Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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Unterdessen hatten die in der Leistung Liegenden zwei Männer nach Erdöpfelkofen gesandt mit der Frage, ob sie es mit ihnen in Freundlichkeit ausmachen oder ob sie es dem Landvogt anzeigen sollten. Diese Männer hatten sich an den Bauer gewandt, der den Uli aufgestiefelt hatte gegen seinen Meister, und dieser gab ihnen den Bescheid: Man werde wohl ausmachen, wenn es der wert sei, es werde wohl nicht so bös gegangen sein. Indessen müsse er mit den Andern reden, man könne ihnen morgen den Bescheid sagen lassen. Der Fuchs hatte seinen Plan schon gemacht, wie er und seinesgleichen darauskommen wollten, ohne daß es sie etwas koste. Er gab unter der Hand den Andern an, sie wollten den Uli vermögen, daß er sich als den Schuldigen, welcher jene Beiden mißhandelt, dargebe und entweder mit ihnen abmache oder sich dem Landvogt anzeigen lasse. Das tue der schon, sagte er, wenn man ihm den Mund recht süß mache, ihm nicht nur verspreche, ihn in allem auszuhalten, sondern noch einen schönen Lohn obendrein zu geben. Man könne von diesem allem hintendrein immer halten, was einem anständig sei. Zugleich schmiere man so die Brönzwylerer an, die an Uli auch nicht reich werden würden.

Das gefiel den Meisten wohl, daß Uli die Suppe ausessen sollte; sie hatten so halb und halb Angst, der Landvogt könnte diesmal nicht bloß büßen, sondern bannisieren; und wenn ein reicher Bauernsohn schon das Geld lieb hat, so zahlt er doch zehnmal lieber, als daß er leistet, und sein Vater hundertmal lieber und das Mütti gar tausendmal.

Resli, wie der alte Fuchs hieß, machte sich also an Uli, als der fütterte am Abend, und sagte ihm, es hätte gefehlt und die Brönzwylerer hätten Mannen geschickt und es komme jetzt darauf an, wie man es etwa ausmachen könne, viel Geld könnte es allweg kosten. Das war bei Uli die Lunte auf die Kanone, und die brannte nun krachend und donnernd über Resli los. Uli nannte ihn einen alten Schelm, der ihn ins Unglück gestürzt. Er hätte nicht kommen wollen, Resli hätte ihn beredet; er hätte den Streit nicht angefangen, gerade die Alten, wo am witzigsten hätten sein sollen, hätten am wüstesten getan, und namentlich er, Resli. Nun sollte er, ein armes Knechtlein, ein halbes oder ganzes Jahrlöhnli dargeben, ein ganzes Jahr umsonst arbeiten; das sei vor Gott und Menschen nicht recht! Aber so habe man es mit den dolderschießigen Bauren; wenn die ein arm Knechtlein ins Unglück stoßen könnten, so bsinnten sie sich nicht zweimal.

Resli ließ den Sturm gelassen austoben und sagte endlich: Wenn er ihn wollte zu Worten kommen lassen, so sollte er gerade das Gegenteil erfahren; man hätte sein Glück im Sinn, und wenn er vernünftig tue, so wolle man es einrichten, daß er allein den Vorteil vom ganzen Handel hätte. Er hatte Mühe, Uli zu gschweigen und zum Losen zu bringen. Als es Resli endlich gelang, zu sagen, daß Uli sich als Täter dargeben solle, so ging ein neuer Schuß los, Uli wollte vom Nachtrag lange gar nichts hören. Endlich gelang es Resli doch, anzubringen, wie man hinter ihm stehen und nicht nur alle Kosten tragen, sondern auch dem Uli ein Schönes geben wolle für sich; er solle nur fordern, man wolle ihm geben, bis er zufrieden sei. Wenn Uli sich dargebe, so könne man es viel wohlfeiler ausmachen; oder wenn es endlich vor den Landvogt komme und Uli leisten müsse, so mache ihm das ja nichts. Ein Kerli wie er finde allenthalben Meister; ds Gunträri, es hätte schon Mancher in der Fremde, wohin er nie gegangen, wenn er nicht bannisiert worden wäre, sein Glück gemacht. Und die fünfzig oder hundert Kronen, die man ihm geben wolle, er solle ja nur heuschen, kämten ihm auch wohl; er könne lange arbeiten, ehe er so viel verdient hätte. Und wenn man ihm weiter sonst dienen könne, so solle er nur zusprechen, man werde ihn nie stecken lassen, sondern sein Leben lang ihm daran denken. Kurz Resli wußte dem Uli die Sache so süß vorzustellen, ihm es glaublich zu machen, das er noch großen Gewinn aus dem ganzen Handel ziehen würde, statt Schaden zu haben, daß er versprach, nach dem Feierabend in eine Versammlung zu kommen, wo man das Nähere verabreden wolle.

