Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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Fünftes Kapitel

Nun kommt der Teufel und säet Unkraut in den guten Samen

Und es ging recht ordentlich manchen Sonntag lang. Der Uli ging wieder zKilchen und dachte daran, daß er ein Mensch sei und daß er auch selig werden möchte. Er fing auch an zu glauben, daß der Meister doch etwas recht haben möchte; denn wenigstens zwei Neutaler hätte er früher in dieser Zeit für nichts ausgegeben, die er jetzt noch im Sack hatte. Er war auch ein Anderer bei der Arbeit, es ging ihm alles noch einmal so rasch von der Hand, und weil er wirklich des Nachts schlief, des Sonntags ruhte, den Körper nicht durch Ausschweifungen schwächte, so schien ihm keine Arbeit mehr schwer; es war ihm fast, als ob er nicht mehr müde werden könnte. Der Meister sah mit Freuden, daß es so gut komme, und wenn er ihm etwas zuhalten konnte, so tat er es, märtete ein größeres Trinkgeld ein, wenn es ihn dünkte, der Metzger vermöge es und es sei ihm angst um die Sache, nahm Uli mit auf einen Märit oder schickte ihn hier oder dort aus, wenn etwas zu verrichten war, damit Uli doch auch sein Pläsier hätte, und wenn Uli einen Schoppen trank auf diesen Wegen, so zahlte ihn der Meister.

Natürlich fiel Ulis Betragen auch Andern auf, zuerst seinen Mitdiensten, dann den Nachbaren. Es geht unter den Diensten gerne wie unter Jakobs Söhnen. Wenn Eines besser ist als die Andern und daher auch den Meisterleuten lieber, so verfolgen es die Schlechtern, führen es aus und ruhen nicht, bis sie es vertrieben haben oder so schlecht gemacht, als sie selbst sind. Sie wollen nicht, daß Meisterleute es erfahren, was ein guter Knecht, eine gute Magd ausrichten könne; sie fürchten, es möchte dann allzu sichtbar werden, wie schlecht sie seien, und ihnen auch mehr angemutet werden, ein anderes Betragen, ein rührigeres Schaffen. Das wollen sie nicht, es soll der Meister keinen Vorteil an ihnen haben; sie wollen nicht Göhle, Narren, Tröpfe, Kühe sein und sich zTod werchen, wo sie nichts davon hätten; sie machten, wie sie es gewohnt seien, und wenn es so nicht anständig sei, so gingen sie weiters. Es ist daher sehr oft die Dienerschaft eine gegen die Meisterleute verschworne Bande. Das Komplott besteht darin, so viel Lohn, so viel Freiheit, ein so gut Leben zu erzwingen als möglich, und wenn es nicht nach den Köpfen geht, die Meisterleute so zornig als möglich zu machen. Es braucht viel Kraft und viel Klugheit, solche Komplotte zu zerstören, und viel Liebe und viel aufrichtige Wohlmeinenheit, sie nicht aufkommen zu lassen. Es gibt jedoch Diensten, deren feindseliger Sinn auf keine Weise zu brechen oder zu versöhnen ist und die daher gegen jeden Meister feindselig verfahren und allenthalben den Frieden stören, wohin sie auch kommen.

Die Nebendiensten fingen daher bald an, auf Uli zu sticheln, zu sagen: Sie wollten einmal Narren sein, so auf den Meister zu sehen, sie begehren nicht die Liebsten zu sein, oder aber, wenn sie eine Viertelstunde an ihren Hauenstielen gedampet hatten, zu trümpfen, sie müßten sich zur Arbeit halten, der Meister wüßte am Abend, wie manchmal eins geleuet (geruhet) hätte. Das machte Uli böse, denn er machte nicht den Ohrenträger, und mehr als einmal ließ er sich verführen, mit der Bande zu räsonieren und zu schlumpen. Wenn er aber darüber dachte, so dünkte es ihn doch, es sei dumm von ihm. Sobald er mitmachte und miträsonierte, war er unzufrieden und mißmutig; sobald er nicht von Herzen arbeitete, hatte er Langeweile, und er wurde noch einmal so müde dabei. Er tat sich selbst also ebenso viel zuleid als dem Meister, und wenn er so fortfahre, so sah er wohl, daß er einen mißmutigen, unzufriedenen Menschen abgebe, dem die Arbeit eine Plage sei. Er sah doch, daß auf des Meisters Seite die größere Gutmeinenheit sei und daß wenn er diesem gehorche, es ihm besser gehe, und wenn auch der Meister Nutzen hätte von seiner guten Aufführung, so hätte er selbst doch noch den größern und bleibenderen davon.

