Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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«Trini,» sagte später der Bauer seiner Schwester, «dPredig ist aber lange nicht aus und du tätest mir ein Gefallen, wenn du kücheln wolltest. Meine Alte wird froh sein, wenn sie heimkömmt und das gmacht ist. Es ist Anken im Keller, ich will ihn dir hinaufholen.» «Nein, Johannes, das tue ich nicht,» sagte Trini. «Das manglet sich gar nicht z'küechle, und dann küchle ich nicht in einer fremden Pfanne und mit fremdem Anken. Ich hätte es auch nicht gern, wenn mir jemand über meine Ankenkübel ginge.» «Du machst dich eigelicher als unsere Frau Pfarreri,» sagte Johannes. «Warum, was hat denn die gemacht?« fragte Trini. «Ds Pfarrers sind letzthin hier gewesen, und da war meine Alte auch nicht daheim. Sie geht manchmal so lange nicht von Haus, aber allemal, wenn sie fort ist, dünkt mich, es komme jemand. Da habe ich ds Pfarrers gesagt, es sei mir gar leid, meine Alte sei nicht daheim, sonst hätte die ihnen eins küchlen müssen. Ich wisse wohl, Küchleni seien den Herrenleuten seltsam. Oh, sie wolle schon küchlen, sagte ds Pfarrers Frau, ich solle ihr nur Anken geben, das Mehl wolle sie schon finden. Und ist sie nicht gegangen und hat geküchelt, daß man es im ganzen Dorf gschmöckt hat, und hat noch geglaubt, was sie verrichte. Wohl, da hat meine Alte etwas gesagt, als sie heimgekommen ist. So uverschant, meinte sie, sei sie doch nie gewesen, wenn sie schon nie im Welschland gewesen und Gumpernantlis gelernt habe.» Während Trini lachte, ging der Bauer hinaus und sagte Annebäbeli: Es müsse noch mehr Fleisch in den Hafen und ein stattliches Hammeli, und dann solle es der Mutter alles zwegmachen zum Küchlen. Annebäbeli wäre im Zuge gewesen und hätte gerne selbst geküchelt, um zu zeigen, daß es das auch könne. Wer weiß, was Annebäbeli noch unterfangen hätte, wenn nicht glücklicherweise die Mutter dazwischengekommen wäre. Sie kam im Schweiß ihres Angesichts. Sie hatte von weitem das Wägeli vor dem Hause stehen sehen, und alsobald stund vor ihren Augen alles, was sie noch zu tun hatte, um am Mittagessen mit Ehren bestehen zu können. Das trieb zur Eile, und unterwegs dachte sie immer: wenn sie nur daran gedacht haben, noch mehr Fleisch überzutun, wenn ich jetzt schon wollte, so wird es nicht mehr lind; aber das kommt meinem Mann nicht in Sinn, und Annebäbeli ist einmal noch z'jungs. Und ehe sie in die Stube kam, sah sie noch über die Häfen, und als sie das hinzugekommene Fleisch und die Hamme sah, war sie ganz verwundert und sagte: Das hätte sie nicht geglaubt, daß das eim zSinn käme. Als drinnen schön gegrüßt worden war, sagte Trini: «Was hättest du gesagt, Eisi, wenn ich es gemacht hätte wie eure Frau Pfarrerin und dir über die Ankenkübel geraten wäre? Der Johannes hat mich wollen dahinterreisen.» «Ja, das wär mir ganz recht gewesen,» sagte Eisi, «wärest du nur dahintergegangen!» Aber im Herzen dachte Eisi doch, es sei besser, Trini habe das nicht gemacht, es hätte saure Augen gegeben, und der Johannes sei hie und da noch immer so dumm, wie wo es ihn bekommen. Ds Mannevolk sei gar nicht zu erbrichten.

