Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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Käthi brichtete, Uli konnte nicht mit einem Hämmerlein dazwischen, und so kamen sie bis zu ihrem Scheideweg. Da dankte Käthi dem Uli gar schön und sagte, es hätte die Tüfels Tiere nicht heimgebracht ohne ihn. «Dankeigist dafür; und dann bin ich dir noch acht Batzen schuldig, und ich bin nicht gerne etwas schuldig, man könnte es vergessen, und das hätte ich ungern. Komm kurzum und hole es, hörst, sonst hab ichs ungern. Oder weißt was,» sagte Käthi, schon zehn Schritte weiter mit seinen Schweinchen, «chums hinecht cho yzieh!» «Ists dr Ärst (Ernst)?» rief Uli zurück. «Ja, my armi türi», antwortete Käthi.

Ganz wunderlich ging es dem guten Uli im Kopf herum. Käthi war eine Person, wie man sagt, von den töllsten eine, hatte eine Postur wie eine Fluh, einen Gring wie ein Mäß, Arme wie ein Ankenkübli und Beine, wie es selbst gesagt, noch dickere. Käthi war eine Baurentochter, der Vater hatte ein großes Wesen; Käthi hatte Bietersackgeld, mehr wie mancher Bauer Geld; die vier Basen im Aargau waren auch nicht zu verachten, und Käthi war nicht spröde, und Käthi nahm vielleicht Uli, er glaubte das aus dessen Worten abnehmen zu können. Ein glücklicher Bursch war, wer Käthi erhielt, so ein werchbar Mensch! Das alles machte Uli sturm, daß er fast den Weg nicht getroffen hätte.

Als Uli vom Stolpern sich aufschnellte, sah er das Haus des Meisters in der Nähe. Da vergaß er Käthi und dachte an die Dublone, die er heute verdient hatte. Es fiel ihm ein, die werde den Meister reuen, und ob es eigentlich nicht besser wäre, er verheimlichte sie ihm und redete nur von zwei oder vier Franken. Kein bekannter Mensch war beim Kauf gewesen und ein fremder Händler der Käufer. Er ersparte auf diese Weise dem Meister Ärger und behielt nichts für sich, als was ihm von Gott und Rechts wegen zugehörte, was er in eigentlichem Sinne verdient hatte. Aber wußte der Meister, wie Kauf und Lauf ginge; sollte er seine Gutmeinenheit, daß er ihm das Verkaufen anvertraut, also mißbrauchen? Denn wenn der Meister nicht gut gegen ihn gewesen, so wäre er selbst gegangen, und als einem alten Fuchs, den die Vorgumper (so nennt man die Treibauf der Küh- und Roßhändler) nicht täuschen, wäre auch ihm der Profit nicht entgangen. Das arbeitete in ihm, die Wage stieg auf und ab, und es war noch nichts entschieden, als er zum Hause kam und am Stüblifenster ihm der Meister klopfte und ihn hineinkommen hieß. Er kam und trat mit einer Art Respekt in dieses Heiligtum, in dieses Kämmerlein, das Allerheiligste des Hauses.

Das Allerheiligste in der großen Welt ist ein Salon. Nach diesem fragen die Herrn und Damen, wenn sie ein Haus mieten wollen, messen, wie hoch er sei, ob ein Leuchter darin Platz habe, wie breit er sei und wie manchen Spieltisch man placieren könne, und sehen sich an den Wänden um, ob Glanzfarbe daran sei oder geschmackvolle Tapeten; aber nach einem Stübli fragen sie nicht. Und haben sie einen Salon gefunden, so gehen sie glücklich heim, machen ein glücklich Gesicht und raten ab, ob man die alten Meublen noch brauchen könne oder neue mangle. Und Beide machen ein glücklich Gesicht, solange Beide einer Meinung sind, und sobald in diese irgend ein Unterschied trittet, so ziehen die Gesichter sich schief, das Unglück trittet in alle Züge, die Frau kriegt Krämpfe, der Mann Taubsucht, Eins fällt hier aus, das Andere läuft dort aus. Da können sie den Salon nicht mehr brauchen, und Stübli haben sie keins, höchstens einen Alkoven. Kein Stübli, wo sie mit treuem Sinn und halblauter Stimme die gemeinsamen Angelegenheiten beraten, Keines zu einem hohen oder lauten Ton sich hinreißen läßt, Keines anders als einig mit dem Andern das Stübli verläßt, das Stübli, der Ehe Heiligtum, wo Leiden und Freuden, Hoffen und Kümmern, Meinen und Glauben treuherzig geteilt, treuherzig aufgenommen und treuherzig verarbeitet, getragen werden. Ja, wenn ihnen ein Stübli Bedürfnis würde und sie nach einem Stübli fragen würden statt nach einem Salon, es würde manche Ehe wieder eine Ehe, die jetzt nichts anders ist als ein Salonstück, bestehend aus einem Mann und einer Frau in einem Salon, Beide nach Möglichkeit aufgeputzt, wenigstens die Frau geschnürt und mit einem Schnepf (eine Art Rock) versehen, aber jedenfalls Beide mit langweiligen Gesichtern und mit unflätigen Mauggern (hängendes Maul), bis das Kammermeitli die erste Person anmeldet. Dann strengt man sich zu graziösen Gesichtern an, macht glückliche Augen und rudert wie in einem Meer von Wonne dem Sofa zu. Es ist aber nur Salonwonne!

