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XVIII. Der Aufstieg

Das bevorstehende Ereignis – Onkel Karls Aufstieg mit der Flugmaschine – hatte alles andere in den Hintergrund gedrängt. Man sprach in den Kaufmannsläden, Grünkramkellern, Destillationen und Zigarrengeschäften der Potsdamer Vorstadt nicht einmal mehr von der überraschenden Verlobung des jungen Lemke, die zu andern Zeiten doch unerschöpflichen Stoff geliefert hätte. Nein – Joldelse allein schon, dieses sonst wenig beachtete Geschöpf, war imstande, bei seinem bloßen Erscheinen in den Straßen stets eine viel größere Sensation zu erregen.

Es lag zum Teil auch daran, daß Onkel Karl, von der Ansicht ausgehend, daß Brieftauben bestimmte Abzeichen trügen, – Joldelse signiert hatte. Der Rest der schönen, leuchtenden blauen Farbe, mit der die Gondel der Flugmaschine angestrichen, war dazu benutzt worden, auf Joldelses Fell die Aufschrift »Flughund Nr. 1« und die genaue Adresse Onkel Karls anzubringen. Jedermann bemühte sich, diese Inschrift zu entziffern, nur die Hunde, die doch sonst stets das größte Interesse für Joldelse gezeigt, gingen ihr, als sei sie verfehmt, scheu aus dem Wege, und ihr Widerwille steigerte sich noch, als Onkel Karl zu guter Letzt über Joldelses Schwanzwurzel, gleichsam als Krönung des Ganzen, einen blauen Totenkopf anbrachte.

Nur einer hielt sich reserviert und vornehm bei der ganzen Geschichte im Hintergrund: Herr Hans Zillman. Versuchte jemand seine Ansicht zu erfahren, bekam er stets nur die kühle, gemessene Antwort: »Bedauere sehr, ich habe mit der Angelegenheit nichts zu tun, halte den Aufstieg für verfrüht und lehne jede Verantwortung ab!«

Auch unter den Besitzern der Anteilscheine gab es zwei Parteien, und gestern, am Vorabend des Ereignisses, hatte lebhaftes Angebot und lebhafte Nachfrage geherrscht. Viele hatten ihre Scheine zur Hälfte des ausgeschriebenen Wertes verkauft, um sie los zu sein, andere hingegen hatten – um nur möglichst viel davon zu besitzen, jeden Preis dafür gezahlt. Und es war erfreulich, zu sehen, daß die Nachfrage zumeist von den ehemaligen Mitgliedern des Vereins »Blaue Kaffeetiete« ausging – nur Onkel August, der diesem Verein doch auch einmal angehörte, hatte eine unrühmliche Ausnahme gemacht und seinen Schein mit Gewinn verkauft.

Im Morgengrauen war dann Onkel Karl heute früh schon in einer bestellten Droschke nach Charlottenburg gefahren. »Ick muß doch den Transport von die Flujmaschine nach Jrinau bewachen, denn könnt ihr eich die Blamasche ausdenken, wenn da wat in'n letzten Ojenblick passierte und ick nich hochjinge? Und wat jlobt ihr woll, wie lange der Möbelwajen von Schlorrendorf nach Jrinau fährt? Wer weeß, ob ick ibahaupt schon da bin, wenn ihr längst draußen seid!«

»Haste dir ooch 'n paar warme Untahosen anjezojen, Karrel,« fragte Frau Lemke besorgt, »wer weeß, ob's da oben nich mächtij kalt is!«

»Untahosen?« Onkel schüttelte überlegen den Kopf. »Wat soll ick denn mit Untahosen? Meenen Schwimmanzuj knöpp' ick mir drunter, denn wer weiß, ob ick mir mit den Fallschirm nich in't Wasser lassen muß!«