Mit Schwitzen und Essen und Brummen über die Mägde, welche mit ihrem Salzsäcklein gar nicht heimkommen wollten, ging der Mittag vorüber; der Nachmittag wurde mit anderem zugebracht. Die Kinder handelten mit Küngelenen (Kaninchen). Des Johannes Bube verkaufte dem andern eine aschgraue Mähre um drei Batzen. Als derselbe ein schönes ledernes Säckeli hervorzog und die drei Batzen hervorblechen wollte mit fröhlichem Herzen, denn er hatte einen ganzen Batzen abgemärtet und glaubte einen sehr guten Kauf gemacht zu haben, sah es Eisi und fuhr dazwischen und wollte es absolut nicht tun, daß er die aschgraue Mähre bezahle: Sie hätten ja deren Küngeli mehr als genug, sie hätten des Jahres Junge, es wisse kein Mensch wie oft, und er solle ihm nicht ds Hergetts sein und einen Kreuzer abnehmen, das hätte ja keine Gattig. Das Bübli, das aufrecht und ehrlich gehandelt hatte und von Küngeliverehren nichts wußte (denn es hatte den Vater auch nie Kühe und Pferde verehren sehen, sondern verkaufen), machte ein sehr verblüfftes Gesicht, und das Weinen war ihm nahe. Trini nahm des Buben Partie, wollte es lange nicht tun und sagte: Gehandelt sei gehandelt, und es wäre uverschant, wenn sein Bub das Küngeli umsonst nähmte. Als aber Eisi standhaft blieb (ging es doch nicht über seine Kasse aus), gab endlich Trini nach unter dem Beding, wenn sie ihm versprechen wollten, bald zu ihnen zu kommen, so könne ihr Bub die aschgraue Mähre nehmen; er müsse aber dann dem Johannesli einen hasengrauen Bock geben, ein Fotzelküngeli (langhaariges Kaninchen), sie hätten deren Böcke zwei, die plagten einander nur. Als das Johannesli hörte, vergaß er das Weinen, und der hasengraue Fotzelbock kam ihm so lange im Traum vor, bis er ihn wirklich in Händen hatte.

Auf dem Wege aus dem Garten nach den Pflanzplätzen waren Trini und Eisi zufällig zu diesem Handel gekommen. Eisi machte diesen Spaziergang diesmal nicht ganz so freudig wie sonst. Die Erdflöhe waren hinter dem Flachs gewesen, und das Werch (Hanf) war etwas ungleich. Trini rühmte aber alles gar sehr, während Eisi es ausmachte. Trini dachte freilich bei sich, während es rühmte: zur Zeit, wo es daheim gewesen wäre, hätten sie viel schönere Sachen gehabt als jetzt, und Kabislöcher, wie es sie daheim habe, seien hier auch keine. Als es den Flachs sah, dachte es bei sich: Gottlob, der ist noch viel schlechter als der meine! Indessen sagte es dieses nicht, sondern: Es sei gar schade, daß die Erdflöhe so viel gschändet hätten; es wäre sonst der schönste Flachs, den es in diesem Jahre noch gesehen; der seine sei viel leider. Aber Eisi sagte, das würde kaum möglich sein. Gar schöne Rübli bewegten Trini etwas zum Neid, und es rühmte dieselben besonders und sagte: Bei ihnen herum hätte es nie solche gesehen, und wenn es von dieser Art Samen bekommen könnte, so wollte es dafür zahlen, so viel man wollte; aber es wüßte nirgends welchen zu bekommen. Eisi mußte sagen, es wolle ihm schon geben, der nichts kosten solle. Trini sagte, es wolle gerne zahlen, aber Eisi sagte: Was es doch denke! Bei sich dachte es: es werde es niemand merken, wenn es schon andern Samen dareinmische. Endlich ließ sich Trini bewegen, vom Bezahlen abzustehen; dagegen versprach es, es wolle, wenn sie zu ihnen kämen, Eisi Bohnen geben, wie es sicher auch noch nie gehabt. Die Kifel würden über einen halben Schuh lang, seien breit wie ein Daumen und doch so zart, daß sie einem im Maul ganz vergingen wie Zucker. Eisi dankte gar schön, dachte aber bei sich: da werde wohl etwas abzumärten sein; es könnte nicht begreifen, wie Trini zu Bohnen käme, von denen es noch nichts gehört.

