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Der Dreiklang des Lebens

Mit wilder Kühnheit trat ich rasch ins Leben,
Groß träumt' ich mir den Schuldbrief an das Glück;
Ins Grenzenlose ging mein dunkles Streben,
Kalt blickt' ich auf die Gegenwart zurück.
Zu stolzer Höhe wollt' ich mich erheben,
Doch nach dem Ziele schweifte noch der Blick;
Da stürmt' ich in des Lebens wüste Tiefen,
An jeder Klippe meine Kraft zu prüfen.

Die Fluth riß mich in ihren Brand hinunter,
Und neben mir sank manches edle Herz.
Ich schlug mich durch, ich ging im Sturm nicht unter,
Um die Verlornen trauerte mein Schmerz.
Der Rettung kühner Sieg blieb mir ein Wunder,
Und frischen Auges blickt' ich himmelwärts.
Es war die Ahnung der verwandten Seele,
Die mich heraufzog aus der Mörderhöhle.

Mit neuem Muthe folgt' ich leisern Stimmen,
Von einem schönern Leben sprachen sie:
Ich sollte keck den kühnen Strom durchschwimmen,
Die Kräfte wagen, die mir Gott verlieh,
Den Sonnenberg der Hoffnung zu erklimmen;
Denn Eins sei Glaube, Lieb' und Poesie,
Und in der heil'gen Trias dieser Töne
Vermähle sich das Göttliche und Schöne. –

Und tief in meiner Brust war mir der Glaube
An Gott, an Kraft, an Freiheit eingeprägt.
Die Menschheit wühlte um mich her im Staube,
Kaum von des Himmels Donnerruf bewegt. –
Zwar fallen Tausende der Welt zum Raube,
Ich fand doch Herzen, wo es edel schlägt;
Und allen Zweiflern möcht' ich's laut erzählen:

Die Zeit ist schlecht, doch giebt's noch große Seelen.
Auf diesen Glauben bauten meine Träume
      Der Dichtkunst jugendliche Fabelwelt.
Im Frühlingsdufte reicher Blüthenbäume
      Fand ich den Altar prangend aufgestellt.
Und wie ich nun in Liedeswellen schäume,
      Und wie der Gott mir in dem Busen schwellt,
Da fühlt' ich's deutlicher in meiner Seele,
Daß mir das Höchste, daß die Liebe fehle.

Mit tiefer Sehnsucht blickt' ich in das Leben,
      Vom Ideale fand ich keine Spur.
In Schmeichelformen abgeschmacktes Streben,
      Zierpuppen der verschrobensten Natur,
So sah ich geistlos sie vorüberschweben:
      Wie mir das eiskalt durch die Seele fuhr! –
Des Lebens Kranz – ich sag' es mit Erröthen –
Herabgewürdigt, in den Staub getreten.

Verzweifeln wollt' ich an der Gottheit Strahle; –
      Da sah ich Dich, Dich, und ein einz'ger Blick,
Jungfräulich wie der Mai im Blüthenthale,
      Rief mich zu meiner Dichterwelt zurück.
Es lächelte aus Hippokrenens Schale
      Mit Spiegelklarheit kaum geträumtes Glück,
Ich wandte mich mit wunderbarem Beben,
Und heilig trat das Heilige ins Leben.

Und vor dem aufgeflammten Morgenlichte
      Sank ich ins Knie, von Gottes Hauch beseelt;
Die Ahnung sprach es längst im Traumgesichte,
      Kein Märchen war's, das Phantasie erzählt;
Denn was ich glaube, was ich glühend dichte
      Und glühend liebe, blüht in Dir vermählt,
Und kühn im Dreiklangsdonner der Gefühle
Stürzt mich Dein Wink durch Sturm und Kampf zum Ziele.


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