Frühaufsteher, die unterwegs gewesen war, berichteten dann später, daß sie den Transport gesehen hätten. Der Möbelwagen mit der Maschine wäre voran und Onkel Karl in seiner Droschke hierher gefahren. Die Pferde seien im Schritt gegangen, wie bei einem Begräbnis, und Joldelse hätte neben dem Droschkenkutscher auf dem Bock sitzen müssen, weil ihre Inschrift, die Onkel Karl noch einmal aufgefrischt, abgefärbt hatte. »An den Kutscher seen'n blauen Mantel seht man det nich so, wie bei mia, wenn se sich abwischt«, hatte Onkel einem Bekannten noch erklärt. Und dieser Mann konnte auch etwas über die Stimmung der Expeditionsmitglieder aussagen: Onkel hätte einen heiter-wehmütigen und etwas weltentrückten Eindruck gemacht, Joldelse dagegen wäre ihm »direkt unheimlich« vorgekommen. »Sie ahnt vielleicht, det sie een Opfer der Wissenschaft wird,« fügte der Berichterstatter aus Eigenem hinzu, »Hunde sind ja sonne schlauen Luda!«

Wie ernst Onkel Karl die Situation beurteilte, wie er sich völlig darüber im klaren war, welchen Gefahren er entgegenging, konnte dann Frau Lemke, die in Onkels Stube nachsah, ob er auch nichts vergessen – der Aufschrift eines großen, schwarzgeränderten Kuverts entnehmen, das auf seinem Tische lag: »Mein letzter Wille!!! Nur nach meinem Tode zu öffnen!!!« stand darauf mit festen, männlichen Zügen.

Frau Lemke wurde ein wenig wehmütig. »Arma Mensch,« sagte sie, »er hätt' et nich nötij jehabt, er hätte sich mit den selbstafundenen Patentkitt bejniejen können. Aber er hatte von kleenuff 'ne Anlaje zu'n Jrößenwahnsinn, und in die letzte Zeit war er wirklich schon ibakandidelt. Wejen die arme Joldelse hätte ick mia am liebsten an den deitschen Tierschutzverein jewendet!«

Und ihre Gedanken schweiften weiter – sie überlegte, daß – wenn Onkel Karl erst tot sei – endlich einmal in seiner Stube gründlich reinegemacht werden könnte. »Jott und Vata, wat wird da hinta die Spinde nich allet zu'n Vorschein kommen!« dachte sie seufzend und nahm aus der Ofenecke ein Spinngewebe ab. – – – – – – –

Eine leichte Brise kräuselte den Spiegel des Langen Sees – die Grünauer Dahmelandschaft lag im blanken Sonnenschein. Auf den festlich dekorierten Tribünen harrte eine vieltausendköpfige Menge. Endlich fiel der rote Signalball auf dem Müggelturm, und aller Gläser richteten sich nach der »Bammelecke«, wo die ersten Boote auftauchten: Die Regatta hatte begonnen.

Dann ging es wie ein Ruck durch die Menge, die schneeweiße Jacht des Kaisers kam in Sicht, und auf der Ministertribüne entstand nervöse Bewegung.

Nicht minder aufgeregt ging es indessen auf dem freien Platz am jenseitigen Ufer zu. In weitem Halbkreis standen dort – alle in schwarzen Röcken und mit Zylinderhüten – die Mitglieder des Gesangvereins »Blaue Kaffeetiete«. Auf dem grünen Möbelwagen, der die Flugmaschine hergebracht, saßen Herr und Frau Lemke und Fräulein Lieschen, die nervös und unruhig ihren Bräutigam beobachtete, der mit Edwin und dessen Braut ein wenig abseits stand und sich über Krauses unterhielt. Tante Marie suchte Tante Liese zu beruhigen, die sich darüber aufregte, daß sich Onkel August die Jacke ausgezogen hatte und nach Ansicht seiner Frau »zu'n Schkandal« herumlief.

Im Vordergrunde war Onkel Karl beschäftigt. Er hatte, ehe die Gesellschaft eingetroffen war, ein Stück des Platzes durch Waschleinen für sich abgesperrt, in bestimmten Zwischenräumen kleine Fahnen und Flaggen und eine Tafel angebracht, deren Inschrift das Betreten des Platzes wegen Lebensgefahr streng verbot.

Dicht am Ufer, neben der Flugmaschine, saß Joldelse und starrte gen Himmel. »Se paßt uff's Wetta uff,« sagte Tante Marie, »Karrel soll sich man lieber 'n Rejenschirm mitnehmen, man kann nie wissen, wenn ooch jetzt noch die Sonne scheint!«

»Jeht's denn noch nich bald los?« schrie Onkel August zu Onkel Karl hinüber.

