Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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Man war fast richtig, als der Tochtermann die Sache vernahm und einen Mordsspektakel begann. Der wollte erst gar nichts davon wissen und behauptete, sie hätten ja die Verabredung getroffen, daß er ihnen die Produkte abnehme und zu hohen Preisen seinen Bekannten verkaufe. Er hätte deshalb Akkorde getroffen und könne nicht zurück. Endlich wollte er den Hof selbst ins Lehen nehmen trotz seinem brillanten Geschäft, von dem er behauptete, es trage mehr ab als sechs solcher Höfe. Er tat so wüst, drohte auf solche Weise und ds Elisi mußte wüst tun und mit allem Gräßlichen drohen, daß die ganze Geschichte fast rückgängig geworden wäre. Den beiden Alten kam es gräßlich vor, wenn sie an einem Unglück schuld sein sollten, wenn ds Elisi mit seinem Mann deswegen in Streit käme oder es krank würde oder es ihm sonst schadete in seinen Umständen. Ein jedes sagte: «Mach, was du willst, aber gib mich dann zuletzt nicht an die Axt, ich will nicht schuld sein.» Da gab Vreneli dem Sohn Johannes einen Wink, daß es darauf und daran wäre, daß sein geliebter Schwager Lehenmann in der Glungge würde. Johannes, dem es, seit er Gaden und Spycher durch seinen Schwager gefährdet sah, sehr recht war, daß das Gut in eines Lehenmanns Hände kam, und Uli als einen guten Landwirt recht gerne darauf sah, indem er einst den Hof lieber gut als schlecht zuhanden nahm, kam mit Trinette dahergefahren wie eine Bombe und traf es eben, daß ds Elisi und sein Mann auch da waren. Das gab nun Donnerwetter um Donnerwetter, obgleich es mitten im Winter war. Der Tochtermann machte sich zuerst sehr aufbegehrisch und wollte den Johannes von oben herab traktieren und ihn einschüchtern mit Oberarm Dreinreden. Aber Johannes kannte als Wirt diese Sorte von Leuten auch und redete noch mehr Oberarm drein, zudem hatte er eine gewaltige Faust, die dem Baumwollenhändler abging; mit dieser schlug er auf die Tische, daß alle Türen aufsprangen. Auch hielt er dem Baumwollenhändler Sachen vor, die dieser lieber hier nicht gehört hätte, seine vielen Schulden und vielen Streiche. Woher er den Landbau kennen wolle, da er im Bettel aufgewachsen? Sie hätten seinen Vater oft hier in der Glunggen über Nacht gehabt im Stall, sie sollten sich nur an den alten, verhudelten Mann mit der Drucke und den Schuhen ohne Sohlen erinnern. Er möchte nur die Alten aushäuteln, den Lehenzins könnten sie im Himmel suchen. Uli müßte das Lehen haben, und sollte er den Donners Bauelebueb mit eigenen Händen erwürgen, brüllte er und manövrierte demselben mit seinen dicken Händen so nahe am Halse herum, daß alles Zetermordio schrie und ds Elisi sicher ohnmächtig geworden wäre, wenn es gewußt hätte, wie man das mache. Aber der Baumwollenhändler hatte eine zähere Natur als seine Bauele. Kaum war er nicht mehr blau im Gesicht, so gab er mit Verachtung den Gedanken, selbst Lehenmann zu werden, auf. Er wollte ein Narr sein, sagte er, ihnen seine Hülfe aufzudringen, sein Geschäft trage ihm hundertmal mehr ab als so ein Schyßgüetli. Gerade ihretwegen, damit sie nicht mit fremden Leuten es machen müßten, hätte er es übernehmen wollen. Wenn man ihm seine Guttätigkeit so aufnehme, so könnten sie machen was sie wollten, er sei recht froh darüber. Aber das fordere er, daß man das Gut an eine Steigerung bringe und es dem Meistbietenden gebe, das hätte er das Recht zu fordern. Er wüßte nicht, warum man einem solchen Lümmel, der nicht fünfe zählen könnte, ohne fünfmal zu verirren, den Vorzug geben wolle.

