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Siebentes Capitel.
Von dem Neide der Bösen gegen die Guten.

Es gab einen König Diocletianus, in dessen Reiche ein gewisser adliger Krieger war, der zwei Söhne hatte, welche er sehr liebte. Der jüngere Sohn nahm wider den Willen des Vaters eine Buhlerin zur Frau, und als dieß der Vater gehört hatte, ward er sehr traurig und verbannte ihn aus seinem Umgange. Als der nun so fortgejagt war, gerieth er in großes Elend. Indessen erzeugte er mit seiner Frau, der Buhlerin, einen schönen Sohn, kam aber in die äußerste Dürftigkeit. Da sandte er einen Boten an seinen Vater, auf daß er Erbarmen mit ihm hätte. Als aber sein Vater von seinem Elende gehört hatte, wurde sein Inneres tief bewegt, er erbarmte sich seiner und söhnte sich mit ihm aus. Der aber empfahl dem versöhnten Vater den Sohn, welchen er von seiner Frau, der Buhlerin, bekommen hatte, und der Vater erzog diesen wie seinen eigenen Sohn. Als dieß der ältere Bruder hörte, ward er unwillig und sprach zu seinem Vater: Du hast Deinen Verstand verloren, ich will Dir das durch folgenden Grund beweisen. Der ist verrückt, welcher einen Sohn zum Erben annimmt und ernährt, der ihm eine große Beleidigung zugefügt hat. Mein Bruder aber, der jenen Knaben gezeugt hat, hat Dir eine große Beleidigung angethan, da er gegen Dein Gebot eine Buhlerin geheirathet hat. Darum scheinst Du mir wahnsinnig, da Du seinen Sohn ernährst und ihm Verzeihung gewährt hast. Darauf erwiderte der Vater: Mein Sohn! Dein Bruder ist von mir wieder zu Gnaden angenommen worden wegen der großen Zerknirschung, die er gezeigt hat, und um der Bitten Anderer willen. Darum muß ich seinen Sohn mehr lieben, denn Dich. Auf diese Weise hast Du öfters gegen mich gefehlt, aber Dich nie mit mir ausgesöhnt und Deine Schuld demüthig erkennen wollen. Nun bist Du aber auch feindselig gegen Deinen Bruder, da Du ihn aus meiner Gesellschaft verbannen möchtest, da Du doch vielmehr Dich freuen solltest, weil er mit mir wieder ausgesöhnt ist. Und weil Du so feindselig bist, sollst Du mein Erbe nicht erhalten und dasjenige, welches Du hättest empfangen sollen, wird Dein Bruder bekommen. Und also geschah es.


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