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XV. Krach

»Det is die Flujmaschine also?« sagte Onkel August und starrte gleich den andern höchst verblüfft ein geheimnisvolles Etwas an, das hinter einem hochgezogenen Vorhang zum Vorschein gekommen war.

»Wenn se dia nich jefällt«, sagte Onkel Karl, denn jieb deinen Anteilschein 'raus, und du kriejst deen Jeld sofort retuhr. For eenen Afinda sind die sojenannten Vawandten die Allaschlimmsten.«

»Na fliej' doch mal mit!« sagte Onkel August.

»Jeh' nich so dichte ran«, sagte Onkel Karl, rückte gelassen an einem Hebel, und sofort begann der Motor zu zischen und zu hämmern.

Alle wichen erschrocken zurück.

»Wenn eena von die Herren Lust hat, seen Leben zu riskieren, denn soll er insteijen! Det Dach von den Schuppen wird uffjeklappt, und denn kann die Fahrt losjehen. wie er aba wieda runtakommt, is seene Sache, ruff jeht det Dings, aba noch nich runta. Du kannstet ja aba mal riskieren, Aujust, ick jeb dia 'n Fallschirm mit. Wenn dia der Motor aba wejfliejt, mußt du for den Schaden uffkommen!«

»Wozu is denn det hia« – suchte Onkel August das Gespräch abzulenken.

»Da is de Spirale drinnen, die den Motor die Kraft jiebt, sozusagen det Ei in die Bulljong!«

»Ach so –« sagte Onkel August, als habe er die Sache nun erst vollständig begriffen.

Hans Zillmann hatte sich während der ganzen Zeit etwas im Hintergrunde gehalten und Onkel Karl das Terrain vollständig überlassen. Nun trat er vor, schwang sich auf einen Stuhl und sagte mit seiner gelassenen, ruhigen Stimme: »Nachdem also die Herren einen Einblick in unsere Tätigkeit genommen haben, erlaube ich mir heute schon den Hinweis, daß wir demnächst Gelegenheit nehmen werden, die Lenkbarkeit unserer Flugmaschine zu beweisen.«

»Ja –« sagte Onkel Karl, ebenfalls auf einen Stuhl steigend, »et kommt druff an, die weitesten Kreise for det Unternehmen zu bejeistern, denn wir brauchen noch ville mehr Jeld. Darum soll et mir nich druff ankommen, meen Leben uff't Spiel zu setzen, ick jehe freidij in'n Tod!«

»Det wirste nich«, sagte Onkel August, in dem sich verwandtschaftliche Gefühle zu regen begannen.

»Det werd ick doch« – sagte Onkel Karl, durch den Einwand hitzig werdend. »Meene Herren, ick kann Sie nich die tiefe Entteischung vaberjen, det der jroße Jeneralstab heite hia nich aschienen is – nu machen wir's ohne ihn, jawoll, nu soll er uns nachloofen. Ick werde et durchsetzen, det man sich in die höchsten Kreise for unse Flujmaschine intressiert. Und dadrum saje ick: Wenn heite iber vierzehn Taje die Rudarejatta in Irinau is, denn werd' ick mit die Flujmaschine antreten und iber det Janze hinschweben. Dadruff jeb ick heite schon meen Ehrenwort!«

Hans Zillmann hatte versucht, Onkel Karl zu unterbrechen – vergeblich, denn der hatte ihn überschrien und sich wie ein Fanatiker gebärdet. Da war Hans Zillmann achselzuckend von seinem Stuhl gestiegen, hatte sich eine Zigarette angezündet und sah nun der Weiterentwicklung der Versammlung mit höhnischem Lächeln zu.

Onkel August war zu Onkel Karl getreten, hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt und sprach eindringlich zu ihm, offenbar wollte er ihn von seinem tollkühnen Vorhaben abbringen. Auch die Vereinsmitglieder protestierten – aber Onkel Karl stemmte sich wie ein eigensinniger Ziegenbock gegen jedes vernünftige Zureden.

»Wat ick jesajt hab', ha'ick jesajt, und wenn ick meen Ehrenwort jejeben, denn muß ick's ooch halten, sonst kann ick mia uffhängen. Ick hab' mir die janze Zeit iber jeärgert, denn ick hab' et wohl jemorken, det einje von eich die janze Sache als Schwindel uffassen. Wenn ihr mia mit zerschmetterte Jlieder uffheben werdet, denn sollt ihr wenijstens merken, det ick dran jejlobt habe!«

»Wia jloben dia ja« – schrie ihn Onkel August schließlich ganz ärgerlich an.

»Ja for hundert Ems – 'n Anteilschein for tausend kooft sich keena«, sagte Onkel Karl bitter.

»Det kannste ooch von keenen von uns valangen«, sagte Onkel August, »wia haben alle Familje und – –«

»Schon jut«, sagte Onkel Karl eifrig. »Also, ick fordere hiadurch die Herren uff, sich iba vierzehn Tage in Irinau bei die Rudarejatta inzufinden, denn heeßt's dort: Fortsetzung folgt.«

Als die Mitglieder des äronautischen Vereins dann später gegangen waren, hatte es eine scharfe Auseinandersetzung zwischen Hans Zillmann und Onkel Karl gegeben.

