zu schnell gekommen. Wenigstens hatte er sehr bestürzt ausgesehen, als nun ganz plötzlich der Aufbruch erfolgte und der General viel zu beschäftigt und viel zu verstimmt war, um bei dem Vater oder gar bei Sr. Majestät ein Wort zu seinen Gunsten zu sprechen. Fräulein Charlotte tröstete sich damit, daß bei Henri's Flatterhaftigkeit aus den Augen auch aus dem Sinn sein werde; und sie drang darauf, daß man mit seiner Uebersiedelung in das Pfarrhaus und mit dem Beginn des Unterrichts keinen Tag länger zögere. Am wenigsten, meinte sie, dürfe man diesen Termin von Leo's Genesung abhängig machen, da die Krankheit des armen Knaben sich in die Länge zu ziehen drohe.


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