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Der Besuch in dem Bauernhof

Als das kleine Mädchen in Skrolycka in ihr fünftes Jahr ging, nahm sie Jan Andersson an einem Sonntagnachmittag bei der Hand, und sie wanderten miteinander dem Walde zu.

Sie gingen an schattigen Birkenwäldchen vorüber, wo sie sich sonst niederließen, sie gingen auch an dem Erdbeerhügel vorüber, ja sie gingen sogar, ohne anzuhalten, an dem kleinen sich dahinschlängelnden Bach, wo die Wäsche gewaschen wurde, vorüber.

Hand in Hand wanderten sie dahin, still und ernsthaft, wie um zu zeigen, daß ihnen etwas Feierliches bevorstand.

Sie verschwanden in östlicher Richtung im allertiefsten Walde; aber auch da hielten sie nicht an, sondern kamen schließlich über Loby auf einem bewaldeten Hügel wieder zum Vorschein.

Von da gingen sie über die Wegscheide, wo die Landstraße und die Dorfstraße sich kreuzten, und jetzt mußte es sich doch endlich zeigen, wohin sie zu gehen beabsichtigten.

Aber sie gingen nicht nach Nästa hinein und auch nicht nach Nysta, auch sahen sie sich weder nach Där-Fram noch nach På-Valln um.

Weiter und weiter wanderten sie das Dorf entlang. Nun erschien es fast unverständlich, wohin sie gehen wollten. Denn sie konnten doch unmöglich im Sinne haben, bei Björn Hindriksson in Loby einen Besuch machen zu wollen?

Wahr war allerdings, daß Björn Hindrikssons Frau die Halbschwester von Jans Mutter war; Jan war also wirklich mit den reichsten Bauern im Kirchspiel verwandt und hatte das Recht, Björn Hindriksson und seine Frau Tante und Oheim zu nennen. Aber bis jetzt hatte Jan getan, als wisse er gar nichts von der Sache, selbst mit Katrine hatte er kaum je von der so vornehmen Verwandtschaft gesprochen. Er war im Gegenteil Björn Hindriksson immer aus dem Weg gegangen. Nicht einmal auf dem Platz vor der Kirche pflegte er zu ihm hin zu gehen, um ihn zu begrüßen und ihm die Hand zu geben.

Aber jetzt, wo Jan eine so merkwürdige kleine Tochter hatte, war er nicht mehr nur ein armer Taglöhner. Jetzt hatte er einen Schatz vorzuweisen und eine Blume, mit der er sich schmücken konnte. Jetzt war er reich mit den Reichen und mächtig mit den Mächtigen. Jetzt ging er geradenwegs auf Björn Hindrikssons großes Wohnhaus zu, um zum erstenmal in seinem Leben bei den vornehmen Verwandten einen Besuch zu machen.

* * *

Lange währte der Besuch im Bauernhof nicht. In weniger als einer Stunde ging Jan mit seinem kleinen Mädchen wieder über den Hofplatz nach der Pforte.

Aber als Jan so weit gekommen war, hielt er an und schaute zurück, wie wenn er Lust hätte, noch einmal hineinzugehen.

Er hatte indes gar keinen Grund, zu bereuen, daß er hingegangen war. Nein, so war es nicht, er war mit der Kleinen in jeder Beziehung gut aufgenommen worden. Björn Hindrikssons Frau hatte das Kind gleich mit sich an den blauangemalten Schrank genommen, der mitten an der Längswand des Zimmers stand, und ihr einen Zwieback und ein Stück Zucker gegeben. Und Björn Hindriksson selbst hatte sie gefragt, wie alt sie sei und wie sie heiße. Dann hatte er den großen Lederbeutel aufgemacht, den er in seiner Hosentasche trug, und ihr ein blankes Vierschillingsstück geschenkt.

Jan war mit Kaffee bewirtet worden, und seine Stieftante hatte nach Katrine gefragt und sich erkundigt, ob sie eine Kuh oder ein Schwein hätten, ob ihr Haus im Winter sehr kalt sei und ob er auch von Erik in Falla so viel Lohn bekomme, daß sie von dem Verdienst leben könnten, ohne Schulden machen zu müssen?

Nein, an dem Besuch selbst war nichts, was Jan Kummer machen konnte. Nachdem er sich eine Weile mit Hindrikssons unterhalten hatte, sagten diese, sie seien zum Abend eingeladen und müßten in einer halben Stunde wegfahren. Da hatte Jan ja eingesehen, daß sie diese halbe Stunde brauchten, um sich fertig zu machen, und so war er aufgestanden und hatte sich verabschiedet.

Aber da war die Hausfrau rasch an den Speiseschrank gegangen und hatte Butter und Speck herausgeholt, auch einen kleinen Beutel mit Grütze und wieder einen mit Mehl gefüllt und dann alles in ein Tuch zu einem Bündel zusammengebunden, das sie Jan beim Abschied in die Hand gab und sagte, das sei ein kleines Geschenk für Katrine. Sie habe wohl eine kleine Belohnung verdient, weil sie zu Hause geblieben sei und das Haus bewacht habe.

Und dieses Bündel war es, das Jan jetzt viel Kopfzerbrechen verursachte.

Er wußte ja recht wohl, in diesem Bündel war alles mögliche Gute und Prächtige, lauter Sachen, an die die Leute in Skrolycka bei jeder Mahlzeit sehnsüchtig dachten; aber Jan hatte das Gefühl, als begehe er gleichsam ein Unrecht gegen das kleine Mädchen, wenn er diese Sachen annahm.

Nein, nein, er war nicht als Bettler zu Björn Hindriksson gekommen, sondern als einer, der seine Verwandten begrüßen will. Hindrikssons sollten die Sache nicht falsch auffassen, nein, das sollten sie nicht!

Er hatte an all dies schon gleich in der Stube gedacht, aber die Ehrfurcht vor Björn Hindriksson und seiner Frau war zu groß, und so hatte er nicht gewagt, das Bündel zurückzuweisen.

Nun ging er von der Pforte wieder zurück und legte das Bündel neben der Stallecke nieder; wo die Hausleute immer vorüberkamen und nicht anders konnten, als es zu bemerken.

Es tat ihm ordentlich weh, die Sachen zurückzulassen; aber seine kleine Klara war kein Bettelmädchen. Niemand sollte das Recht haben, von ihr und ihrem Vater zu glauben, daß sie herumgingen und bettelten.


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