»Jleich!« schallte die Antwort. Und dann sah man, wie Onkel die Ledermütze, die er bisher bei seiner Beschäftigung an der Flugmaschine getragen, mit einem Zylinder vertauschte, sich den Rock zuknöpfte und zu den Vereinsmitgliedern trat.

Einige leise gewechselte Worte, dann das Anklingen einer Stimmgabel, und nun Onkel Karls Stimme, die das »A–a–a–a–« lauter wiedergab.

»Se singen erst, det is scheen«, hörte man Tante Marie in der feierlichen Stille sagen. Dann begann der Chor mit einer kleinen Variation des Textes:

»Heu–te muß ich fort von hia ...
U–hu–hund muß A–bschied neh'men.«

Tante Marie begann plötzlich laut zu weinen und wurde von Edwins Braut abseits geführt.

»Et is furchtbar riehrend,« sagte auch Tante Liese, »als wenn sich eena labendig vabrennen lassen will. Ick hör' et zu jerne!«

»Schscht« – machte Onkel August, dem der Gesang sehr gut gefiel.

»Nehm mal eena die Joldelse wej«, rief Frau Lemke dazwischen. Dem Tier war es offenbar zu einsam bei der Flugmaschine gewesen, nun war es zögernd nähergekommen, wobei sich der Fallschirm auf seinem Rücken geöffnet hatte. Leise winselnd suchte es sich die Last an Onkel Karls Hosenbein abzustreifen. Eine Zeitlang ließ er es sich gefallen, um sich beim Dirigieren nicht zu unterbrechen, dann aber bückte er sich plötzlich und gab Joldelse einen Klaps.

Erschrocken wollte der Hund davonlaufen, wurde aber von dem Fallschirm etwas gehoben und schwebte – wie ein Kolkrabe, der sich niederlassen will – ein Stück in der Luft, bis er wieder Boden unter die Füße bekam und sich resigniert setzte.

Der letzte Vers war verklungen. Da hörte man Onkel Karls Stimme:

»Hochjeehrte Vasammlung!«

Onkel August griff unwillkürlich nach seinem Zylinder, nahm ihn ab und hielt sich die Öffnung vor die Nese wie bei einem Begräbnis.

Da Onkel Karl aber nicht weitersprach, blickte August aus seiner Höhlung auf und sah nun, wie ihm Onkel Karl durch Kopfschütteln andeutete, er möge sich wieder bedecken. Auch einige andere Mitglieder, die schon im Begriff gewesen waren, die Hüte abzunehmen, angesteckt durch das gute Beispiel, taten jetzt so, als hätten sie sich ihre Kopfbedeckungen nur fester aufsetzen wollen.

Onkel Karl begann nochmals:

»Hochjeehrte Anwesende,
meene Damen und Herren!

Wenn mia eena in meene Jugend jesajt hätte, det ick eenmal speta det lenkbare Luftschiff afinden würde, hätte ick ihn woll selbst for nich janz normal akleert, abschon et mia zuzutrauen war, nachdem ick vorher schon den Patentkitt afunden jehabt hatte. Heite hab' ick Ihn'n nu so zahlreich vasammelt, weil et mia keene Ruhe mehr läßt, det mia einije von Ihn'n for einen Schwindla halten. Allet können Se zu mia sajen: Quatschkopp – Dussel – Keesekopp – ick wirde et mit die jrößte Jelassenheit atragen, obzwar ick et keenen jeraten haben möchte. Wenn mia eena aba for eenen Schwindla hält, denn is aus! Denn muß wat jeschehen, denn muß ick mia rehabilitieren, mit eenen Wort: Wejfliejen! Ick saje Ihnen also adje, – machen Se't jut, leben Se so wohl als auch!«

Onkel Karl schwieg. Hinter einer Kiefer hörte man Tante Maries mühsam unterdrücktes Schluchzen: »Du bist immer so jut jewesen!«

»Weene nich, Marie,« sagte Onkel Karl, »et is for die jesamte Menschheit. Wie ville haben sich schon jeopfert – ick bin nich der erste!«

Und dann kommandierte er mit Stentorstimme: »Zaricktreten – meene Herrschaften – der Momang is da – et jeht los!«

Die Knie durchgedrückt, in strammer Haltung, trat er an die Flugmaschine und rückte an einem Hebel. Sofort begann der Motor zu arbeiten, das Gestell erzitterte, es ratterte und knatterte. Onkel Karl packte Joldelse und setzte sie in die Gondel aus Bambusrohr. Dann – das rechte Bein schon zum Einsteigen erhoben – rückte er an einem zweiten Hebel. Noch stärker begann das Gestell zu erzittern, der Motor zischte und fauchte, dann machte er: »Rrrquixppp–tuff!«

Onkel Karl drehte sich um und sah die Gesellschaft triumphierend an.

