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Hundertunddrittes Capitel.
Wie man Alles mit Eintracht und Vorsicht vollbringen müsse.

Einst herrschte ein sehr weiser und in Allem gerechter Kaiser Domitianus. Weil der nun Niemanden verschonte, sondern immer der Gerechtigkeit ihren Lauf ließ, begab es sich einstmals, daß, als er zu Tische saß, ein Kaufmann zu ihm kam und an das Thor pochte. Der Pförtner aber öffnete dasselbe und fragte, was ihm beliebe. Jener aber sprach: ich bin ein Kaufmann und habe für die Gemahlin des Kaisers einige nützliche Sachen zu verkaufen. Wie das der Thorwärter hörte, ließ er ihn ein. Jener aber begrüßte den Kaiser auf demüthige Weise, und dieser sprach zu ihm: mein Lieber, was hast Du denn für Waaren zu verkaufen? Und jener erwiderte: Herr, drei weise Sprüchelchen. Der aber sprach: und wie theuer willst Du mir jeden Spruch geben? Und jener entgegnete: für tausend Gulden. Da sprach der Kaiser: wenn mir nun aber Deine Weisheit nichts frommt, so verliere ich mein Geld. Da versetzte der Kaufmann: Herr, wenn meine Sprüche bei Euch keine gute Statt finden, will ich Euch Euer Geld wieder geben. Da sprach der Kaiser: Du sprichst, was billig ist, nenne mir also jetzt die weisen Sprüchelchen, welche Du an mich verkaufen willst. Und jener entgegnete: Alles, was Du thust, thue vorsichtig und siehe auf's Ende. Der zweite Spruch ist: gehe nie eines Fußsteiges wegen von der Heerstraße. Der dritte endlich ist: nimm nie eine Herberge über Nacht in einem Hause an, wo der Hausherr alt und seine Frau jung ist. Diese drei Sachen bewahre bei Dir, und es wird gut um Dich stehen. Der König gab ihm also für jeden Spruch tausend Gulden und ließ sich den ersten »Alles was Du thust, thue mit Vorsicht und siehe auf's Ende« an die Wände seines Thronsaales schreiben, ebenso auch in seinem Gemache und an allen Orten, wo er spatzieren zu gehen pflegte, anbringen, ja auch auf die Tischtücher sticken, auf welchen er speiste. Nach diesem aber, obgleich er ein so gerechter Mann war, verschworen sich doch Viele aus seinem Reiche gegen ihn, um ihn zu ermorden, und weil sie Solches nicht öffentlich thun konnten, so besprachen sie sich mit seinem Bartscheerer, daß er ihm die Kehle abschneiden und dafür einen guten Lohn erhalten solle. Der Bartscheerer aber nahm das Geld und versprach seine Verpflichtung getreulich zu erfüllen. Wie nun aber derselbe dem Kaiser den Bart abnehmen sollte und ihn eingeseift hatte und sich daran machte ihn zu rasiren, so sah er zufällig unter sich auf das Barttuch, welches der Kaiser um den Hals hatte und auf dem gestickt zu lesen war: Was Du thust, das thue mit Vorsicht und bedenke das Ende. Wie nun der Barbier diese Schrift gelesen hatte, da dachte er bei sich: heute bin ich gedungen worden diesen Mann umzubringen, wenn ich aber das thue, so wird mein Ende sehr kläglich seyn, denn ich werde zum schimpflichsten Tode verdammet werden: darum ist es gut, wie jene Schrift sagt, bei Allem, was man thut, auf das Ende zu sehen. Alsbald fingen seine Hände an zu zittern, daß ihm sein Scheermesser aus der Hand fiel. Wie das der Kaiser gewahr wurde, sprach er zu ihm: sage mir, was ist Dir denn? Und jener erwiderte: o Herr, erbarme Dich meiner, ich bin heute gedungen worden, Dich für Geld zu ermorden, weil ich aber zufällig, wie es Gottes Wille war, die Schrift Deines Barttuches las, »was Du thust, das thue mit Vorsicht und bedenke das Ende,« habe ich mir gleich überlegt, daß ein schimpflicher Tod mein Ende seyn werde: darum zitterten meine Hände. Wie das der Kaiser hörte, dachte er bei sich: der erste Spruch hat mir