Silvio Pellico
Meine Gefängnisse
Silvio Pellico

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13.

Ich ließ sie lachen, ohne eine Silbe zu erwidern. Die Nachbarn richteten zwei- oder dreimal das Wort an mich; ich verhielt mich still.

»Er wird nicht mehr am Fenster stehen – er wird weggegangen sein – Magdalenens Seufzern wird er sein Ohr leihen – unser Lachen wird ihn beleidigt haben.«

So sprachen sie eine Weile durcheinander, bis der Hauptmann den anderen, die sich auf meine Rechnung lustig machten, Schweigen gebot.

»Schweigt still, Bestien, ihr wißt den Teufel, was ihr redet. Unser Nachbar drüben ist nicht ein solcher Esel, wie ihr denkt. Ihr seid freilich nicht fähig, über irgend etwas nachzudenken. Ich schlage wohl ein Gelächter an, aber dann überlege ich auch. Wir stellen uns so unsinnig an, wie alle gemeinen Spitzbuben es tun. Aber ein bißchen feinere Lustigkeit, ein bißchen mehr Menschenliebe, ein bißchen mehr Glauben an die Wohltaten des Himmels, wovon glaubt ihr aufrichtig, daß dies ein Beweis sei?«

»Jetzt, wo auch ich mir's überlege,« sagte einer, »scheint es mir ein Beweis davon zu sein, daß einer dann etwas weniger Spitzbube ist.«

»Bravo!« schrie der Hauptmann mit Stentorstimme; »diesmal bekomme ich doch wieder ein bißchen Achtung vor deinem Kürbiskopf.«

Zwar hatte ich keine Veranlassung, darauf sehr stolz zu sein, bloß für einen etwas geringeren Spitzbuben von ihnen angesehen zu werden; doch gewährte es mir in gewissem Maße Freude, daß diese Elenden hinsichtlich der wichtigen Aufgabe, wohlwollende Gesinnungen zu hegen, anderer Meinung wurden.

Ich bewegte den Fensterflügel, als wenn ich eben wieder ans Fenster getreten wäre. Der Hauptmann rief mich. Ich antwortete ihm, in der Hoffnung, daß er willens wäre, nach meiner Weise zu moralisieren. Doch täuschte ich mich. Gemeine Seelen gehen ernsten Betrachtungen aus dem Wege: wenn eine edle Wahrheit ihnen vorübergehend einleuchtet, sind sie fähig, ihr einen Augenblick Beifall zu schenken, aber bald danach wenden sie den Blick von ihr ab und können der Begierde, mit ihrem Scharfsinne zu prahlen, indem sie diese Wahrheit in Zweifel ziehen und bespötteln, nicht widerstehen.

Jetzt fragte er mich, ob ich schuldenhalber im Gefängnisse säße.

»Nein.«

»Vielleicht wegen Betrugs angeklagt? Ungerecht angeklagt, meine ich bloß.«

»Ganz anderer Dinge wegen bin ich angeklagt.«

»Wegen Liebesgeschichten?«

»Nein.«

»Wegen Mord?«

»Nein.«

»Wegen Freimaurerei?«

»So ist es.«

»Was sind eigentlich diese Freimaurer?«

»Ich kenne sie selbst so wenig, daß ich's Euch nicht zu sagen wüßte.«

Ein Aufseher unterbrach uns im höchsten Unwillen; und nachdem er meine Nachbarn mit Scheltworten überhäuft, wandte er sich mit der Würde eines Lehrers, und nicht mit der eines Schergen, an mich, indem er sagte: »Schämen Sie sich, mein Herr, daß Sie sich herablassen, sich mit jeder Sorte von Leuten zu unterhalten! Wissen Sie, daß diese Menschen Räuber sind?«

Ich errötete, dann errötete ich abermals, daß ich rot geworden, denn mich dünkte, wenn man sich herablasse, mit jeder Sorte von Unglücklichen zu reden, so sei dies eher eine gute Tat als ein Vergehen.


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