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XVIII. Kuddelmuddel

»Ick konntet nich ibat Herz bringen,« sagte Onkel Karl, »a's mia der Seehund so mit seene scheenen, treiherzjen Oojen ankieckte, da ha'ick ihn bloß mal uff'n Kopp jestreichelt und denn ha'ick ihn ruhij wieda loofen lassen. Ick werd't nie – in meen janz Leben nich – vajessen, wie dankbar det Tia mia anjlotzte, eh' et untatauchte!«

»Und du scheenierst dia ooch janich und traust dia, so wat janz dreiste zu azahlen?« fragte Frau Lemke.

»Denn fraje Willem,« sagte Onkel Karl, »denn der is ja diesmal mit beijewesen!«

»Ick war jrade uff die an'nere Seite von det Boot beschäftigt,« sagte Herr Lemke, »ick hab' bloß noch so wat wie'n Sticke Schwanz jesehen!«

»Aba, Willem, Seehunde haben ja doch jakeene Schwänze nich, det – wat du jesehen, war eene Hintaflosse!«

»Meenswejen – ick jeb mia aba keene Miehe weita, die Jeschichte noch ausfiehrlicher zu azahlen, se jloobt's ja doch nich«, sagte Herr Lemke zu Onkel Karl und machte eine Bewegung völliger Mutlosigkeit und Resignation.

»Ick freie mia ja bloß, det ick mia meene teiere Ausristung nich umsonste anjeschafft habe,« sagte Onkel Karl, »denn wenn ick ooch nischt jeschossen habe, so wird mia det doch eene unvajeßliche Ainnerung bleiben!«

»Mia ooch,« sagte Herr Lemke, »besonders der Empfang hia! Det is ja, a's wenn man in'n Koleralazarett kommt, sonne Jesichta sieht man hia – wat is denn eejentlich los?«

»Nischt,« sagte Frau Lemke, »jeh da man imma ruhij uff die Seehundsjagd und amisia dia nach Herzenslust. Ick werd mia inzwischen for unse Nachkommenschaft det Jenick brechen!«

»Andermal nehmen wia dia ooch mit uff die Jagd,« sagte Onkel Karl, »ick bin jern erbötij, dia meene Kanalisationswassastiebel zu pumpen!«

»Wiste dia nich lieba 'n bisken dinne machen?« fragte Frau Lemke mit einer Freundlichkeit, die Onkel Karl unangenehm berührte.

»Ick jeh schon,« sagte er, »ick will eia jlicklichet Familienleben nich länga entweihen, obschon ick dachte, det ick eenen heißen Jrock krieje, den mia Willem doch als Dank for meene villen Jefällijkeeten vasprochen hat!«

»'n Mann, der so ville Jeld hat wie du, wird sich doch noch alleene 'n Jrock koofen können – –« sagte Frau Lemke, und die Art, wie sie Onkel Karl dabei ansah und höhnisch lächelte, veranlaßte ihn, stehen zu bleiben und zurückzukommen.

»Ick vasteh imma ville Jeld,« sagte er, nach der Stubendecke blickend, »wiste nich sajen, wieste det meenst?«

»Na, 'n Mann, der so scheene Innahmen in Berlin hat« – meinte sie, nun wieder mit einem Wohlwollen im Ton, das ihn plötzlich wütend machte.

»Woso – akläre dia« – sagte er und trat dicht vor sie hin.

»Zankt eich doch nich hia«, suchte Herr Lemke zu vermitteln und zog Onkel Karl am Jackenärmel.

»Nee, Willem, laß mia«, schrie er, dadurch noch mehr aufgebracht. »Da steckt wieda 'mal eene niedaträchtje Bosheet hinta, und die laß ick mia nich jefallen! Wat meenste mit die scheenen Innahmen!«

»Wat ick damit meene,« sagte Frau Lemke nun ebenfalls mit lauter, erregter Stimme, »ick meene die Schweijejelda, die du dia ibaall bezahlen läßt, nu weeßtet!«

»Ick, Schweijejeld?« Sein Mund blieb offen, die rechte Hand war aufs Herz gepreßt – und so trat er einen Schritt zurück und blickte klagend gen Himmel.

»Laß man det Teata« – sagte Frau Lemke verächtlich, »dia ha'ick mal wieda jrindlich durchschaut. Bald machste die linke, bald machste die rechte Klaue uff, und in jede läßte dia sojenannte Schweijejelda zahl'n! Ick weeß Bescheed, red' also keenen Ton mehr!«

»Ach so – nu vasteh' ick erst« – sagte Onkel Karl – »du meenst von dunnemals, wo ick dia mit Herrn Fiedla in die abjelejene Jejend traf und du mia denn, als ick's dia sajte, eenen Tala uffdrängeltest und ick janich wußte woso und worum!«

Herr Lemke, der bisher von einem zum andern geblickt, riß die Augen auf:

»Wat is det for 'ne Jeschichte, davon weeß ick ja janischt! Wat is det mit Ha'n Fiedla und die abjelejene Jejend?«

»Laß dia det man von deene Jattin azehlen«, sagte Onkel Karl.

»Reje dia nich uff, Willem, ick werd' dia nachher allet aklären!«

»Ick will keene Aklärungen nachher, ick will jleich wissen, wat los is, denn ebensojut wie mit die Schweijejelda kann ooch an die an'nere Jeschichte wat wahret sind«, sagte Herr Lemke.

