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Absetzung

Lange, ehe sich Lars Gunnarsson mit Anna, der Tochter Eriks in Falla, verheiratet hatte, war er einmal bei einer Auktion anwesend gewesen.

Eine arme Familie hatte die Auktion gehalten, und vielleicht hatte sie den Käufern keine verlockenden Gegenstände zu bieten, denn es war merkwürdig, wie schlecht der Handel ging. Mit allem Recht hätte man einen besseren Ausfall erwarten können, denn Jöns von Kisterud war der Ausrufer, und er war ein solcher Spaßmacher, daß die Leute zu den Auktionen liefen, nur um ihn zu hören. Aber merkwürdig, obgleich Jöns mit allen seinen bekannten Späßen herausrückte, vermochte er doch keinen richtigen Zug in das Bieten zu bringen. Zum Schluß wußte er sich nicht mehr anders zu helfen, als daß er den Hammer weglegte und behauptete, er sei ganz heiser geworden und könne nicht mehr ausrufen.

»Herr Reichstagsabgeordneter, Sie müssen einen andern Ausrufer anstellen,« sagte er zu Karl Karlsson von Storvik, der die Auktion leitete. »Ich hab mich an den Holzklötzen, die da herumstehen, so heiser geschrien, daß ich nach Hause gehen und mehrere Wochen lang den Mund halten muß, eh ich wieder eine Stimme bekomme.«

Für den Reichstagsabgeordneten war es eine ernste Sache, ohne Ausrufer zu sein, da ja die meisten Gegenstände noch unverkauft waren, und er machte verschiedene Versuche, Jöns in Kisterud zu überreden, weiter zu machen. Dieser aber konnte nicht nachgeben, das war sonnenklar. Er wollte seinen guten Ruf nicht aufs Spiel setzen, indem er eine schlechte Auktion abhielt, und er wurde mit einem Male so heiser, daß er kaum noch flüstern konnte; er zischte nur noch.

»Ist nicht vielleicht unter den Anwesenden jemand, der, während sich Jöns ein wenig ausruht, die Waren ausrufen könnte?« fragte der Reichstagsabgeordnete. Ohne große Hoffnung, einen Helfer zu finden, schaute er sich unter der Menge um; da drängte sich plötzlich Lars Gunnarsson bis zu ihm durch und sagte, er sei bereit, einen Versuch zu machen. Lars sah damals überaus jung aus; Karl Karlsson lachte ihm gerade ins Gesicht und sagte, er könne keinen Jungen brauchen, der noch nicht einmal konfirmiert sei. Aber Lars erwiderte, er habe sogar schon gedient, und bat so eifrig, den Hammer schwingen zu dürfen, daß der Reichstagsabgeordnete schließlich nachgab.

»Na ja, wir können dich ja die Sache einmal versuchen lassen,« meinte er. »Schlechter, als es seither gegangen ist, kann's auch nicht gehen.«

Lars stieg nun auf Jons erhöhten Platz hinauf und nahm einen alten Butterkübel in die Hand, um ihn auszubieten. Doch plötzlich hielt er inne, blieb ganz ruhig stehen und betrachtete nur den Kübel von allen Seiten. Er drehte ihn hin und her, beklopfte den Boden und die Seiten, machte dann eine höchst verwunderte Miene, weil er nicht den kleinsten Fehler daran finden konnte, und rief ihn zuletzt mit betrübter Stimme aus, wie unglücklich darüber, daß er notgedrungen ein so wertvolles Stück verkaufen mußte.

Er für seine Person hätte es augenscheinlich am liebsten gesehen, wenn auf den Kübel gar nicht geboten wurde. Er glaubte offenbar, es wäre für den Eigentümer am besten, wenn niemand erkannte, was für ein ausgezeichneter Butterkübel das war, so daß er ihn behalten durfte.

Als nun ein Gebot dem andern folgte, konnte man deutlich merken, wie weh ihm das tat. Es ging noch an, so lange die Angebote so niedrig waren, daß er nicht darauf einzugehen brauchte; aber als sie nun höher und höher wurden, verzerrte sich sein Gesicht vor Kummer. Es war offenbar ein schweres Opfer, das er brachte, als er sich endlich herbeiließ, den alten sauren Butterkübel loszuschlagen.

Hernach kam die Reihe an Wassereimer, Zuber und Waschfässer. Lars Gunnarsson war etwas zugänglicher, so lange es sich um die älteren Stücke handelte, und verkaufte sie ohne allzu großes Seufzen. Aber andere, die etwas neuer waren, wollte er überhaupt nicht ausbieten.

»Die sind noch viel zu gut,« sagte er zu dem Eigentümer. »Sie sind ja so wenig gebraucht, daß Ihr sie auf dem Markt als neu verkaufen könnt.«

Die Umherstehenden wußten nicht, wie es zuging, aber sie boten eifriger und eifriger. Lars Gunnarsson war so entsetzt über jedes neue Angebot, und es geschah gewiß nicht ihm zu Gefallen, wenn jetzt tüchtig geboten wurde. Aber irgendwie waren die Leute zu der Einsicht gelangt, daß hier tatsächlich wertvolle Stücke ausgeboten wurden, und da fanden sie, daß sie das eine oder das andere daheim dringend nötig hätten. Hier waren wirklich gute Geschäfte zu machen; jetzt wurde nicht mehr nur des Spaßes wegen gekauft, wie wenn Jöns von Kisterud der Versteigerer war.