«So komm dann,» sagte Resli, «aber sag deinem Meister nichts, der braucht eben nicht alles zu wissen, was wir unter uns machen; es geht ihn ja nichts an, darum hat er nichts dazu zu sagen.»

Kaum war der Resli fort, so trat der Meister zu Uli in den Stall, und nach einigen gleichgültigen Worten fragte er: «Ist nicht der Resli bei dir gewesen? Hat er etwa zu mir wollen?» Uli sagte, er wisse es nicht, er hätte nichts davon gesagt. Der Meister sagte, er wüßte auch nicht, was er mit ihm hätte, er werde wohl nur zu Uli gewollt haben. Uli sagte, sie hätten noch von gestern miteinander brichtet. Der Meister wußte wohl was. Er war, während Uli und Resli miteinander geredet, die ganze Zeit über im Futtergang gewesen, hatte alles gehört. Es ward ihm daher nicht schwer, durch eine Reihe von Fragen Uli endlich zum Geständnis der Wahrheit zu bringen. In seiner angestammten Bedächtigkeit hatte der Meister einen Kampf in sich zu bestehen: ob er sich weiter in eine Sache mischen wolle, die ihn allerdings nichts anging, und ob er eines Knechtes gegenüber von Nachbarn sich annehmen wolle. Indessen siegte seine Gutmütigkeit, sein Wohlwollen zu Uli und auch etwas der Ärger, daß man hinter seinem Rücken an seinen Knecht sich mache, ihn erst aufreise und dann mißbrauchen wolle. Er sagte daher Uli: «Du kannst meinethalben machen, was du willst; du hast mir nicht gehorcht, als ich dir von dem Mitmachen abgeraten; du kannst jetzt auch machen, was du willst. Indessen, wenn ich dir gut zu Rate bin, so laß dich nicht ein; man will dich hineinsprengen, und die Andern wollen sich hinter dir drausmachen. Man wird dir alles versprechen, was du willst, aber gar nichts halten. Wenn du mit den Brönzwylerern abmachst, so kannst du bezahlen; wenn du leisten mußt, so kannst du ihrethalben gehen, wohin du willst, keiner wird dir Dankeigist sagen. «Glaub mir nur, so gehts; der Gattigs hab ich schon mehr erlebt.» Aber das wär ihm doch dr Tüfel, sagte Uli; was man ihm verspreche, werde man ihm wohl halten, oder er müßte sich dann gar nichts auf die Leute verstehen. «Ja, du guter Tropf du,» sagte der Meister, «man hält, was man gerne will oder halten muß, aber mehr nicht, am allerwenigsten in solchen Händeln, das sind die wüstesten Bschyßhändel von der ganzen Welt. Wenn man da einen hineinsprengen kann, so lacht man sich den Buckel voll.»