Onkel Karl schlug mit der Faust auf den Tisch: »Dunnawettsteen nich noch ma', nu hört's aba uff! Willem, wenn wia uns nich for Lebenszeit vakrachen wollen, denn nimmste det sofort z'rück. Wo – ick fraje dia wo – is wat Wahret an die Schweijejelda?«

»Nanu – nanu, mäß'je dia man,« sagte Herr Lemke, »du hast woll janz vajessen, wie ick dia dunnemals meen janzes Pottemanneh jejeben habe!«

»Wann haste ihn deen Pottemanneh jejeben« – schrie Frau Lemke.

»Beruhje dia,« sagte Onkel Karl höhnisch, »ick broochte dunnemals Jeld, denn for meene paar Jroschen werd' ick doch nich hinta dia her Droschkong fahren!«

»Wann biste hinta sie Droschkong jefahren,« sagte Herr Lemke und suchte seine Stimme zu mäßigen, »det is ja een scheena Kuddelmuddel! Keena wird mehr d'raus kluj, nua det eene ajiebt sich, det wir alle an Karreln bezahlt haben!«

»Aba freiwillij«, sagte Onkel Karl trotzig.

»Ooch die hundat Tala von Onkel Aujust?« fragte Frau Lemke.

»Hundat Tala – –« sagte Herr Lemke, der nicht mehr aus dem Erstaunen kam, »wofor haste denn von den hundat Tala jekriejt?«

»Apreßt hat er sie«, sagte Frau Lemke verächtlich.

»Da irrste dia,« sagte Onkel Karl gelassen, »bis in't Haus sind se mia nachjetrajen und denn noch uffjedrängelt worden!«

»Ick jloobe dia nischt mehr, Karrel,« sagte Herr Lemke, »et ajiebt sich, dette ibaall eene zweedeitje Rolle jespielt hast – ooch det mit die Droschkongfahrerei jloobe ick dia nich!«

»Und ick dia det nich von det Pottemanneh«, versuchte Frau Lemke sich mit ihrem Mann zu verbinden, um dann gemeinsam gegen Onkel Karl vorzugehen.

Der stand einen Augenblick und überlegte, dann faßte er in die hintere Hosentasche und sagte: »Wat det Pottemanneh anbetrifft – hia is's, du wirstet a's deen Eijentum anerkennen müssen, wenn ooch nua noch Karpenschuppen drinne sind. Nach diese Hinrichtung ha'ick also eenen volljiltijen Alibibi abracht. Wat nu det Droschkongfahren anbelangt, so broochste ja blooß den Ha'n Fiedla zu rufen und ihn denn schwören lassen, det er nie nich mit deene Jattin abends heimlich ausjejangen is!«

»Ooch diese Anjelejenheet wird ihre Uffklärung finden,« sagte Frau Lemke gelassen zu ihrem Mann, »wenn Willem mia akleert haben wird, woso er dia det Pottemanneh jejeben hat, vorleifig kann ick nua akleeren, det et eene Ibungsfahrt wejen det falsche Jebiß und den guten Bongtong war – weita nischt, da leje ick die Hand ins Feia!«

»Wa'm läßte denn nich den Fiedla schwören?« fragte Onkel Karl höhnisch.

»Weil Ha Fiedla nich mehr unta unsan Dache weilt, weil ick ihn, uff deitsch jesajt, rausjeschmissen habe«, sagte Frau Lemke ruhig.

Herr Lemke und Onkel Karl sahen sie beide ganz verblüfft und verständnislos an.

»Det jloob' ick nich«, sagte Onkel Karl endlich.

»Denn jloob's nich, an die Wahrheet ändert det nischt!«

»Und wa'm hasten rausjeschmissen?« fragte Herr Lemke.

»Weil er sich unanständij uffjefiehrt hat«, sagte sie. »Ick hab's jenau so jemacht wie dunnemals mit den Ha'n Hahn. Allet jeht bei mia bis zu eene jewisse Jrenze. Wenn sich der Azieha von meene Kin'na mit eene sojenannte Juvanante in eene Kute setzt und sich da kitzeln läßt, denn fliejt er 'raus. Noch dazu, wenn er duldet, det sich die Kin'na sozusajen unta seene Anleitung 'ne Braut und 'n Breitjam anschaffen und sich, drei Schritte von die Kute, abknutschen!«

»Det is wirklich jeschehen?« fragte Herr Lemke und schüttelte zweifelnd den Kopf.

»Wenn ick's nich mit eijene Oojen jesehen hätte, wird' ick's ja ooch nich for menschenmöglich jehalten haben. Aba ick habe meen Leben for riskiert und bin die steilste Düne 'ruffjeklettert. Den janzen Kopp ha' ick noch dicke voll von Sand, und hia« – sie machte den Mund auf und wollte mit den Zähnen knirschen – stockte aber plötzlich ganz erschrocken und suchte den Mund mit der Zunge ab. »Um Jotteswillen,« sagte sie, »ick hab' ja bei die vaflixte Kletterei meen teiret Jebiß valoren!«

»Det is dia recht«, sagte Onkel Karl.

»Wie kannste denn det aba valieren,« fuhr Herr Lemke auf, »sowat valiert man doch nich!«

»Ick hab's aba valoren,« sagte Frau Lemke tonlos, »det war, wie ick eenmal abrutschte und mia so aschütterte!«


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