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Die Weisung Apoll's

Heiß entflammt von meines Herzend Drange,
Mit des Jünglings unerforschtem Sinn,
Um Apollo's heiligem Gesänge
Einst zu lauschen, zog ich fröhlich hin,
Wo der Dichtkunst heil'ge Lüfte wehen,
Süß erquickend, zu Parnasses Höhen

Leicht erklimm' ich, dacht' ich mir, mit Wonne
Jenen Fels; welch heilig schönes Glück,
Schau' ich dann den Gott der ew'gen Sonne,
Die Kamönen mit verklärtem Blick.
Sich an ihrem Götterlied zu weiden,
Ist der Urquell aller Seligkeiten.

Manche Länder mußt' ich wol durcheilen,
Und durchschiffen mußt' ich manche Fluth;
Oft umsauste mich des Sturmes Heulen;
Alles überstand des Jünglings Muth.
An dem Felsen war ich angekommen,
Und ein Theil der Höhe schon erklommen.

Holde Düfte strömten von den Blüthen,
Neu erfrischt vom süßen Morgenthau,
Unter dichtbelaubten Zweigen glühten
Goldorangen in beblumter Au'.
Fern im Haine klagte Philomele,
Und das Lied ward zur lebend'gen Seele.

Alles grünte noch in reinerm Lichte
Wie im Blüthenalter der Natur;
Diese Fluren, Blumen, diese Früchte,
Alles zeigte mir des Gottes Spur.
Und ich fühle mich im heil'gen Reiche
Kühner, daß ich muthig aufwärts steige.

Endlich sink' ich schwer ermattet nieder,
In des Haines Schatten sink' ich hin,
Und mit seinem düsteren Gefieder
Kam der Schlaf, verschloß den müden Sinn.
Her zu mir, so dünkt' es mir im Traume,
Schwebt Apoll vom blauen Himmelsraume.

Und er glänzte hold mit sanftem Feuer,
Um die Brust wallt' ihm das goldne Haar;
In den Händen hielt er seine Leyer,
Und der Blick war rein und sonnenklar;
Und im lichten Nebelkranz der Düfte
Schwebt der Götterjüngling durch die Lüfte.

Zornig hört' ich seine Worte klingen:
»Strebst Du nach der neunfach heil'gen Zahl?
»Keiner kann der Musen Huld erzwingen;
»Frei und fessellos ist ihre Wahl.
»Nicht der Wille kann die Kraft erproben;
»Denn die Offenbarung kommt von oben.«

Und ich seh' ihn hell noch vor mir stehen,
Göttlich glänzend, und er schaut zurück.
Nach dem Göttersitz, den lichten Höhen,
Flog er zu, ihm folgte schnell der Blick,
Als ihn eine Wolke zart verhüllte;
Und verschwunden war das Traumgebilde.

Da erwacht' ich schnell vom sanften Schlummer,
Der die matten Glieder mir erquickt.
Ach! ich kannte nicht des Herzens Kummer;
Denn die Hoffnungsblume war zerknickt,
Und ich glaubte nur' geträumt zu haben,
Hoffte, mich am Götterlied zu laben.

Folgen wollt' ich meines Herzens Drange,
Nähern wollt' ich mich den heil'gen Höhn,
Ach! da ward's im Innern mir so bange,
Und ich blieb wie angefesselt stehn;
Denn des Fußes Macht war mir gebunden,
Und das Ziel dem ird'schen Blick entschwunden.

Und des Berges Gipfel wollt' ich schauen;
Doch wer hätte glücklich ihn entdeckt?
Denn er war auf ewig hinter grauen,
Düstern Wolken meinem Blick versteckt.
Und der Worte dacht' ich, die mir schallten;
Da erkannt' ich schnell des Gottes Walten.


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