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In Seide

Es kam immer kein Brief von Klara Gulla, weder an ihren Vater, noch an ihre Mutter; aber das schadete ja auch nicht so viel; Jan wußte ja, sie schwieg jetzt nur, um ihre Eltern noch mehr zu erfreuen und zu überraschen, wenn die Zeit gekommen war, die große Neuigkeit zu verkünden.

Aber auf alle Fälle war es gut für Jan, daß es ihm gelungen war, ihr ein wenig in die Karten zu sehen, denn sonst hätte er sich leicht von anderen Menschen, die meinten, mehr von Klara Gullas Tun und Treiben zu wissen als er, der eigene Vater, betrügen lassen können.

Um nur ein Beispiel zu geben, könnte man von Katrines Kirchgang erzählen.

Am ersten Adventsonntag war Katrine in die Kirche gegangen, und als sie zurückkam, war sie sehr verängstigt und niedergedrückt.

Sie hatte einige junge Burschen bemerkt, die von Stockholm zurückgekommen waren, wo sie im Herbst als Maurer gearbeitet hatten, und die jetzt mit andern jungen Leuten, Burschen und Mädchen schwatzten.

Als Katrine diese jungen Leute sah, hatte sie gedacht, sie könne vielleicht durch sie etwas von Klara Gulla erfahren, und war hingegangen, um sie nach ihr zu fragen.

Sicherlich waren sie eben dabei, recht lustige Geschichten zu erzählen; die Burschen wenigstens lachten überlaut, was Katrine für sehr unpassend hielt, wo sie doch so nahe an der Kirchtür standen. Und sie kamen augenscheinlich selbst zur Besinnung, denn als Katrine näher kam, stießen sie einander an und verstummten.

Sie konnte nur noch ein paar Worte hören, die ein Bursche sprach, der ihr den Rücken drehte und der sie darum nicht hatte kommen sehen.

»Denkt nur, sie war in Seide gekleidet!«

Im selben Augenblick bekam er aber einen so starken Stoß von einem der Mädchen, daß er jäh verstummte. Er sah sich um und wurde dunkelrot, als er Katrine bemerkte, die dicht hinter ihm stand. Aber gleich darauf warf er den Kopf auf und rief laut:

»Was willst du denn? Warum soll ich nicht erzählen, daß die Königin in Seide gekleidet war?«

Als er diese Worte gesagt hatte, fingen alle die jungen Leute noch lauter denn vorher zu lachen an. Katrine ging an ihnen vorbei und kam nicht dazu, sie irgend etwas zu fragen.

Sie kam von der Kirche so bekümmert nach Hause, daß Jan nahe daran war, ihr zu erzählen, wie es sich in der Tat und Wahrheit mit Klara Gulla verhielt; aber er besann sich doch noch eines andern und bat sie nur, ihm noch einmal zu wiederholen, was die Burschen von der Königin gesagt hatten.

Das tat sie auch.

»Aber sie haben es natürlich nur gesagt, um die Sache vor mir zu vertuschen,« fügte sie hinzu.

Jan gab keine Antwort; aber er konnte es nicht lassen, er mußte den Mund zu einem Lächeln verziehen.

»An was denkst du denn?« fragte Katrine. »Du machst seit einigen Tagen ein so merkwürdiges Gesicht. Du kannst doch gewiß nicht das schon lange wissen, was sie gemeint haben?«

»Nein, das weiß ich allerdings nicht,« sagte Jan. »Aber so viel Zutrauen dürfen wir doch zu dem kleinen Mädchen haben, meine gute Katrine, daß sicherlich alles so steht, wie sich's gehört.«

»Aber ich hab so Angst– – –«

»Sie dürfen gar nicht davon reden, und ich darf's auch noch nicht,« unterbrach sie Jan. »Klara Gulla selbst hat sie gebeten, uns nichts davon zu sagen, wir aber, wir sollen still sein und warten, Katrine, und das wollen wir auch.«


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