Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenundsiebenzigstes Capitel.
Wie man nicht nach Reichthum jagen solle.

Es lebte einst ein König: der hatte zwei Töchter, die eine war sehr schön und flößte Allen Liebe ein, allein die andere war schwarz und Allen verhaßt. Wie nun der König sah, daß von seinen Töchtern die eine schön, die andere schwarz war, legte er ihnen Namen bei; die schöne Tochter hieß er Rosamunda, die schwarze aber Gratia Plena. Hierauf schickte er einen Herold durch sein ganzes Reich und ließ ausrufen, es könne ein Jeder zu ihm kommen, er wolle seine Töchter dem geben, der ihrer würdig wäre: wer aber die schöne Tochter zur Frau nähme, der solle mit ihr nichts als ihre Schönheit bekommen und wer die schwarze heirathen werde, der solle nach seinem Tode mit ihr sein ganzes Reich erhalten. Viele, welche das hörten, kamen an den königlichen Hof und wie sie beide Mädchen sahen, da liefen sie alle der schönen nach und verlangten sie zur Ehe. Da fing Gratia Plena, die schwarze Tochter, an bitterlich zu weinen und der König sprach zu ihr: meine Tochter, weshalb ist Deine Seele so traurig? Jene aber erwiederte: Zu mir kommt Niemand, der mich aufsuchte oder mit mir spräche, Alle laufen zu meiner Schwester und verachten mich. Darauf versetzte ihr Vater: o meine Tochter, weißt Du nicht, daß Alles, was ich besitze, Dein Eigenthum ist und daß, wer Dich heirathet, mein Reich bekommen wird? So wurde sie getröstet und hörte auf zu weinen. Nachdem kam ein gewisser König an den königlichen Hof, und da er die Schönheit der Rosamunda gewahr geworden war, verlangte er sie nur mit ihrer Schönheit zur Frau. Der König sagte ihm auch das Mädchen zu und vermählte sie ihm mit großem Vergnügen, die andere Tochter aber mußte viele Jahre warten, bis sie verheirathet wurde. Endlich dachte aber ein gewisser edelgeborener Herzog, der aber arm war, bei sich: wenn auch das Mädchen häßlich ist, wird doch der, welcher sie besitzt, der Herr dieses Reiches werden. Er machte sich also zum König auf und begehrte sie zum Weibe. Der König aber freuete sich, verlobte sie ihm mit Freuden und nach dem Tode desselben erhielt er das ganze Land als sein Eigenthum.


 << zurück weiter >>