Nach diesem Meisterstück wurde Lars Gunnarsson immer und überall darum angegangen, bei den Versteigerungen den Ausrufer zu machen. Seit er den Hammer führte, war es auf den Auktionen nicht mehr so lustig wie früher, aber niemand hatte eine solche Gabe wie er, den Leuten geradezu Sehnsucht einzuflößen, Eigentümer von altem unnützem Gerümpel zu werden, oder ein paar Großbauern zu verlocken, auf Sachen, die sie durchaus nicht nötig hatten, einander um die Wette zu überbieten, nur um zu zeigen, daß sie sich's etwas kosten lassen konnten.

Lars Gunnarsson pflegte auch auf allen Auktionen, wo er den Hammer schwang, alles Rump und Stump auszuverkaufen. Nur ein einziges Mal wäre es ihm beinahe schlecht ergangen, und das war bei der Auktion nach dem Tode von Sven Österberg in Storstuga in Bergvik. Dort hatte Lars eine prächtige Haushaltung auszubieten, und viele Leute waren versammelt. Obgleich der Herbst schon weit vorgeschritten war, herrschte doch noch schönes Wetter, und die Auktion konnte im Freien vorgenommen werden, aber trotzdem wollte der Verkauf nicht recht in Zug kommen. Lars konnte die Leute nicht dazu bringen, ordentlich auf sein Ausrufen zu achten oder zu bieten. Es sah aus, als sollte es ihm nicht besser gehen als damals Jöns in Kisterud, wo Lars an dessen Stelle den Hammer hatte übernehmen müssen.

Allein Lars hatte keine Lust, das Geschäft einem andern zu überlassen, sondern suchte herauszubringen, warum denn die Leute so zerstreut waren und keine Lust hatten, Geschäfte zu machen. Und es währte auch nicht lange, da war er der Sache auf den Grund gekommen.

Lars hatte sich auf einen Tisch gestellt, damit jedermann sehen konnte, was er ausbot, und von diesem Platze aus war es nicht schwer für ihn, zu entdecken, daß der neugebackene Kaiser, der in der kleinen Falla zunächstliegenden Kätnerhütte wohnte und all seiner Lebtage in Taglohn gegangen war, unter der Menge herumging. Lars sah, wie er mit gnädigem Lächeln nach rechts und links grüßte und die Leute seinen prächtigen Stock und seine Sterne betrachten ließ. Ein langer Zug von Kindern und jungen Leuten folgte ihm überall hin dicht auf den Fersen, und auch alte Leute hielten sich nicht für zu gut dazu, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Es war nicht zu verwundern, daß die Auktion schlecht ging, wenn ein so vornehmer Mann in der Nähe war und die Aufmerksamkeit auf sich zog.

Vorerst unterbrach indes Lars die Auktion keineswegs. Er folgte nur Jan in Skrolycka mit den Augen, bis sich dieser in die vorderste Reihe ganz nahe zu den Auktionsleitern durchgedrängt hatte. Man brauchte nicht zu fürchten, Johannes von Portugallien werde im Hintergrunde bleiben. Er schüttelte zwar jedem, den er kannte, die Hand und gewährte ihm einige verbindliche Worte; aber dabei drängte er sich an allen vorbei, bis er innen in der vordersten Reihe stand.

In demselben Augenblick, wo er so weit gelangt war, machte Lars Gunnarsson einen Satz von seinem Tisch herunter, stürzte auf ihn los, riß ihm die Ledermütze vom Kopf und den Kaiserstock aus der Hand und war damit wieder auf dem Tisch, ehe Jan nur daran denken konnte, Widerstand zu leisten.

Jan schrie laut auf und wollte auf den Tisch losstürzen, um die geraubten Schätze zurückzuholen; aber Lars schwang den Stock gegen ihn, so daß er zurückweichen mußte. Zu gleicher Zeit entstand ein Gemurmel des Unwillens unter der Menge, allein Lars ließ sich nicht abschrecken.

»Ich seh wohl ein, daß ihr erstaunt darüber seid, wie ich mich benommen habe!« rief er mit seiner lauten Ausruferstimme, die über den ganzen Hof zu hören war. »Aber diese Mütze und dieser Stock gehören uns in Falla. Sie haben meinem Schwiegervater Erik Ersa gehört, und dieser hat sie wieder von dem alten Bauern, dem der Hof vor ihm gehörte, geerbt. Diese Sachen sind bei uns zu Hause immer hoch in Ehren gehalten worden, und ich werde nicht dulden, daß ein Narr sie mit sich herumträgt. Ich weiß nicht, wie er zu den Sachen gekommen ist, aber so viel weiß ich, daß er sich von nun an nicht mehr mit dem, was unser Eigentum ist, groß machen soll.«

Jan hatte sich schnell beruhigt, und während Lars diese Rede hielt, stand er mit über der Brust gekreuzten Armen und einem Ausdruck im Gesicht da, als ob es völlig gleichgültig sei, was Lars da schwatze. Sobald Lars schwieg, wandte sich Jan mit befehlender Handbewegung an den ihm Zunächststehenden.