Da ging der Streit von vornen an, in den nun auch Joggeli sich mischte, da er sich vom Sohn unterstützt sah. Das gehe ihn hell nichts an, sagte Joggeli seinem Tochtermann; er könne verleihn, wie er wolle, er sei denn doch noch nicht bevogtet. Solange er lebe, solle in der Glungge keine Steigerung sein, und auch nach seinem Tode nicht; er wolle es ihm vermachen, daß es hafte, er sei ihm gut dafür. So einer, von dem man noch jetzt nicht wisse, wo er jung gewesen, solle ihm nicht kommen und ihm hier in der Glunggen befehlen wollen. Er sei sein Lebtag dagewesen, und Vater und Großvater. So weit man sich hintern besinnen möge, sei der Hof in der Familie gewesen; da solle Keiner kommen, der auf der Gasse jung gewesen, und ihm befehlen, was er auf demselben machen solle. Er solle ihm zahlen, was er ihm weggenommen. Es dünke ihn, er sollte für einmal genug haben und sich schämen, noch mehr zu begehren, und er solle nicht meinen, weil er so herrschelig daherkomme, so könnte er mit ihnen machen, was er wolle. Wenn er die Kleider nicht aus ihrem Gelde bezahlt hätte, so wisse man nicht, ob er noch solche tragen würde.

Der Tochtermann ließ sich aber nicht erschrecken. Er lasse sich das Geld nicht vorhalten, sagte er. Ob sie denn eigentlich so dumm seien, zu glauben, er hätte seine Frau wegen etwas anderem als wegem Geld genommen? Daß sie ein halbwitzigen Schlärpli sei, hätte ihr ja jedermann angesehen. Aber wenn er eigentlich gewußt hätte, was sie für ein wüstes Reibeisen, eine hässige Krot, eine faule Sau sei, er hätte sie mit keinem Stecklein anrühren mögen, und wenn sie noch einmal so viel Geld gehabt hätte. Jetzt hätte er sie ins Teufels Namen und müßte sie einstweilen behalten; jetzt wolle er dazu sehen, daß er auch zu dem Geld komme, das ihm gehöre. Er lasse sich noch lange nicht absprengen, und sie sollten versichert sein, daß je wüster sie gegen ihn seien, er um so wüster tue und alles seine Plättere entgelten lasse; die wolle er rangieren, daß es des Salzfaktors Jagdhunde besser haben sollten als sie. Da fiel dem Joggeli und der Mutter das Herz, und sie wären vielleicht dem aufbegehrischen Tochtermann hingekniet, aber Johannes war da. «Mach es nur,» sagte der, «je wüster, desto besser, wir wollen dir den Marsch bald gemacht haben. Je eher du abgesprengt wirst, desto besser ists. Denke an die Krone zu – und was du da treibst! Du verfluechte Bueb! Mit fünfzig Kronen scheiden wir, und dann wirst du zum Geltstag getrieben, das ist das Beste für einen solchen Donner, wie du bist; dann kannst du ds Land ab und Rüben fressen.» Sie erschrecken ihn noch lange nicht, antwortete der Tochtermann. Mit dem Geltstag könnten sie es probieren, wenn sie wollten, sie kämen an den Unrechten. Was bei der Krone gegangen sei, gehe sie nichts an, er wolle es auf eine Untersuchung ankommen lassen, und wenn man zu Frevligen nachfragen wollte, so brächte man vielleicht viel ärgere Dinge heraus. Wenn sie die Schande haben wollten, daß ihre Tochter so bald sich scheiden müsse, so sei es ihm recht, er frage nichts darnach. Er wolle ihnen dann aber den Marsch machen.