Da wurde es Uli angst, es war ihm fast, als wäre er schon hineingesprengt, und weinerlich sagte er: Er könne nicht glauben, daß die Menschen so schlecht seien; wenn es also wäre, so erleide es einem, dabeizusein, und es wär eim am besten, wenn man dahin und daweg aus allem heraus könnte, ganz aus der Welt heraus. Da müsse er die Leute nehmen, wie sie seien, sagte der Meister, er könne sie nicht besser machen. Je gescheuter man sei, desto besser komme man mit ihnen nach, denn da fänden sie nicht Gelegenheit, einen zu betrügen, und scheuten sich auch mehr oder weniger davor; es heiße ganz recht, man solle klug sein wie eine Schlange, aber auch ohne Falsch wie eine Taube. Ein dummer Mensch sei eine immerwährende Versuchung für Andere, ihn hinters Licht zu führen, ihn zu betrügen. Er solle nur gescheut tun, so hätte alles nichts zu sagen. Ja, was er dann zu machen hätte? fragte Uli. «Vielleicht wäre das das Witzigste, du gingest gar nicht hin, ließest dich nirgends finden; da würden sie dann von selbst deinen Namen aus dem Spiel lassen müssen. Indessen gehe und wehre dich, da werden sie dir das Schönste versprechen und immer mehr und mehr und werden schwören und alle Zeichen setzen, daß es dir ganz warm ums Herz werden wird, daß es dich dünkt, es müsse wirklich so sein und es wäre die dümmste Sache von dir, wenn du nicht nachgäbest und dein Glück zu machen suchtest. Dann sag in Gottes Namen Ja, aber man solle dir die Sache gschriftlich geben. Sieh dann, was das für Gesichter gibt und wie man dir sagen wird, das mangle sich nicht; wenn es dir ja alle versprechen, so werde das wohl gut sein, und man wollte sich doch schämen, so etwas zu versprechen und nicht zu halten. Indessen bestehe darauf und sieh dann zu, was man dir gibt, wer es unterschreibt und daß darin alle vernamset seien und Einer für den Andern gut ist.» Ja, sagte Uli, das wäre wohl gut, aber er könne nicht Geschriebenes lesen. «Ei nun», sagte der Meister, «das macht nichts; nimm das Papier nur heim, man kann sehen, was darin ist, und du kannst morgen noch immer machen, was du willst.» «Aber meinst dann, Meister,» fragte Uli mit Beben, «das mache nichts und ich verfehle mich nicht?» «Das kömmt darauf an,» sagte der Meister; «wenn du mir diesmal glauben willst, dich nicht willst mißtreu machen, aufreisen lassen, so verspreche ich, dir hinauszuhelfen. Willst du aber den Andern wiederum mehr glauben als mir, so kannst du meinethalb; siehe dann, wie es dir geht. Ich habe es dir im voraus gesagt, wie das Ding auslaufen werde, aber du hattest zu den Andern mehr Glauben als zu mir. Ich weiß wohl, wie sie mich werden verdächtigt und gesagt haben, es sei nur Mißgunst von mir, nur Zwang, ich wolle meinen Leuten keine Freude gönnen; und nicht recht von dir, Uli, daß du solche Dinge von mir glauben konntest. Ich hätte geglaubt, du solltest wissen, wie ich es mit dir meine, und du verdientest wirklich, daß ich dich stecken ließe. Aber das sage ich dir rundweg; wenn du mir noch einmal so mißtreu wirst und jedem Ohrenbläser und Lumpenhund mehr glaubst als mir und seine Aufweisungen gegen mich annimmst, so sind wir geschiedene Leute für immerdar. Wenn ich ein Vater an dir sein will, so kann ich doch fordern, daß du Glauben zu mir habest, und den solltest du wohl haben können!» Uli bekannte sein Unrecht und daß er nicht geglaubt, daß die Menschen so seien. «Was,» sagte der Meister, «daß die Menschen so seien? Du hast ja geglaubt, ich sei ein schlechter Meister und wolle dich ausnutzen; du hast geglaubt, daß der, der mit der Tat sein Wohlwollen dir zeigte, schlecht sei, hingegen gut diejenigen, die dir flattierten, schmeichelten, aber auch nicht ein Augvoll an dir taten. Du hast es gehabt wie alle: du hast den Glauben an die Schlechten gehabt und Unglauben gegen die, welche gut an dir waren; dann kommst du wie alle Andern: du hättest nicht geglaubt, daß die Menschen so schlecht seien. Das ist eine unvernünftige Rede. Aber ihr könnt Gut von Schlecht nicht unterscheiden und habt eine natürliche Vorliebe für die, welche euch aufweisen, und eine natürliche Abneigung gegen die, welche euch befehlen, euch in Ordnung halten müssen, und darum glaubt ihr zehnmal einem Halunk und nicht einmal einem Meister. Darum gehts den Meisten auch so gut und kommen so weit. Glaubs mir nur: die, welche Knechte und Mägde haben müssen, sind weit mehr gestraft als die, welche Knechte und Mägde sein müssen.» Der Meister war wider seine Gewohnheit ganz heiß geworden. Uli hielt ihm an: Er solle doch recht nicht böse sein; wenn es jetzt so gehe, wie er gesagt habe, so wolle er sein Lebtag an ihn glauben und nie mehr an Aufreisungen und Halunken.