Es kam ihm vor, als ob da zwei Mächte sich um seine Seele stritten, fast gleichsam ein guter und ein böser Engel, und jeder ihn haben wollte. Der Pfarrer hatte nämlich einmal in einer Predigt gesagt: Zu den ersten Eltern im Paradies hätte Gott geredet und die Schlange. Gott hätte ihnen etwas zu ihrem Besten verboten, und die Schlange hätte aufgewiesen, Gott und sein Gebot verdächtigt, als ob er dasselbe nur zu seinem eigenen Nutzen gegeben hätte, hätte auch den Menschen geschmeichelt, und so hätten die ersten Eltern der Schlange, der Aufweisung mit ihrer verführerischen, schmeichlerischen Rede Gehör gegeben und seien darob unglücklich geworden und hätten ihre Nachkommen mit ins Unglück gezogen. Nun sei das sehr wunderbar, daß die beiden Stimmen alle Menschen durchs Leben begleiteten und aus Menschenmund zu ihnen kämen. Es sei selten ein Mensch, den nicht gute Menschen zum Guten mahnen mit Liebe und Ernst, den hinwiederum nicht böse Menschen aufreisen und zum Bösen antreiben, indem sie sich mit süßer Rede als Freunde stellen oder mit Spott seine Eitelkeit erregen. Und etwas sei in uns, das mahne, den guten Menschen zu gehorchen; aber noch ein Anderes sei in uns, das lieber den bösen Menschen höre, das sich durch Schmeichelei gerne verführen lasse, das größern Glauben habe zu denen, welche zum Bösen antreiben, als zu denen, welche zum Guten mahnen. Daher geschehe es zumeist, daß die Bösen die Gewalt bekämen und die Menschen ins Unglück führen könnten; hintendrein lachten sie dann und hätten ihr Gespött mit dem Unglücklichen, der es zu spät einsehe, wer es eigentlich gut mit ihm gemeint hätte.

So kam es Uli manchmal in Sinn, es gehe ihm jetzt gerade so, und doch war er so oft nicht Meister über sich, und die bösen Stimmen erhielten Gewalt über ihn. Besonders als nun auch Nachbaren auf Uli aufmerksam wurden und ihr Maul hineinhängten und den Uli aufzureisen suchten. Einer war Ulis Meister feindlich und verstund es meisterlich, fremde Dienste anzulocken und sie, wenn er sie hatte, auszunutzen auf eine unglaubliche Weise. Der tadelte selten einen Knecht, er rühmte sie, daß die Schwarten krachten, und trieb sie damit zu übermäßigen Anstengungen und lachte den Buckel voll, wenn sie so recht bysteten und berzeten. Der hatte nicht ungern, wenn sie hudelten, und sie hatten in seinem Hause auch Freiheit zu allem Wüsten: Mägde und Knechte konnten miteinander umgehen wie Eheleute; das behielt Viele trotz des schlechten Lohns bei ihm. Er streckte ihnen gerne Geld vor, denn wenn sie seine Schuldner waren, so waren sie auch mehr oder weniger seine Sklaven; die Schulden waren das Seil, an dem er sie festhielt.

Diesem Meister hatte Uli schon lange in die Augen geschienen, ganz wie gemacht für ihn: ein hübscher Lockvogel für Mägde, die nicht ungern in ein Haus dingen, wo Freiheit ist und ein hübscher Knecht dazu; ein guter Bastesel, der die Arbeit verstund, aber liederlich war und etwas einfältig, schien eben recht zum Brauchen und Ausnutzen. Dieser Meister spottete erst, wenn er Uli des Sonntags daheim sah: Er werde wollen geistlich werden oder in die Versammlungen gehen! Es gehe auch kurzweilig zu dort, und das auf die Füße Trappen sei noch nicht abgestellt bei ihnen. Das guselte Uli, daß man ihn für einen Geistlichen ansehen wollte, und es juckte ihn, recht wüst zu tun, damit man ja nicht glaube, er sei besser als ein Anderer. Es ist gar merkwürdig, für was alles die Jugend sich schämen zu müssen glaubt: nicht nur, minder Geld zu haben, minder hübsch zu sein, minder stark, minder schön gekleidet, sondern es schämen sich gar Viele auch, minder wüst zu tun als Andere. Doch hielt Uli noch an sich.

