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Jan und Katrine

Noch niemals hatte Jan in Skrolycka so viel zu denken und zu überlegen gehabt wie jetzt, wo er Kaiser geworden war.

Gleich zuerst, nachdem die große Erhöhung stattgefunden hatte, mußte er ja außerordentlich wachsam sein, damit nicht etwa der Hochmut von ihm Besitz ergriff. Er mußte sich immer wieder vorhalten, daß wir Menschen alle miteinander aus ein und demselben Stoff gemacht sind, daß wir alle von einem und demselben Elternpaar abstammen und daß wir alle schwach und sündig sind, daß also im Grunde der eine nichts, aber auch gar nichts vor den andern voraus hat. Sein ganzes Leben lang war es Jan höchst widerwärtig gewesen, wenn er sehen mußte, wie die Menschen sich übereinander zu erheben suchten, und so wollte er es jetzt nicht auch wachen. Aber er merkte wohl: für einen Mann, der so hoch erhoben worden war, daß es nun im ganzen Kirchspiel keinen einzigen Menschen seinesgleichen mehr gab, war es nicht so leicht, in der wahren Demut zu bleiben.

Aber er nahm sich natürlich ängstlich in acht, nichts zu tun oder zu sagen, wodurch sich die alten Freunde, die sich noch immer bei ihrem bisherigen harten Tagewerk plagten, übersehen oder zurückgesetzt hätten fühlen können. Wenn er sich jetzt, wie es seine Pflicht war, bei allen Gesellschaften und Festen, die im ganzen Bezirk gefeiert wurden, einfand, dann hielt er es fast fürs beste, gar kein Wort von dem laut werden zu lassen, was ihm widerfahren war. Zwar konnte er die andern nicht der Eifersucht beschuldigen, ach, weit entfernt! Aber jedenfalls sollten sie sich nicht gezwungen fühlen, Vergleiche anzustellen.

Und von solchen Männern wie Börje und dem Netzstricker durfte er auch nicht verlangen, daß sie ihm den Kaisertitel gaben. Solche alten Freunde mußten ihn Jan nennen dürfen, wie sie es von jeher getan hatten. Sie hätten es ja auch gar nicht gewagt, ihn anders anzureden.

Aber an wen Jan am meisten denken und bei wem er am vorsichtigsten sein mußte, das war natürlich seine alte Frau, die er daheim in der Hütte sitzen hatte. Es wäre eine sehr große Erleichterung und auch eine rechte Freude gewesen, wenn auch zu ihr eine Botschaft von der Erhöhung gekommen wäre; aber das war nicht geschehen, und sie war noch ganz dieselbe wie vorher.

Vielleicht war es auch gar nicht anders möglich. Klara Gulla verstand wohl, daß man aus Katrine nun und nimmer eine Kaiserin machen konnte. Man konnte sie sich unmöglich mit einem goldenen Stern im Haar vorstellen, wenn sie in die Kirche ging. Eher wäre sie zu Hause geblieben, als daß sie sich mit etwas anderem als mit dem gewöhnlichen schwarzseidenen Kopftuch gezeigt hätte.

Katrine sagte gerade heraus, sie wolle nichts davon hören, daß Klara Gulla Kaiserin geworden sei. Und Jan dachte, alles in allem genommen sei es vielleicht am besten, ihr in diesem Stücke zu willfahren.

Aber für den, der jeden Vormittag an die Schifflände hinunterging, wo er von allen, die auf das Schiff warteten, umgeben war und bei jedem Satz als Kaiser angeredet wurde, war es selbstverständlich nicht leicht, diese ganze Hoheit abzulegen, sobald er den Fuß über die Schwelle seines eigenen Hauses setzte. Nein, gar oft mußte er gegen die Versuchung ankämpfen, wenn er für Katrine Holz herbeischaffte oder Wasser holte und überdies von ihr Worte hören mußte, als sei es rückwärts mit einem gegangen anstatt vorwärts.

Und wenn sich Katrine damit begnügt hätte, so wäre es ja immer noch angegangen; aber sie beklagte sich auch, weil er nicht mehr wie früher seiner Arbeit nachgehen wollte. Aber wenn sie mit so etwas daherkam, stellte er sich vollständig taub. Er wußte ja, die Kaiserin von Portugallien würde ihm so viel Geld schicken, daß er es nie mehr nötig hatte, seine Arbeitskleider anzuziehen. Er hätte geradezu ein Unrecht gegen die Kaiserin von Portugallien begangen, wenn er Katrine in diesem Punkt nachgegeben hätte.

An einem Nachmittag der letzten Augusttage saß Jan auf der Stufe vor der Haustür und rauchte aus einer kleinen Pfeife, als aus dem Walde junge Stimmen an sein Ohr schlugen und er helle Kleider zwischen den Bäumen hervorschimmern sah.

Katrine war in das Birkenwäldchen gegangen, um Reisig zu einem Besen zu schneiden; aber ehe sie ging, hatte sie noch gesagt, von nun an würden sie es wohl anders einrichten müssen, sie werde nach Falla gehen und schoren, dann könne er ja daheim bleiben und das Essen kochen und die Kleider flicken, weil er jetzt zu vornehm geworden sei, um bei andern zu arbeiten.

