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Der Geburtstag

An dem Tag, wo das kleine Mädchen ein Jahr alt wurde, war ihr Vater auf Erik in Fallas Brachfeld bei seiner Grabarbeit.

Er versuchte sich klarzumachen, wie es früher gewesen war, als noch niemand da war, an den er bei seiner Arbeit auf dem Felde denken konnte, damals, wo er auch noch nicht das klopfende Herz in der Brust gehabt hatte, wo er noch keine Sehnsucht verspürt hatte und nie beunruhigt gewesen war.

»Wie merkwürdig, daß ein Mensch auf diese Weise leben kann!« sagte er und verachtete sich dabei selbst.

»Ja,« fuhr er fort, »das ist das einzige, worauf's ankommt. Wenn ich so reich wär' wie Erik in Falla, oder so stark wie Börje, der dort drüben seinen Acker umgräbt, so wär' das gar nichts im Vergleich zu dem klopfenden Herzen in meiner Brust.«

Er sah zu Börje hinüber, der ein ungeheuer starker Mann war und ungefähr doppelt so viel Arbeit bewältigen konnte als er. Während nun Jan zu Börje hinübersah, fiel ihm auf, daß dieser an diesem Tage lange nicht so weit gekommen war wie sonst.

Sie bekamen von Erik Stücklohn, und Börje übernahm immer mehr als Jan; aber beide wurden trotzdem immer ungefähr zur selben Zeit fertig. An diesem Tag aber war Börje merkwürdig langsam vorwärts gekommen, ja er hielt nicht einmal gleichen Schritt mit Jan, sondern war weit zurückgeblieben.

Aber Jan hatte auch seine ganze Kraft eingesetzt, um möglichst rasch zu seinem kleinen Mädchen heimzukommen. An diesem Tag sehnte er sich noch viel mehr nach ihr als sonst. Sie war abends meist schläfrig, und wenn er sich nicht beeilte, konnte sie möglicherweise schon fest eingeschlafen sein.

Als Jan fertig war, sah er, daß Börje sein Stück kaum halb fertig hatte. Das war in all den Jahren, die sie nun zusammen arbeiteten, noch nie vorgekommen, und Jan verwunderte sich auch so darüber, daß er zu Börje hinging.

Börje stand in dem Graben und plagte sich eben, eine hartnäckige Erdscholle herauszuheben. Er war auf einen Glasscherben getreten und hatte dabei eine tiefe Wunde im Fuß davongetragen. Es war ihm nicht möglich, den Stiefel anzubehalten, und nun kann man sich wohl denken, wie schrecklich das sein muß, wenn man mit einem verwundeten Fuß den Spaten in die Erde hineinzwingen soll.

»Solltest du nicht lieber aufhören?« fragte Jan in Skrolycka.

»Nein, ich muß durchaus heut fertig werden,« erwiderte Börje, »denn ich bekomm' ja kein Korn von Erik in Falla, ehe das ausbedungene Stück fertig ist. Und wir haben daheim kein Roggenmehl mehr.«

»Na, gut' Nacht also!« sagte Jan.

Börje gab keine Antwort. Er war so müde und abgemattet, daß er nicht mehr den gewohnten Abendgruß herausbrachte.

Jan von Skrolycka ging bis zum Rand des Ackers, aber dort hielt er an.

»Was macht's dem kleinen Mädchen aus, ob du zu ihrem Geburtstag heimkommst,« sagte er zu sich. »Sie hat's ebenso gut ohne dich; Börje aber hat sieben Kinder daheim und kein Essen für sie. Willst du sie hungern lassen, nur um heimzukommen und mit Klara Gulla zu spielen?«

Er ging zu Börje zurück, stellte sich neben ihn und arbeitete mit ihm weiter; aber da er schon vorher recht müde gewesen war, ging es nicht besonders schnell vorwärts, und es war schon beinahe dunkel, als die beiden endlich fertig waren.

›Jetzt schläft Klara Gulla schon lange,‹ dachte Jan, als er endlich den letzten Spatenstich tat.

»Nun gut' Nacht!« rief er zum zweiten Male Börje zu.

»Gut' Nacht und Dank für die Hilfe!« erwiderte Börje. »Jetzt geh ich und hol' mir gleich meinen Roggen. Ich werd's dir schon ein andermal wettmachen, du kannst dich darauf verlassen.«

»Ich will keine Bezahlung dafür. Gut' Nacht!«

»Willst du nichts für deine Hilfe haben? Was ist denn los, daß du so großartig bist?«

»Ach, 's ist... 's ist heute der Kleinen ihr Geburtstag.«

»Was, und deshalb hast du mir hier beim Umschoren geholfen?«

»Ja, deshalb und auch noch wegen was anderem. Na also, gute Nacht!«

Jan ging hastig fort, um nicht zu einer Erklärung über das »andere« verlockt zu werden; aber es brannte ihm auf der Zunge zu sagen: Heute ist nicht nur Klara Gullas Geburtstag, sondern es ist auch der meines Herzens.

Aber es war gut, daß er nicht dazu kam, dies zu sagen, denn Börje hätte sicher geglaubt, er sei verrückt geworden.


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