das Leben gerettet, ich habe ihn zu einer guten Stunde eingehandelt. Und er sprach zu dem Bartscheerer: sey fortan nur getreu und ich will es Dir verzeihen. Wie nun die Fürsten seines Reiches sahen, daß sie ihn auf diesem Wege nicht tödten konnten, verhandelten sie mit einander, wie sie ihn umbringen möchten, und sprachen: an dem und dem Tage wird er zur Stadt zurückkommen, wir wollen uns also bei dem Fußsteige, über welchen er gehen muß, in den Hinterhalt legen und ihn tödten. Jene aber sprachen: das ist ein guter Plan. Der König aber rüstete sich an eben diesem Tage nach der Stadt zu ziehen, und als er bis an jenen Fußsteig gekommen war, sprachen seine Ritter zu ihm: Herr es ist gut, diesen Fußweg einzuschlagen, denn er ist näher als die Landstraße. Der Kaiser aber dachte bei sich: der zweite Spruch war, ich solle nie die Heerstraße eines Fußsteiges wegen verlassen, ich will mich also an meinen Spruch halten: und er sprach zu seinen Rittern: ich bin nicht gesonnen die Heerstraße zu verlassen, Ihr aber, die Ihr den Fußsteig einschlagen wollt, könnt gehen und rüstet Alles für meine Ankunft zu. Jene aber gingen nun den Fußweg, und da sich die Feinde des Königs auf demselben befanden und meinten, daß der König unter jenen seyn müsse, so brachen sie Alle hervor und tödteten Alle, so viel ihrer dahin kamen. Wie das der König hörte, sprach er bei sich: Nunmehr hat mir auch der zweite Spruch das Leben gerettet! Wie nun jene sahen, daß sie ihn durch List nicht umbringen konnten, so verschworen sie sich unter einander, wie sie ihn auf andere Weise um's Leben bringen möchten, und sprachen unter sich: an dem und dem Tage wird er in dem Hause jenes Mannes bleiben, bei dem alle Edeln einkehren, weil keine andere Herberge für ihn da ist, wir wollen also für eine Geldsumme den Wirth und seine Frau bestechen, damit sie den Kaiser, wenn er auf seinem Bette liegt, ermorden. Jene aber entgegneten: der Plan ist gut. Wie nun der Kaiser in jene Stadt gekommen war, kehrte er in selbigem Hause ein, ließ also den Wirth zu sich rufen, allein als er ihn gesehn hatte, kam er ihm sehr alt vor und darum sprach er zu ihm: hast Du eine Frau? Und jener antwortete: allerdings o Herr. Darum sprach der Kaiser: zeige mir sie, und als er sie geschaut hatte, da kam sie ihm sehr jung vor und als könnte sie kaum achtzehn Jahr alt seyn. Darauf sprach er zu ihm: gehe Deiner Wege, denn ich will mein Nachtlager anderswo aufschlagen lassen und nicht hier bleiben. Jener aber entgegnete: sehr wohl, gnädiger Herr: allein Alles ist schon bereit gemacht und darum wird es nicht gut seyn anderwärts zu schlafen, weil in der ganzen Stadt kein besseres Wirthshaus als dieses ist. Jener aber entgegnete: ich sage Dir, daß ich anderwärts schlafen will. Alsbald brachte ihn sein Kämmerling weg und der Kaiser begab sich heimlich an einen andern Ort und sprach zu seinen Rittern: Ihr könnt hier bleiben, wenn Ihr wollt, kommt aber in der Frühe zu mir. Wie nun Alles schlief, da stand der Alte mit seiner Frau auf, weil dieselben für Geld gedungen waren, den Kaiser im Schlafe zu ermorden, und tödteten alle seine Ritter. Früh aber stand der Kaiser auf, und als er seine Ritter ermordet fand, sprach er in seinem Herzen: o weh, wenn ich hier mein Nachtlager genommen hätte, wäre ich jetzt todt, wie die Anderen: nun hat auch der dritte Spruch mir das Leben gerettet. Er ließ also den Alten mit seiner Frau und seiner ganzen Familie an den Galgen hängen und behielt, so lange er lebte, jene weisen Lehren bei sich und beschloß sein Leben im Wohlseyn.


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