Er hatte ihr kein Wort erwidert, aber ihre Reden waren ihm doch sehr nahe gegangen, und so war er recht froh, als jetzt seine Gedanken von etwas anderem in Anspruch genommen wurden. So rasch er konnte, holte er seine Kaisermütze und den Stock mit dem silbernen Knopf, und er kam gerade noch zur rechten Zeit bei der Gitterpforte an, als die jungen Mädchen vorbeigingen.

Es waren nicht weniger als fünf; die drei jungen Fräulein von Lövdala waren dabei, und die andern waren wohl Fremde, die auf dem Herrenhofe zu Besuch waren.

Jan schlug die Gitterpforte weit zurück und trat zu den jungen Mädchen hinaus.

»Guten Tag, meine geehrten Hoffräulein!« sagte er und nahm dabei seine Mütze so tief ab, daß sie fast die Erde berührte.

Die Fräulein blieben stehen und sahen zuerst etwas schüchtern drein; aber er brachte sie bald über die erste Verlegenheit weg.

Dann aber erklang ihr »guten Tag« und »unser guter Kaiser«, und Jan sah deutlich, wie sehr sie sich über das Wiedersehen mit ihm freuten.

O nein, die jungen gnädigen Fräulein waren nicht wie Katrine und die andern Leute in Askedalarna. Sie hatten gar nichts dagegen, wenn er von der Kaiserin erzählte. Sie fragten auch gleich, wie es ihr gehe, und ob sie nicht bald zu Hause erwartet werden könnte.

Dann fragten sie auch, ob sie nicht ins Haus hineingehen dürften, um zu sehen, wie es da aussehe. Und das brauchte Jan ihnen nicht zu verweigern, denn Katrine hielt das Häuschen immer äußerst sauber und ordentlich, da konnte jedermann, wer es auch immer sein mochte, zu Besuch kommen.

Als die jungen Gutsbesitzerstöchter in die Stube traten, verwunderten sie sich ja wohl ein bißchen, daß die große Kaiserin in einem so kleinen Raume aufgewachsen war. Und sie meinten, früher sei es ja immerhin noch angegangen, weil sie da daran gewöhnt gewesen sei, aber wie solle es nun werden, wenn sie jetzt zurückkomme? Ob sie dann hier bei den Eltern wohnen oder wieder nach Portugallien zurückkehren werde?

Jan hatte dasselbe auch schon gedacht und sich auch gesagt, Klara Gulla könne natürlich nicht in Askedalarna wohnen bleiben, da sie ja ein ganzes Reich zu regieren habe.

»Ja, die Kaiserin wird wohl wieder nach Portugallien zurückkehren,« antwortete Jan auf die Fragen der jungen Fräulein.

»Dann werdet Ihr sie wohl dahin begleiten?« fragte eines der jungen Mädchen.

Jan fühlte deutlich, daß es ihm viel lieber gewesen wäre, wenn er nicht danach gefragt worden wäre. Er gab dem Fräulein deshalb auch nicht gleich Antwort; aber das junge Mädchen ließ nicht locker.

»Ihr wißt vielleicht noch nicht, wie es werden wird?« fragte sie wieder.

Doch, das wußte Jan schon; aber er war sich noch nicht klar darüber, wie die Leute seinen Entschluß aufnehmen würden. Sie würden diesen Entschluß vielleicht von einem Kaiser nicht ganz richtig finden.

»Nein, ich werde wohl daheim bleiben,« sagte er nun. »Denn seht, ich kann Katrine nicht allein lassen, das geht nicht.«

»Ach so, Katrine reist also nicht mit?«

»Nein, Katrine könnte wohl nicht dazu gebracht werden, ihr Haus zu verlassen. Und ich werde bei ihr bleiben. Seht, wenn man jemand Treue geschworen hat in Freud und Leid!«

»Ja, dieses Gelübde darf man nicht brechen, das verstehe ich sehr gut,« sagte das gnädige Fräulein, das sich am eifrigsten nach allem erkundigt hatte. »Habt ihr es gehört, ihr andern?« rief sie den übrigen Fräulein zu. »Jan will seine Frau nicht verlassen, obgleich ihn die Herrlichkeit von ganz Portugallien lockt.«

Und wie merkwürdig! Alle miteinander freuten sich über das, was er ausgesprochen hatte. Sie klopften ihm auf die Schulter und sagten, das sei recht von ihm. Das sei ein gutes Zeichen, sagten sie. Es sei noch nicht aus mit dem alten braven Jan Andersson in Skrolycka.

Jan verstand nicht recht, was sie damit meinen konnten. Aber sie freuten sich wohl, weil sie ihn ja dann im Dorfe behalten durften.

Dann verabschiedeten sich die Fräulein und gingen auch gleich darauf weiter. Sie sagten, sie seien auf dem Weg nach dem Duvnäser Hüttenwerk, wo heute Gesellschaft sei.

Aber siehe! sie waren kaum gegangen, da kam Katrine herein. Sie mußte dicht vor der Tür gestanden und gewartet haben. Sie hatte wohl nicht zu den fremden Gästen hereinkommen wollen; aber wie lange sie da draußen gestanden und wieviel sie von dem Gespräch mit angehört hatte, das konnte niemand wissen.

Aber wie es sich auch verhalten mochte, jedenfalls sah sie freundlicher und zufriedener aus, als es seit lange der Fall gewesen war.

»Du bist ein kompletter Narr,« sagte sie. »Und ich möchte wissen, was andere Frauen sagen würden, wenn sie so einen Mann hätten. Aber es war doch gut von dir, daß du gesagt hast, du wollest mich nicht verlassen.«


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