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Zweites Capitel.
Vom Mitleiden.

Es gab einen König Titus, der unter Todesstrafe das Gesetz feststellte, es sollten die Söhne ihre Eltern ernähren. Es begab sich aber der Fall, daß zwei Brüder von einem Vater erzeugt worden waren. Einer von ihnen hatte einen Sohn und dieser sah seinen Onkel in Dürftigkeit: sogleich ernährte er ihn nach dem Gesetze gegen den Willen seines eigenen Vaters und darum verbannte ihn derselbe aus seiner Gesellschaft. Allein trotz dem hörte er nicht auf, seinen armen Onkel zu ernähren und ihm in Allem seine Nothdurft zu verschaffen. Nach diesem wurde sein Onkel reich und sein Vater fing an, Mangel zu leiden. Als dieses aber der Sohn sah, ernährte er seinen Vater trotz dem Verbote des Onkels. Darum wurde er aus der Gemeinschaft des Onkels gestoßen, indem dieser zu ihm sprach: Mein Theuerster, es ist Dir bekannt, daß ich einmal arm war, und Du mir wider Deines Vaters Willen in Allem das Nothwendige verschafft hast. Und darum habe ich Dich zu meinem Sohne und Erben genommen. Ein undankbarer Sohn erhält aber keine Erbschaft, sondern ein Adoptivsohn. So bist Du nun undankbar gewesen, da Du gegen mein Gebot Deinen Vater ernährt hast, also wirst Du mein Erbe nicht erhalten. Da antwortete der Sohn seinem Onkel: Niemand soll für das bestraft werden, was das Gesetz bestimmt und befiehlt. Nun aber treibt ein natürliches und geschriebenes Gesetz den Sohn, seinen Eltern in der Noth zu Hülfe zu kommen und dieselben am Meisten zu ehren. Darum werde ich mit Recht nicht von der Erbschaft ausgeschlossen werden dürfen.


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