Als der Nachbar mit Spötteln nichts abbrachte, so versuchte derselbe es mit einem andern Ton. Er begann Uli zu rühmen, wie er afe einer sei und wie ihm schon lange Keiner unter die Augen gekommen sei, der ihm die Schuhriemen auflöse. Gerade so einen hätte er schon lange gewünscht, allein er hätte das Gfell (Glück) nicht. Es sei nur schade, daß ihn sein Meister hätte; der wüßte nicht, was er an ihm habe. So machte er Uli den Kopf groß und fing allgemach an, den Dienst ihm zu erleiden. Er deutete ihm darauf hin, wie man alles an ihn lasse, ihm immer mehr aufbürde, ihm Sachen anmute wie sonst nirgend einem Knecht, und wie sein Meister den Faulhund mache und ihn allenthalben am schwereren Orte nehmen lasse. Der Meister hatte nämlich im Herbst den Uli einen Acker säen lassen, während er selbst geeggt, hatte ihn Pflug halten lassen, während er den Ackerbub machte. Er hatte Uli gesagt, er müsse das auch lernen, wenn er ein Hauptknecht werden wolle. Es gebe gar manchen Platz, und das seien gewöhnlich die besten, wo ein Knecht alle Arbeit müsse machen können, und es sei doch nichts Traurigers als so ein Baurenknechtlein, das nicht die halbe Landarbeit verstehe; und deren gäbte es ganze Hutten voll, die nichts anderes könnten als so geradehin hacken, holzen und heuen. So hatte der Meister gesagt und den Uli an den Pflug gestellt, was hundert Väter an den eigenen Söhnen nicht tun, solange sie ein Bein machen können, ihnen Pflughalten und Säen nie anvertrauen aus Furcht, es könne eine Handvoll Korn mehr gebraucht oder sonst irgend ein Fehler gemacht werden. Und gerade seine Wohlmeinenheit wurde ihm nun so übel ausgelegt und dem Uli alle Tage der Kopf größer gemacht, wie der Meister alles an ihn lasse und wie der Meister es nicht mehr machen könnte, wenn Uli einmal fort sei.

«Es nimmt mih nume ds Tüfels wunder, wie es denn einist gah soll, wenn du nicht mehr da bist; sie werden es dann erfahren,» das ist ein Spruch, mit welchem man schon viele hundert Dienste von ihren Plätzen weggesprengt hat. Es reitet sie der Teufel immer mehr durch den Gwunder, wie es dann gehe, wenn sie nicht mehr da seien. Es steigt immer mehr die Lust zu Kopfe, einmal seine Unentbehrlichkeit zu zeigen, zu erfahren, ob man es könne ohne sie, zu erfahren, daß ein Meister oder eine Meisterfrau bittend komme mit dem Bekenntnis: Sie könnten es durchaus nicht mehr machen ohne Lisi, ohne Benz. Es träumen tausend halbbatzige Knechtlein und Mägdlein ganze Jahre durch von dieser Unentbehrlichkeit, und wenn Weihnacht kommt und sie ihren Bündel weitertragen, so will niemand ihnen nachlaufen und sagen: «Benz, Lisi, bleib doch da dr tusig Gottswille»; gäb wie sie zurückschauen, es kömmt niemand. Da treibt sie vielleicht schon die nächste Woche der Gwunder, wie man es ohne sie mache, in ein Nachbarhaus, wo sie etwas sehen und etwas vernehmen können über die neuen Diensten und den Stand der Dinge. Und siehe da, es geht, und die neuen Diensten sind ungefähr wie die alten, und wie sie sich auch mit der Hoffnung trösten, das bleibe nicht vierzehn Tage beieinander, so geht es doch wie das vorige Jahr von einer Weihnacht zur andern. Und mit jeder Weihnacht zügeln sie weiter, und niemand will sie zurückrufen, und allenthalben geht es ohne sie. Ach, es möchten die Menschen so gerne unentbehrlich sein und verstehen doch so selten, sich unentbehrlich zu machen.

So stieg die Aufweisung dem Uli nach und nach ins Haupt. Es verstehen gar selten Menschen und selbst nicht bloß Hochgestellte (die am allerwenigsten), sondern auch Hochgebildete, der Aufweisung zu widerstehen; es ist also Uli nicht zu verargen, wenn er die Laus nicht hinunterwarf, welche ihm hinter den Ohren krabbelte. Was ihn der Meister aus Gutmeinenheit machen ließ, das schien ihm eine ungerecht und mutwillig aufgebürdete Last. Er dachte selten mehr an die guten und bösen Stimmen, und sein Kopf schwoll immer mehr an, und immer unwirscher ward es inwendig, und der Nachbar sah mit mächtiger Schadenfreude die Wirkung des eingespritzten Giftes und wie Uli näher und näher dem aufgespannten Garne kam. Der Meister dagegen merkte mit Bedauern, daß etwas wie eine finstere Wolke zwischen ihr Vertrauen getreten. Er wußte nicht was, und mit angestammter Kaltblütigkeit überließ er das Aufdecken dieses Unbekannten der Zeit; denn besondere Gelegenheit, mit Uli zu reden, bot sein Betragen nicht dar, es war äußerlich noch geregelt, und eine Gelegenheit machen war nicht Sache von Johannes.


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