Indessen er so aufbegehrisch redete, zog er doch in etwas seine Pfeifen ein, besonders da Johannes sich nun auf seine Worte berief: Sie sollten jetzt sehen, was sie für einen Donner von Tochtermann hätten. Es geschehe ihnen aber recht, sie hätten nichts glauben wollen, und er sollte sie jetzt eigentlich im Stiche lassen mit ihm. Aber es sei ihm auch um seinetwegen; wenn er den Donner machen lasse, so käme es bald dahin, daß die Glungge an eine Steigerung kommen müßte. Davor wolle er sein, er könne darauf zählen. Von einer Steigerung mußte der Tochtermann endlich schweigen; aber nun wollte er sich in den Akkord mischen und ihn machen nach seinem Sinn, also auf eine Weise, daß Uli unmöglich hätte eintreten können. Er warf ihn aufs Papier, und Joggeli gefiel er so übel nicht; er fand von manchem, daran hätte er nicht gedacht, die Mutter aber und Johannes widersetzten sich: Was wollte doch so ein baueliger tusigs Donner von einem Lehenakkord wissen; keinem Hund würde man einen solchen machen, und je wüstere Akkorde man mache, desto weniger würden sie gehalten und desto mehr müsse das Gut darunter leiden.

Während man darüber stritt im Stübli, versuchte der Baumwollenherr Privatgeschäfte bei Vreneli, wollte mit ihm so unterhandeln, daß wenn es ihm nachgebe, so wolle er auch mit dem Akkord nachgeben, und ließ sich wohl nah zu ihm heran. Das aber, nicht faul, nahm ein buchenes Scheit, fuhr auf ihn dar wie eine Furie und traktierte ihn jämmerlich. Das gab gräßlichen Spektakel. Vreneli schlug, der Tochtermann schrie, die ganze Verwandtschaft schoß zu allen Türen aus und sah den Herren vor Vrenelis Scheit in alle Ecken fliehen. Die Einen lachten, die Andern schrien, Johannes hatte gute Lust, zuzugreifen; niemand gab Auskunft, es war wie beim Turmbau zu Babel. Endlich schoß der Herr in eine geöffnete Türe, und Vreneli wurde vom Verfolgen abgehalten. Wie eine glühende Siegesgöttin stund es da mit dem Scheit in der Hand oder wie ein Engel mit flammendem Schwerte vor dem Paradiese der Unschuld und rief dem fliehenden, blutenden Baumwollenhändler nach: «Weißt du jetzt, wie ein Bernermeitschi akkordiert und mit was es den Akkord unterschreibt, du keibelige Uflat!» Und frankweg ohne Hehl erzählte es, was der Lumpenhund ihm für Anträge gestellt. Da öffnete dieser die Türe und rief: «Du lügst!» Aber ehe das Wort noch recht aus dem Munde war, fuhr das buchene Scheit aus Vrenelis starker Hand akkurat durch die geöffnete Türe dem Lügner ins Gesicht mitten hinein, und rückwärts fiel er zurück, fuhr mit der Hand ins Gesicht, und drei ausgeschlagene Zähne rollten ihm entgegen. Nun neuer Lärm von allen Seiten. Des Johannese Stimme schallte vor allen in gewaltigem Lachen. Ds Elisi wußte nicht, sollte es auf den Mann los oder auf Vreneli und machte nach beiden Seiten hin seine kleberigen Fäustchen. Vreneli rief: «Sag noch einmal, ich lüge, wenn du darfst! Es sind noch mehr Scheiter da!» Die weiche Mutter lief nach Wasser und einem Lumpen, Trinette kickerte und sagte: So einen herrscheligen Mann, der meine, alle seien für ihn da, begehre es nicht. Joggeli schüttelte den Kopf, ging ins Stübli und las den Akkord wiederum.