»Nun, mein werter Hofherr, nun müßt Ihr mir mein Eigentum wieder holen,« sagte er.

Aber kein Mensch rührte sich, ihm zu helfen, mehrere lachten ihn sogar aus. Alle miteinander waren auf Lars' Seite übergegangen.

Nur eine einzige Person fand sich unter den hier Versammelten, der Jan leid tat. Mitten aus der Menge heraus hörte er eine Frauenstimme dem Auktionator zurufen:

»Ach, Lars, gib ihm doch seine Kaisersachen wieder! Ihr könnt ja weder die Mütze noch den Stock selbst tragen!«

»Ich will ihm eine von meinen eigenen Mützen geben, sobald ich heimkomme,« erwiderte Lars. »Aber er soll nicht länger mit unseren Erbkleinoden herumlaufen und sie zum Spott der Leute machen.«

Auf diese Äußerung hin erscholl lautes Gelächter aus der Menge, und Jan wurde davon so verwirrt, daß er wie angewurzelt stehen blieb und sich nur rings umsah. Er schaute von einem zum andern und konnte aus seinem Erstaunen nicht herauskommen! Lieber Gott! War denn unter diesen allen, die ihm gehuldigt und ihn geehrt hatten, kein einziger, der ihm jetzt in der Stunde der Not beisprang? Aber sie standen alle unbeweglich da. Für sie alle bedeutete er nichts, gar nichts, und keiner würde auch nur einen Finger für ihn rühren. Das sah er deutlich, und es wurde ihm so angst dabei, daß seine ganze Kaiserwürde von ihm abfiel und er am ehesten wie ein Kind aussah, das in Tränen ausbrechen will, weil man ihm seine Spielsachen weggenommen hat.

Lars Gunnarsson wendete sich jetzt wieder dem großen Haufen von Gegenständen zu, die neben ihm ausgestapelt lagen, und wollte von neuem mit dem Verkauf beginnen. Da machte Jan einen Versuch, sich selbst zu helfen. Unter Jammern und Klagen ging er vor bis an den Tisch, auf dem Lars stand, und dort angekommen, bückte er sich vor und wollte den Tisch umwerfen.

Allein Lars ließ sich nicht überraschen. Er schwang den Kaiserstock und versetzte Jan einen so heftigen Schlag über den Rücken, daß er zurückweichen mußte.

»Nein, du!« sagte Lars. »Vorerst behalte ich die Sachen da. Und ich meine, du hast jetzt schon mehr als genug Zeit mit deiner Kaiserschaft verloren. Jetzt könntest du auch wieder hingehen und Gräben ziehen. Leute wie du haben nichts bei Auktionen verloren.«

Es sah nicht aus, als ob Jan große Lust hätte, zu gehorchen. Wer da schwang Lars den Stock noch einmal, und mehr war nicht nötig, daß der Kaiser von Portugallien kehrt machte und entfloh.

Niemand setzte sich in Bewegung, um ihm nachzugehen und ihm ein tröstendes Wort zu sagen, niemand rief ihn zurück. Die meisten konnten es sich sogar nicht versagen, laut aufzulachen, als sie sahen, wie kläglich der arme Narr seine ganze Größe verlor.

Aber auch das war nicht nach Lars Gunnarssons Geschmack. Bei seinen Auktionen sollte es so feierlich zugehen wie bei einem Gottesdienst.

»Ich halt es wirklich für besser, wenn man mit Jan ernsthaft redet, anstatt ihn auszulachen,« sagte er. »Viele gehen auf seine Narrheiten ein und reden ihn sogar als Kaiser an; aber das ist doch wirklich nicht recht gegen ihn gehandelt. Da ist's doch wohl besser, wenn man den Versuch macht, ihm wieder beizubringen, wer er ist, selbst wenn's ihm nicht angenehm sein sollte. Ich bin nun schon seit längerer Zeit sein Dienstherr und halt es darum für meine Pflicht, darauf zu sehen, daß er wieder zu arbeiten anfängt. Sonst fällt er in kurzem der Gemeinde zur Last.«

Nach diesem Zwischenfall hielt Lars eine wirklich großartige Auktion ab mit eifrigem Bieten und hohen Preisen. Und die Befriedigung, die er fühlte, wurde nicht geringer, als er bei seiner Heimkunft am nächsten Tage vernahm, Jan habe seine Arbeitskleider wieder angezogen und angefangen, auf dem Brachfeld Gräben zu ziehen.

»Nun wollen wir ihn auch gar nicht mehr an seine Verrücktheit erinnern,« sagte Lars Gunnarsson. »Vielleicht bekommt er dann seinen Verstand wieder. Der ist ohnedies nie so groß gewesen, daß er eine Verminderung vertragen könnte.«


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