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Die Monatssteine

1810.

Nach arabischer Mythe.

Ein schöner Glaube blühte sonst dem Herzen
Auf stiller, wunderbarer Spur,
Und Jeder knüpfte Freuden so wie Schmerzen
An dunkle Räthsel der Natur.
Er fand geheimes Wort in Baum und Blüthe,
Geheimes Wort in lichter Steine Glanz,
Und oben, wo das Heer der Sterne glühte,
Schloß sich der wunderheil'ge Kranz.

Was auch das Herz auf dunklen Wegen strebte,
Das Auge blickte hoffend himmelan,
Und wie die nahe Stunde sich verwebte,
Verborgen lag's in der Planeten Bahn;
Nicht blos um unsre Nächte zu erhellen,
Das Sternenlicht sich durch die Lüfte goß,
Nein, in des Menschenlebens tiefsten Quellen
Stand ihrer Kräfte zartes Zauberschloß. –

Die Erde war aus Sternenhöh' gesunken,
Gefallen von der Götter Brust,
Nur in der Steine Sonnenfunken
Da lebte noch der Sterne Lust.
Sie hüteten in tiefen Höhlen
Die Lieblinge so treu und süß
Und hauchten in die klaren Seelen
Ein lichtes Strahlenparadies. –

Und hoher Wirkung heil'ge Worte
Durchflammten ihren fremden Glanz,
Und so aus tiefer Erdenpforte
Entblühte ihr geheimer Kranz
Und wand sich um den Flug der Zeiten
Nach hoher, räthselvoller Wahl
Und trat mit sinnigem Bedeuten
Still wirkend in der Monden Zahl,

Und mit geheimnißvollen Zeichen
Erfreute sie des Meisters Hand; –
Doch plötzlich ward aus Lebens Reichen
Der Sternenglaube streng verbannt.
Der schönste Traum ward uns entrissen,
Seit man die Geisterwelt verwarf,
Seit man nur kalten Weisheitsschlüssen
Und nicht dem Herzen glauben darf. –

Es spricht sich in den lichten Steinen
So klar der Farben Räthsel aus;
Wie ew'ge Blüthen sie erscheinen
In ihrer Mutter dunklem Haus.
Drum, wem noch in dem treuen Herzen
Die leise Ahnung freundlich glüht,
Wie süßer Trost in tiefen Schmerzen,
Der horche still dem Geisterlied.

      Im Januar
Beginnt das Jahr
So kalt und klar,
Aller Freuden bar;
Drum hat ihm Natur tiefglühend Leben
Im Hyacinthe beigegeben,
Der das Auge mit Flammenroth begrüßt
Und tiefes Wirken in sich schließt.
Er wärmt das Herz,
Bei kaltem Schmerz,
Besiegelt die Freundschaft
Mit fröhlicher Lust
Und treibt die Feindschaft
Aus tiefer Brust.
Du sollst ihn tragen als heilige Last,
Am Halse, im reinsten Golde gefaßt.

      Im Februar
Nimmt schon die Welt
Verjüngtes Leben wahr;
Drum hat Natur so licht und klar
Den Amethyst ihm zugesellt.
Er knüpft das Rothe mit dem Blauen
In seiner Farben Lieb' und Treu';
Magst Du der stillen Wirkung trauen,
Er macht die Seele frisch und frei,
Besänftigt das empörte Blut
Und zähmt den trunknen Uebermuth;
Und wird er an dem Haupte prangen,
So magst Du Fürstengunst erlangen.

      Der März
Richtet schon des Lebens Keime
Himmelwärts;
Doch durch seine dunkeln Träume
Schlägt noch kein Herz.
Nur wenig Lebensfunken
Der künft'gen Liebeswelt
Sind blutigroth gesunken
Ins grüne Hoffnungsfeld;
Denn also ist des Steines Art,
Der sich im jungen März bewahrt.
Der Heliotrop, von der Natur erkoren,
Ward vom Saturnus kalt geboren;
Doch ist er nicht aller Wirkung bar:
Er macht die trübe Stirne klar
Und schützt vor des Giftes heimlicher Pein;
In der Herzgrube will er getragen sein.

      Der April
Läßt das junge Leben
Mit freudigem Beben
Nicht länger still.
Er springt aus dem kalten Grab,
Streift sich die Hülle ab
Und will mit stürmischem Walten
Sich neu gestalten.
Ihm ward dafür
Der klare Saphir.
Er ist ein heitres Sternenkind,
Wie alle Joviskinder sind,
Blickt das Leben so freundlich an,
Man meint, er hätt' uns was Liebes gethan.
Mit leichten Scherzen
Versöhnt er die Herzen,
In glühenden Schmerzen
Kühlt er die Herzen;
Drum sorgenfrei,
Fest und treu
Trag' ihn am Herzen.