Unterdessen war Johannes mit dem Schwager im Stall gewesen und hatte ihm alle Herrlichkeit gezeigt. Es war mehr als ein Pferd herausgenommen worden, und Johannes hatte gesagt, er hätte so und so viel lösen können, aber er gebe es nicht, es müsse ihm wenigstens zwei Dublone mehr gelten. Dann war der Schwager ringsum gegangen, hatte es billig gerühmt, sich aber nicht enthalten können, so mit einigen Winken zu verstehen zu geben, daß er auch Augen im Kopfe habe. Etwas mehr Kuttlen würden ihm nichts schaden, sagte er; wenn das Zeichen etwas kleiner wäre, so würde es ihm wohl anstehen, und wenn es die Ohren etwas näher beieinander hätte, so glaube er, er würde lösen, was er wollte. Von da waren sie zu den Kühen gekommen. Johannes erzählte, wie lange jede trage und wie viel Milch jede gebe und was die und jene ihn gekostet und wie bsunderbar glücklich mit dieser und jener er gewesen. Unterdessen waren des Schwagers Blicke durch einen jungen schönen Schwarzkleb gefesselt worden. Von diesem zog er, wie im Vergeß, die genaueste Erkundigung ein und frug endlich um den Preis desselben. Johannes sagte, der sei ihm eigentlich gar nicht feil, und wenn er ihm nicht so und so viel gelte, so gebe er ihn nicht fort. Der Schwager sagte, das sei viel zu viel. Es sei wohl ein braves Rind, aber er hätte noch viel brävere gesehen; es sei wohl schwer im Kopf und habe kein schönes viereckiges Uter, aber es kalbere ihm gar anständig. Es gingen ihm zur selben Zeit gerade zwei Kühe gust, und da müsse er etwas Frisches einstellen, das Milch gebe, sonst gäbte es Lärm im Hause. Sie märteten lange miteinander, märteten bis an einen Neuentaler Unterschied, aber da wollte Keiner mehr nachgeben und der Handel zerschlug sich. Hingegen bestellte der Schwager das Kalb davon, wenn es ein Kuhkalb sein sollte, und Johannes versprach, das sollte er nicht zu teuer haben, sondern ungefähr so, wie es Kauf und Lauf sei.

So war der Nachmittag vergangen, und Trini suchte den Mann, um ihn an die Abreise zu mahnen. Man redete ein, wie früh es sei, und sie sollten noch in die Stube kommen. Als Eisi immer nötlicher pressierte, verstund man sich dazu. Drinnen stund wieder die stattliche Kaffeekanne, eine mächtige Ankenballe, Küchli, schön weißes Brot, Honigwaben, Kirschmus, Käse, Hamme und süßer Zieger. Trini schlug fast die Hände über dem Kopf zusammen und fragte: Was Eisi doch auch sinne; sie hätten ja erst zu Mittag gegessen, es düechs, es möchte es noch mit dem Finger erlängen und könnte es machen bis morndrist zAbe. Wenn sie zu ihnen kämten, so könnte es ihnen einmal nicht so aufwarten; es wüßte nicht, wo es dasselbe nehmen sollte. Aber Eisi sagte, es wolle ihns nur ausführen, denn das Aufwarten hätte es bei ihm gelernt; wenn man bei ihnen wäre, so käme man ja den ganzen Tag nicht vom Essen weg. Nachdem sich in der Tat noch hie und da ein Plätzchen für ein Küchli oder eine Ankenschnitte gefunden, nachdem die Kaffeekanne der Weinflasche Platz gemacht, auch dieser trotz vielem Weigern zugesprochen und noch Gesundheit gemacht worden war, bestieg man das schon lange bereitstehende Wägeli. Trini mußte dreimal ansetzen und Johannes den Sitz auf der andern Seite halten, ehe es oben war; dann wurden die Kinder aufgepackt, aus deren Säcken noch Stücke Brot sahen, und endlich stieg der Schwager nach. Wohin der eigentlich sollte, begriff niemand, bis er mitten in die Andern hineinplumpte. Es war fast, als ob ein Kindlifresser da hinaufgefahren; denn hinter seiner breiten Gestalt verschwanden die Kindlein, nur hie und da streckten sich Ärmchen hervor, die fast aussahen, als ob sie direkt aus seinem Bauche kämen.

Es gab viel Wegräumens, und später wurde zu Nacht gegessen, als sonst der Brauch war. Während demselben sagte Johannes: «Mutter, du mußt uns die Laterne rüsten; Uli und ich müssen diese Nacht dem Kleb wachen, es gibt ein Kalb, ehe es Morgen ist.» Uli sagte, ds Michels Hans hätte ihm versprochen, diese Nacht wachen zu helfen, und wenn es bös gehen sollte, so sei es immer noch früh genug, den Meister zu wecken. Der Meister aber sagte, er solle dem Hans nur absagen; er hätte nicht gerne, wenn man fremde Knechte unnötigerweise und ungefragt brauche. Michel habe morgen Hans nötig, und man erfahre es alle Tage, was ein Knecht, der nicht geschlafen habe, wert sei. Uli meinte, so könnte ja sein Nebenknecht wachen helfen. Diesmal sei er lieber von Anfang an selbst dabei, sagte der Meister. Es sei das letztemal bös gegangen, er möchte diesmal davor sein. Uli mußte den Meister haben.


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