Sobald der Baumwollenhändler das Blut sich ausgewischt und recht wieder reden konnte, begehrte er auf über Vreneli, redete vom Verklagen und wie er es nicht tue, daß es hier auf dem Hofe bleibe, und Joggeli nickte mit dem Kopfe dazu. Vreneli aber stund ungesinnet vor ihm und hätte ihn gleich noch einmal in die Finger genommen, wenn die Mutter ihns nicht gehalten, aber seine Zunge konnte ihm niemand halten. «Verklag du nur,» rief es, «ich will dann mit den andern Jungfrauen kommen; sie können auch sagen, was sie von dir erfahren, vielleicht wissen die Knechte auch etwas.» «Beweise es, daß ich etwas mit dir gewollt oder mit den Jungfrauen. Ich kann beweisen, wie du mich geschlagen.» «Du Kuh! Da ist einer nicht ein Esel und nimmt Zeugen mit, wenn er ein Mädchen verführen will. Aber es wäre böse, wenn ein Mädchen sich seiner Ehre nicht mehr wehren dürfte, so stark es mag, oder es hätte Zeugen, und wenn es einem den Grind abschlüge und nicht nur Zähne in den Hals!» «Wir wollen sehen, was der Richter sagt», rief der Baumwollenhändler. «Meinethalben kann er sagen, was er will, und wenn er ein Bock ist wie du und dir recht gibt, so mache ich es ihm wie dir. Wenn das Gesetz für die Hurenbuben und Diebe und Händler und Richter da ist, so schlägt man euch das Gesetz um dGringe, bis ihr gesetzlich zufriedengestellt seid. Ich bin nur ein Meitschi, aber es nimmt mich wunder, ob ich diesen Weg das Gesetz nicht noch viel kräftiger anwenden könnte als so ein abgejagtes Böcklein, wie du bist und mancher Andere. Hast du dich nicht still, so wollen wir sehen!»

Aber der Händler hatte sich nicht still, räsonierte fort und fort, jedoch ungefähr so, wie eine Kolonne, die sich zurückziehen will, um so hitziger feuert, um den Rückzug zu decken. Er sagte dem Elisi: In einem solchen Haus bleibe er nicht länger, wo er sei wie vogelfrei und ein jedes Rindvieh auf ihn schlagen dürfe und ein jedes ertaubete Mädchen; dem wolle er es aber zeigen und ihm sagen, wie und mit wem er es angetroffen. Er machte einen Lärm mit seiner Unschuld, daß ds Elisi auch halb taub wurde, begriff, ds Vreneli hätte eigentlich seinen Mann verführen wollen, und eilenden Schrittes ging, diesem wüst zu sagen. Während es sich dort fast Schläge holte, ging er in den Stall, befahl anzuspannen und begegnete dabei dem Uli, der bereits von der andern Geschichte wußte, so puckt, daß der ihm sagte, wenn er sich nicht alsobald zum Stall aus mache, so werfe er ihn ins Bschüttiloch, er wolle ihm seine Hitz vertreiben. Derselbe begehrte auf und sagte Uli: Er solle nicht meinen, weil er eine unehliche, schlechte Dirne zöke, die etwas verwandt sei, so sei ihm alles erlaubt; er sei der Knecht und sie ein schlecht Mensch und damit punktum. Da sagte Uli, er wisse ganz genau, welche das schlechter Mensch sei, ob ds Elisi oder Vreneli, und wenn er es hätte machen wollen wie er, so wäre Elisi nicht seine Frau geworden. Aber die Rechten seien aneinander gekommen, sie schickten sich zusammen wie Mist und Mistbähre. Er solle jetzt schweigen und gehen, sonst zeichne er ihn auch noch, obgleich es ihm zuwider sei, einen anzurühren, den ein Meitschi geprügelt. Der Baumwollenhändler wollte vielleicht Streit, aber Uli ließ sein Roß herausführen; das trieb den Herrn aus dem Stall, und als er wieder hineinkam, war Uli nicht mehr da. Endlich reisten er und Elisi ab, aber unter vielen Drohungen: Wie man erfahren solle, was man an ihnen getan, und wie man sie nicht mehr sehen werde an einem Orte, wo man sie so behandelt.

Es leichtete allen ordentlich, als sie fort waren, und Johannes versprach dem Vreneli ein Stück Hausrat zur Ehesteuer, es könne auslesen, was es wolle, weil es den Schwager so tüchtig abgeklopft. Er wollte gerne eine Dublone geben, wenn er klagen würde; dem wollte er Sünden einbrocken, daß er daran ersticken sollte.


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