»Det hat mia ja bloß gefehlt,« sagte Onkel Karl, »nach deene Meinung rujeniere ick also det Untanehmen und mache et lächerlich? Na ja – et jibt ja vaschiedene Uffassungen! Meen Instinkt sajt mia, det wat zu jeschehen hat, die Leite valangen wat for ihr Jeld ...«

»Jedenfalls lehne ich die Verantwortung für das, was du da planst, ab. Ich kann dich ja nicht hindern, denn du hast, leider Gottes, laut des zwischen uns geschlossenen Vertrages, das Recht, in dieser Weise vorzugehen – aber, wie gesagt, ich bedauere es, daß du dich zu diesen Erklärungen hast fortreißen lassen!«

»Scheen – sonst noch wat jefällij?« sagte Onkel Karl erregt.

Hans Zillmann hielt es nicht für notwendig, auch nur ein Wort darauf zu erwidern, sondern zog sich, ein wenig umständlich, die Handschuhe an, setzte den Zylinder auf, tippte mit dem Finger an die Krempe und ging – das Spazierstöckchen schwingend – gelassenen Schrittes davon.

»Feijling!« sagte Onkel Karl, ihm erbittert nachsehend, »du hast mia die Suppe injebrockt, aba warte man, du sollst se mitessen!«

Und dann zog er sich den Frack aus, kleidete sich um und fuhr heim. »Wenn ick nua nich jar so ville in'n Kopp hätte«, dachte er niedergeschlagen. »Ick muß doch ooch mit Edwin sprechen – so jeht die Jeschichte doch nich weita.«

Als er in seine Stube kam, sprang Joldelse winselnd vor Freude an ihm hoch und er streichelte ihr gerührt den Kopf und sagte: »Ja – ja – ick opfere mia – wer weeß, wie lange du noch deen jutet Herrchen hast – wat soll denn kinftij aus deene Jungen werden!«

Er vertauschte die engen Stiefel mit ein paar bequemen Schuhen und stieg dann die Hintertreppe zur Lemkeschen Wohnung hinauf.

Minna, das Dienstmädchen, öffnete ihm und sah ihn verwundert an.

»Dette dia die Kalbsoojen nich abjewöhnen kannst,« sagte Onkel Karl verdrießlich. »Is Edwin za Hause?«

»Der junge Herr is in seen Zimma«, sagte Minna. Die Begierde, Onkel etwas mitzuteilen, war so groß, daß sie sich durch die Bemerkung über ihre Augen gar nicht beleidigt fühlte.

»Et hat furchtbaren Krach jejeben,« sagte sie.

»Häh?« machte Onkel Karl und blieb stehen, »Krach – woso?«

»Na –!« Minna schwenkte die Hand, als könne sie das gar nicht erzählen.

»Denn fang doch nich erst an – wer hat denn den Krach jemacht?«

»Alle – erst Frau Lemke, denn Herr Lemke, denn Herr Edwin, denn Fräulein Liesken!«

»So?«

»Ja!«

»Na – wat haben se denn zun Bleistift so jesajt?«

»Ick jlobe, et war wejen die Hausschneidern,« sagte Minna, »ick konnte doch nich beistehen, Frau Lemke jajte mia ja jleich raus in die Kiche?«

»Wejen die Hausschneidern – wat is denn mit die?«

»Die is doch jestern und heite nich jekommen!« sagte Minna triumphierend.

»Ach!« machte Onkel Karl. »Und wa'm is se denn nich jekommen?«

»Is doch wat los mit sie!«

»Ach!«

»Ja, und da is Freilein Liesken in Wut bei ihr hinjefahren, denn ihre Aussteia wird doch nich fertij!«

»Na und da?«

»Na – und wie se zurückjekommen is, is se bei ihre Mutta jejangen, und hat sie wat azehlt und da is Frau Lemke furchtbar wietend jeworden!«

»Nee!«

»Ja! Und denn is Herr Lemke zujekommen und denn sind se beede bei den jungen Herrn rinjejangen, und da hat der Krach noch mal janz von vorne anjefangt. Aba ick hab' nischt vastanden, denn die Tiere war zu!«

»Wat jeht denn aba Edwin die Jeschichte an?«

Minna begann zu kichern. »Können Se sich det wirklich nich denken?«

»Nee!«

»Se sind doch aberst sonst so schlau!«

»Bin ick sonst so schlau? – watte nich sajst,« Onkel sah Minna verächtlich an. »Nu laß dia man nischt anbrennen,« sagte er, »uff wat anners als die Kochtöppe broochste ja nich uffzupassen, denn mit die Fisasche und det Korpus delekti bist du aus alle Nöte!«

Minna sah ihn verblüfft an, offenbar im Zweifel, wie sie die Bemerkung aufzufassen habe.

»Der junge Herr hat sich injeschlossen,« sagte sie »er macht keen'n uff!«

»Det finde ick sehr bejreiflich, er ahnt wahrscheinlich, det ick ooch noch een Hühnchen mit ihn zu flicken habe. Aba det eilt ja nu ja nich mehr so, ick seh ja, die Sache is schon in Jang, ick brooch bloß 'n bisken Feia hinta zu machen.«

Trotzdem schien Onkel Karl im Zweifel darüber zu sein, wie er das anstellen solle, denn er rieb sich nachdenklich die Nase und blickte starr nach der Decke, als erwarte er von oben einen Einfall.

»Jejessen habt ihr schon?«

»Ach et is ja heite zum Vorricktwerden,« sagte Minna verdrießlich, »ick hatte det Bollenfleesch so schön saftij jehabt und denn haben se alle bloß drin 'rumjestekert und nischt von jejessen. Nu kommt eena nach'n annern anjezoddelt und frajt, ob ick ihn nischt uffwärmen kann. Natialich kann' ick's uffwärmen, det is keene Kunst nich, aba schmecken tut's nich mehr. Denn bringen se't mia wieda raus und sajen, et is zehe! Soll det een'n Menschen nich ärjern?«


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