Am andern Morgen früh kam Uli zum Meister und sagte ihm: Er hätts nicht geglaubt, aber punktum sei es gegangen, wie er gesagt; er glaube, der Meister könne hexen. Sie hätten ihn fast gefressen vor lauter Liebe und Freundschaft, und zwischenein habe hie und da einer ihn wollen zu fürchten machen, und am Ende hätten sie ihm über alles aus tausend Pfund für ihn versprochen. Da habe er nachgegeben und es gschriftlich gefordert. Lange hätten sie mit ihm gezankt, und endlich habe Resli gesagt: He, was das dann mache, sie könnten es ihm wohl geben, und er solle selbst schreiben, wie er es haben wolle. Da habe er gesagt, er verstand sich nichts aufs Gschriftliche, und Resli habe gesagt, so wolle er es machen, und Zwei müßten es im Namen aller unterschreiben. Nun hätten sie ihm dieses Papier mitgegeben, aber ihm gesagt, er solle es bei Leib und Leben einstweilen niemandes zeigen, sonst könnte das Ganze fehlen; und wie sie es ihm abgelesen, sei alles so gewesen, wie sie es abgeredet. Aber das hätte ihm nicht gefallen, sie hätten zäpflet untereinander, und jeder habe das Maul verzogen, wenn er dareingesehen.

Der Meister sagte: «Soll ich dir jetzt ablesen, was darauf steht? Hör:

«Daß vergangenen Sonntag es schlecht gegangen mit dem Hurnußen und daß nachher auch übel geschlagen worden, woran des Bodenbauren Knecht schuld ist und sich auch als schuldig dargegeben und bekannt hat und alle hiemit liberiert sind, das bezeugen mit ihren Unterschriften für sie und die Andern:

Heuschrecken, den siebenesiebezigst Jänner 1000,8005.

Johnes Fürfuß.
Bendicht Hemmlischilt.»

Als Uli das Papier ablesen hörte, wurde er bald rot und bald weiß, und als es aus war, hatte er beide Hände geballt und konnte nichts sagen als: «Die Donnere, die Donnere!» «Und jetzt, Uli,» sagte der Meister, «wem ist nun zu glauben?» «Schwyg doch, Meister,» sagte Uli; «aber wart, dem Donners Resli schlag ich auf der Stelle beide Beine abenandere.» «Das käme gut heraus,» sagte der Meister. «Da kämest du vom Regen unter das Dachtrauf.» «Aber was soll ich machen?» sagte Uli, «so will ich es nicht annehmen.»

«Gehe, mach deine Sache,» sagte der Meister, «und laß mir das Papier da, ich will das Ding in der Stille fertig machen; es ist am besten, man mache nicht Lärm, es könnte für beide Teile nichts Gutes dabei herauskommen, nichts als Futter für die Lämmergeier, welche vom Streit der Bauren leben.» Als der Meister ruhig zMorgen gegessen hatte, trätschete er so wie von ungefähr gegen Reslis Hofstatt, wo dieser Äpfel auflas, rühmte ihm, wie viele und schöne Bäume darin seien und wie sie bsunderbar gerne trügen. Er ging darauf einige Schritte, kehrte sich dann um und sagte: «Jä, jetzt hätte ich es bald vergessen! Uli geht heute nicht an die Ausmacheten, das Papier hat ihm nicht recht gefallen.» Resli bückte sich nach Äpfeln und sagte: «He nun, er hat dWehli (die Wahl); aber sehe er nur, was er macht.» «He, ja ja,» sagte der Meister, «aber ich habe dir nur sagen wollen, daß man mir Uli eh rüeyig läßt; es ist euch nützlicher, ihr machet aus und zahlet und fordert dem Uli keinen Kreuzer, als daß er das Papier dem Landvogt zeigt.» Darauf gab Resli gar keine Antwort, sondern sagte: «Johannes, es wäre mir lieb, wenn du deinen Hag besser vermachtest; deine Schafe sind immer in meiner Hofstatt, und wenn eins an einem Öpfel erstickt, so will ich nicht schuld sein.» Noch diesen Nachmittag solle die Lücke vermacht werden, sagte Johannes; es wäre schon lange geschehen, wenn man Zeit gehabt hätte. Er solle es nicht für ungut halten. Nein, sagte Resli, aber es hätte ihn gedünkt, es wäre afe Zeit. Er hätte nichts dawider, sagte Johannes, «aber Resli, du weißt wohl, wenn ds Hurnuße nicht gewesen wäre, so wäre Manches gemacht, was nicht gemacht ist, und manches wäre unterwegs geblieben, was nichts abträgt.» Dem Resli kam der Tubak in den letzen (unrechten) Hals; er mußte husten, und Johannes ging fürbas; aber zu Uli sagte von wegen dem Zahlen niemand etwas mehr.


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