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Achtundzwanzigstes Capitel.
Von der gottlosen List der alten Weiber.

Es gab eine Kaiserin, in deren Reich ein Kriegsmann lebte, der eine edle, keusche und ehrbare Frau hatte. Nun begab es sich aber daß dieser Ritter eine Reise zu machen hatte; allein vorher sprach er zu seinem Weibe: ich lasse keinen Wächter bei Dar, denn ich glaube, daß Du eines solchen nicht bedarfst. Hierauf rüstete er seine Begleitung aus und zog davon, seine Gattin aber blieb in ihrem keuschen Lebenswandel zu Hause. Nun begab es sich aber, daß sie sich von den Bitten einer ihrer Nachbarinnen bewegen ließ, in das Haus derselben zum Gastmahl zu kommen, und wie sie wieder in ihr eigenes zurückkehrte, erblickte sie ein junger Mann, begann sie mit heißer Brunst zu lieben und sandte viele Boten zu ihr, weil er mit gleicher Wärme von ihr geliebt zu werden begehrte. Sie aber wieß denselben zurück und verachtete ihn ganz und gar. Er aber, da er sich durchaus nicht beachtet sah, kränkte sich sehr und schwand dahin: dennoch ging er oft wieder nach ihr, allein er vermochte durchaus nichts zu erlangen, da ihn die Dame ganz und gar verachtete. Nun begab es sich aber, daß eines Tages der Jüngling traurig und bekümmert zur Kirche ging und ihm auf dem Wege eine alte Frau begegnete, die im Geruche der Heiligkeit stand. Als die den jungen Mann so traurig sah, befragte sie ihn um die Ursache so großen Kummers, er aber sprach: Was nützt es mir, Dir das zu erzählen? Jene aber versetzte: Du mußt Deine Wunde aufdecken, wenn Du die Hülfe des Arztes erwartest. Zeige mir also die Ursache Deines so großen Schmerzes an und mit Gottes Hülfe werde ich Dich heilen. Als das der Jüngling gehört hatte, entdeckte er ihr, wie er sich in jene Dame verliebt habe. Da sagte die Alte: gehe schnell in Dein Haus, ich will Dich binnen kurzer Zeit heilen. Als sie das gesprochen hatte, eilte der Jüngling nach Hause, die Alte aber kehrte gleichfalls in das ihrige zurück. Nun hatte die Alte eine gewisse kleine Hündin, welche sie zwei Tage lang zum Hungern nöthigte; am dritten Tage aber gab sie dem ausgehungerten Hündlein Senfbrod zu fressen; als dieses aber dasselbe verzehrt hatte, thränten wegen der Bitterkeit desselben seine Augen den ganzen Tag über. Hierauf begab sich die Alte mit der Hündin zu dem Hause der Dame, welche der Jüngling so sehr liebte, und wurde sogleich, weil sie für eine Heilige geachtet wurde, mit großen Ehrenbezeigungen ausgenommen. Während sie nun aber einander gegenüber saßen, da sah die Dame den weinenden Hund, wunderte sich sehr und fragte nach der Ursache dieser Erscheinung. Da sprach die Alte: O theuerste Freundin, wollet mich nicht fragen, weswegen er weint und einen so großen Schmerz empfindet, den ich Dir kaum mittheilen kann. Die Dame aber forschte immer mehr und dringender, auf daß sie es sagen möchte. Da sprach die Alte zu ihr: Diese Hündin war meine gar zu züchtige und ehrbare Tochter, in welche sich einst ein Jüngling sterblich verliebt hatte: sie war aber so keusch, daß sie seine Liebe ganz und gar zurückwieß, weshalb der Jüngling, der sich gar zu sehr darüber betrübte, vor Schmerz starb und für diese ihre Schuld hat nun Gott meine Tochter in das Hündlein verwandelt, welches Du hier vor Dir siehst. Als die Alte so gesprochen hatte, fing sie an zu weinen und sagte: so oft nun meine Tochter sich erinnert, was für ein schönes Mädchen sie war, so oft weint auch das Hündlein und läßt sich durch nichts trösten: ja sie reitzt Alle vor gar zu heftigem Schmerz zum Weinen. Als das die Dame hörte, dachte sie bei sich: o weh mir, mich liebt auf ähnliche Weise ein Jüngling und ist krank aus Liebe zu mir: und so erzählte sie den ganzen Hergang der Sache der Alten. Als die das gehört hatte, sprach sie: O liebste Frau, wollet nicht die Liebe des Jünglings von Euch weisen, damit nicht auch Ihr vielleicht in eine Hündin verwandelt werdet, wie meine Tochter, was ein unersetzlicher Schaden wäre. Nun sprach die Dame zu der Alten: O gute Frau, gebt mir einen guten Rath, auf daß ich nicht eine Hündin werde. Sie aber sprach: Schicket sogleich nach jenem Jüngling und thut ihm ohne weitern Aufschub seinen Willen. Aber jene versetzte: ich bitte Euere Heiligkeit, Ihr wollet Euch zu ihm aufmachen und ihn hierher mit Euch bringen, denn es könnte ein Aufsehen werden, wenn ein Anderer zu ihm ginge. Hierauf erwiederte die Alte: ich habe Mitleid mit Dir und will ihn gern hierher führen. Sie machte sich also auf den Weg, brachte den Jüngling mit und dieser schlief bei der Dame. Und also beging die Frau der Alten wegen einen Ehebruch.


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