Und wieder rückte er an dem Hebel, und wieder antwortete der Motor: »Rrrquixppp–muckebicke–muckebicke– muckebicke!«

»Sehr jut –« lobte Onkel, zog seinen Kompaß und orientierte sich über die Himmelsrichtung; dann spuckte er sich auf den Zeigefinger, hielt ihn hoch, um zu erkennen, von welcher Seite der Wind komme, und schwang sich entschlossen in die Gondel. Dort entrollte er eine kleine rote Fahne, begann sie zu schwenken und rückte an einem dritten Hebel.

Da machte der Motor plötzlich Unheil drohend: »Quarx–quarx!«

Mit einem Satz war Onkel Karl aus der Gondel und drehte den Hahn eines Ventils, aus dem sofort zischend ein weißer Dampf ausströmte.

»Steij in!« schrie Onkel August in höchster Erregung.

Onkel Karl wandte sich gelassen um und sagte: »Ick bin doch keen Affe – wo werd' ick denn insteijen, wenn det Dreck nich funkschoniert!«

»Et funkschoniert doch – hörste denn nich!« schrie August zurück.

»Na, denn steij doch in – mit deene jroße Schnauze – ick werd' mir doch nich unjlicklich machen for nischt und wieder nischt«, setzte Onkel Karl hinzu.

»Denn nimm wenigstens Joldelse raus –« rief nun auch Frau Lemke in der allgemeinen Aufregung.

»Jeb mia ma eena eenen Stock mit 'ne Kricke, det ick ihr angele,« sagte Onkel Karl, »man kann ja nich mehr so dichte ranjehen, det Ding kann jeden Ojenblick explodieren!«

Onkel August, der sich wie ein Verrückter gebärdete, schleuderte ihm in höchster Wut seinen Stock zu.

Die Hand vor den Augen, halb abgewandt, suchte Onkel Karl den Hund zu fassen: »Wirste raus – kommste her!«

In diesem Augenblick geschah etwas, das niemand erwartet hatte: Die Flugmaschine drehte sich wirbelnd im Kreise, begann – so daß die ganze Versammlung entsetzt auseinanderstob – immer größere Kurven zu beschreiben und erhob sich in die Luft.

Im letzten Augenblick hatte Onkel Karl ein herunterhängendes Seil erfaßt, war ein Stück mit in die Höhe gerissen worden und dann zu Boden gefallen.

Nun hatte er sich aufgerappelt und starrte gleich den übrigen der Flugmaschine nach. »Se jeht wahrhaftij – und wie se jeht,« sagte er voll Bewunderung, »die kriejen wia nich mehr wieder – keen Jedanke!«

Auch drüben, am jenseitigen Ufer, hatte der Aufstieg die Aufmerksamkeit von den Booten abgelenkt, die Gläser richteten sich in die Luft – man wies erregt in die Höhe.

Gerade, als die Flugmaschine mitten über dem See war, löste sich etwas von der Gondel ab. Es sah aus wie ein großes Semikolon, das in rasender Schnelligkeit senkrecht niedersauste.

»Joldelse –« sagte Onkel Karl entsetzt – »se hat den Absprung riskiert, aber der Fallschirm vasajt!«

Und dann – man konnte es deutlich sehen – folgte das Aufschlagen auf die Wasserfläche, und Joldelse ging wie ein Stein unter.

»Det is nu schon der zweete Hund, der sein Leben for mia läßt,« sagte Onkel Karl tief erschüttert. – »Se hat mia jezeigt, wie't mia ooch hätte erjehen können, wenn ick mitjefahren wäre!«

Als er sich Anteilnahme heischend umsah, begegnete er Hans Zillmanns feindseligem Blick.

