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Hundertstes Capitel.
Daß Christus den Sünder nicht gleich nach Verdienst verstößt, sondern mit Langmuth seine Buße erwartet.

Einst lebte ein Kaiser Diocletianus, der ein Gesetz gab, daß, dafern eine Frau ihrem Manne untreu geworden sey, sie des Todes sterben müsse. Nun begab sich aber der Fall, daß ein gewisser Ritter ein Mädchen zur Frau nahm und mit ihr einen Sohn zeugte. Dieser wuchs heran und wurde von Allen geliebt. Nachher aber zog sein Vater in einen Krieg und kämpfte männiglich darin, verlor aber seinen rechten Arm, während der Zeit seiner Abwesenheit aber brach seine Frau ihm ihre Treue, und als der Mann zurück kam, fand er sich von seiner Frau betrogen. Da nun dem Gesetz zufolge der Mann sie tödten mußte, so berief er seinen Sohn zu sich und sprach: mein lieber Sohn, Deine Mutter hat ihre ehelichen Pflichten verletzt, sie sollte also dem Gesetze gemäß durch mich sterben, allein ich habe meinen Arm eingebüßt, und darum werde ich sie nicht tödten können: demnach befehle ich Dir, sie zu tödten. Darauf entgegnete ihm sein Sohn: das Gesetz gebeut, seine Eltern in Ehren zu halten, so ich also meine eigene Mutter tödten müßte, würde ich gegen das Gesetz handeln und mir den Fluch meiner Mutter zuziehen: ich will Dir also in diesem Stücke nicht gehorchen. Also entging das Weib durch ihren Sohn dem Tode.


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