       Im Mai
Treten des Frühlings frühe Keime
Still, aber frei,
Aus dem lieblichen Reich der Träume.
Mit tausend Farben prangt die Flur,
Und tausend Blüthen blühn;
Aber der schönste Schmuck der Natur
Bleibt das lebendige Grün.
Drum war der Smaragd
Strahlenbeseelt
Und der Frühlingspracht
Des Mai's vermählt.
Er bringt dem Menschen dauerndes Glück,
Erfreut das Auge und stärkt den Blick;
Und wie Alles, was so edel schaut,
Sich vor dem Gemeinen und Schlechten graut,
So wirft er auch nur den Strahlenschein,
Wo Liebe treu ist und engelrein;
Doch an falscher Hand behagt es ihm nicht,
Und so wie die Treue, der Stein zerbricht.

      Im Junius
Winkt die Liebe den ersten Gruß;
Es kos't der Zephyr auf rosigen Spuren,
Es erwacht die Sehnsucht in der Welt,
Und auf den vollblühenden Fluren
Neu üppiges Leben schwellt.
Drum hat Natur des Chalcedons Kraft,
Die still bescheidne, freundlich geschafft,
Daß er mit wechselndem Farbenspiele
Erfreue des Herzens dunkle Gefühle.
Denn freundlich ist er wie lichter Morgen
Und bringt dem Menschen ein freundliches Glück;
Er treibt aus der Brust die quälenden Sorgen
Und läßt nur die Sorgen der Liebe zurück!

      Der Julius
Drückt auf die Welt den Bräutigamskuß;
Da flammt die Lieb' auf allen Zweigen,
Da flammt die Lieb' aus jeder Brust,
Und in der Gefühle berauschten Reigen
Webt sich die höchste geistige Lust.
Drum ward ihm der Karneol erkoren,
Ein feuerlebendiger Venus-Sohn,
Der in guten glücklichen Stunden geboren,
Hellglühend wie heißer Minne Lohn;
Er kräftigt das Herz und stärkt das Gemüth,
Daß es neu im Leben und Lieben glüht.

      Der August
Glüht in versöhnter Liebeslust,
Und wie lebendig das Herz auch schlägt,
Keine Unruhe mehr die Seele bewegt.
So ward ihm denn zum freudigen Leben
Der doppeltgefärbte Onyx gegeben,
Den Zeus zugleich und Merkur gezeugt,
Und dem kein Stein auf der Erde gleicht.
Drum stellt er auch zwiefache Wirkung dar;
Denn er macht den Geist lebendig und klar,
Doch stärkt er das Herz auch zu kühnem Wagen;
Drum mögen ihn die Gewaltigen tragen.

      Zu Septembers Frist
Die reifere Kraft das Leben begrüßt,
Die Natur hat die ernste Weihe empfangen;
Da gilt nicht mehr das eitle Prangen,
Gediegner Werth und stiller Schein
Tritt mit bescheidner Klarheit herein.
Drum ward der Chrysolith erwählt,
Der solches Treiben in sich vermählt.
Er ist so klar, so mild, so hold
Wie goldnes Grün, wie grünes Gold;
Und wie des Mannes reife Kraft
Den Frieden in tobender Brust erschafft,
So läßt auch er mit sanftem Walten
Den Zorn im Herzen sich nicht gestalten
Und schützt mit seiner stillen Pracht
Vor bösen Träumen die friedliche Nacht.

      Mit Oktobers Beginn
Reift des Spätjahrs ruhiger Sinn.
Die Luft wird wieder kühl und klar
Und stellt sich friedlich den Blicken dar.
Jetzt siehst Du in der Tage Verblühn
Gleich Tropfen des Thaues den Aquamarin
Mit grünlichen Strahlen wie Meereswelle,
Aber unendlich klar und helle.
Er ist für das Auge ein lichtes Bad
Und schützt vor Feindes List und Verrath;
Doch ist er nicht aller Leute Lust,
Und Eifersucht weckt er in mancher Brust,
Trägt man ihn in stillen Mondennächten
Beim einsamen Wandeln an der Rechten.

      Novembers Zeit
Tritt in die Welt mit dem Winterkleid.
Die Früchte fallen, die Blätter ab,
Und die Natur wird ein weites Grab.
Aber hellglühend wie goldner Wein,
Wie sonnenflammendes Glas
Glänzt der Topas
Ins kalte Leben lebendig herein.
An der linken Hand als freundliche Zierde
Stillt er des Herzens wilde Begierde,
Macht die Seele des Zornes frei
Und zügelt die glühende Phantasei.

      In Dezembers Wuth
Starrt all der Natur lebendig's Blut;
Es birgt sich die Erde im Nebelkranze,
Es deckt sich die Flur mit des Schnees Glanze;
Nur in des Chrysopras lichtem Blick
Kehrt des Lebens Farbe zurück.
Und wie er im abgestorbnen Greis
Das künftige Leben verkündet leis
Und so die Hoffnung nicht sinken läßt,
So hält er im Herzen die Hoffnung fest.
Trag' ihn voll Glauben, wenn Du bangst,
Er bezwingt des Herzens quälende Angst,
Macht die Seele freudig in Gefahr
Und schließt im heiligen Kreise das Jahr!


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