»Wat is denn?« fragte Onkel herausfordernd.

»Sie sind –« Zillmann redete ihn wieder mit »Sie« an – »Sie sind natürlich für den Schaden, den Sie angerichtet, allein verantwortlich und ersatzpflichtig!«

Onkel blickte, ohne ihm zu antworten, der Flugmaschine nach, die jetzt, als schwarzes Pünktchen, in den Wolken verschwand: »Die jeht –« sagte er, sich zu der übrigen Gesellschaft wendend – »die jeht direkt nach'n Mars, wenn da oben nu wirklich menschliche Wesen leben, denn können se ja die Flujmaschine als Retuhrkutsche benutzen und zu uns 'n kleenen Abstecha machen. Meene Adresse steht dran – wenn't also eenes scheenen Tajes kloppt oder klingelt und so'n Marsfritze draußen vor die Tiere steht, denn ruft mia, det ick mit ihn vahandle. Schade man bloß, det ick den Möbelwajen so lange habe warten lassen, wenn ick det jeahnt, hätte ick ihn jleich zurückschicken können!«

Allmählich löste sich das Entsetzen und die Spannung, in der die übrige Gesellschaft – wie gelähmt – bisher dagestanden hatte.

Onkel Karl hielt den Augenblick für so günstig, um den Vorschlag zu machen, ein schönes Lied zu singen, aber er fand keine Gegenliebe, im Gegenteil, er stieß auf eisige Ablehnung, ja sogar offenkundige Verachtung.

»Denn nich,« sagte er, »denn laßt ihr't bleiben. Ooch der heitje Taj wird speta in die Jeschichte der Luftschiffahrt vazeichnet werden. Meen Verdienst is's, nich nur die Alljemeenheit, son'nern ooch« – er wies nach dem jenseitigen Ufer auf die Ministertribüne – »die Uffmerksamkeit der allahöchsten Kreise uff die Flujmaschine jelenkt zu haben. Die Leite – die werden sich schon nach mia akundjen kommen – meene Adresse steht ja uff Joldelse druff – wenn se wieda hochkommt!«

Dann ging er zu dem Kutscher des Möbelwagens, bezahlte, was der Mann forderte, nahm seine Stimmgabel aus der Westentasche und schlug sie an. Leise das » A« vor sich hinsummend, schritt er dem Walde zu und als er die ersten Kiefern hinter sich hatte, stimmte er für sich allein sein Lob- und Danklied an:

»Froh und frei – froh und frei
Ziehe ick dahin,
Leicht is meen Jepäck und leicht is ooch meen Sinn!«

schallte es zu der verdutzten Gesellschaft herüber, die immer noch hoffte, er werde wieder umdrehen und zurückkommen.

»Laß ihn man loofen,« sagte Frau Lemke, »det war ja nich an'ners zu awarten – oda habt ihr wirklich jejloobt, der wird mit die Flujmaschine hochjehen? Nu wollen wia man sehen, det wia ooch za Hause kommen, det is det allaschwierijste jetz bei die ibafillten Züje!«

Ja – Frau Lemke hatte recht gehabt – die Rückfahrt mit der Eisenbahn war fürchterlich. Die ganze Gesellschaft saß zersprengt in den einzelnen Abteilungen, und keiner fand Gelegenheit, sich auszusprechen, die Ansicht des andern zu hören.

So hingen alle ihren trübseligen Gedanken allein nach. Merkwürdig, daß trotz des schmählichen Abganges, den Onkel Karl genommen, niemand ihm wirklich zürnte. Die meisten waren sogar froh, daß er noch unter den Lebenden weilte, »denn et wäre,« wie Frau Lemke dachte, »eijentlich recht schade um ihn jewesen, wenn er nu, statt die arme Joldelse, tot uff'n Jrund läje!«

Als sich die Gesellschaft dann in Berlin auf dem Bahnhofe wieder zusammenfand und sich verabschiedete, schien es, als wären alle zu demselben Resultat gekommen: Daß der heutige Tag nicht nur in der Geschichte der Luftschiffahrt bedeutungsvoll gewesen, nein – daß er gewiß auch einschneidende Veränderungen in ihren Beziehungen zueinander bringen werde.

Das aber sollte die Zukunft lehren.


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