Kein Kammermeitli, weder ein weltsches noch eins vom Buchholterberg, meldete den Uli an, sondern er trat alleine ein, aber doch mit einer Art von Respekt; denn in demselben war er noch nie gewesen, als wenn ihm der Meister die Kuttlen gewaschen oder den Lohn gegeben. Darum trat er diesmal ein wie in einen geheimnisvollen Hain, in dem einem Dinge begegnen konnten, die noch kein sterbliches Auge gesehen. Drinnen saßen der Meister und die Frau Meisterin bei einem Kaffee, und der Meister frug den Uli nach seiner Verrichtung: Er werde den Scheck verkauft haben, daß er ihn nicht heimgebracht? Die Frau Meisterin aber stund auf, ob auf einen Wink oder eigenmächtig, war nicht bemerkbar, holte ein Kacheli, schenkte es voll, stellte es zweg und sagte: «So hock ab, nimm das und hau dr selber Brot ab, du sottst durstig sy? Es macht heiß!» Nachdem Uli gesagt hatte, das hätte sich nicht gemangelt, hockete er doch ab und begann zu brichten, wie es ihm ergangen, und von Anfang bis ans Ende war alles lautere Wahrheit; alles, was er gesagt, gedacht, getan, erfuhren der Meister und die Frau Meisterin, es wäre ihm unmöglich gewesen, hier im Stübli ein unwahres Wort aus dem Mund zu bringen. Zuletzt zählte er das Geld auf und alles bei Batzen und Kreuzer, was er gelöst, und schob es dem Meister dar. Der Meister lachte, und die Meisterin sagte: Er hätte es ihnen recht gemacht, aber sie hätte nicht geglaubt, daß er sövli merkig wäre.

Sie aßen und tranken, und als der Meister fertig war, nahm er seine Dublonen und schob die eine dem Uli hin mit der Bemerkung, daß er diese nicht wolle, die gehöre ja ihm laut Abrede. Uli sagte: Ja, wenn es ein Zwänzger (kein östreichischer) wäre, so möchte es angehen, allein eine Duble, das sei zu viel, die nehme er nicht. Das wäre gspässig, sagte der Meister, wenn Uli nicht an seinen Profit gedacht hätte, er wäre vielleicht auch nicht so merkig gewesen. Er hätte sie verdient, und er sollte sie auch nehmen. Uli weigerte sich und meinte: Er sage nicht, daß er gar nichts wolle, aber er solle ihm öppen geben, was ihn billig düeche, aber eine Duble sei zu viel. Der Meister sagte: Er hätte es schon gehört, sie wollten nicht weiter chären (unnützerweise hin- und herreden). «Aber los,» sagte die Meisterin, die wie die meisten Frauen nicht gerne grundsätzlich verfuhr, besonders wenn eine ganze Dublone auf dem Spiele stund (eine Dublone in Kreuzern hätte sie an so viel Personen, als Kreuzer waren, unbedenklich ausgeteilt), «los, wenn der Uli vernünftig sein will, so tue nicht ungattlich; es düecht mich, wenn ihr halbieren würdet, so hätte Keiner sich zu klagen. Seh da, nimm, Uli, zwei Neutaler; und du, Johannes, tue das Geld weg, es könnte sonst noch jemand dazukommen, und den könnte es lächern ob eurem Branzen, und ihr kämet noch in die Brattig (Kalender).» Uli sagte: «Dankeiget de, aber es ist noch zviel!» Im Hinausgehen dachte er nichts, aber es regte sich doch ein Gefühl in ihm, das ihm sagte, die Sache sei nicht ganz nobel zugegangen. Indessen was wollte er anders, er mußte sich darein schicken. Der Meister aber strich sein Geld ein, tat es weg, ohne daß er etwas sagte, weder mit einer Miene noch mit einem Worte.

Nachdem die Tagesgeschäfte vorbei und abgegessen war, sagte Johannes zu seiner Frau, er müsse noch hinaus. Uli hätte noch die Sonntagshosen anbehalten; es nehme ihn wunder, ob der noch fortwolle, etwa zu Hubechbure Käthi, da wolle er doch auch noch ein Wort dazu sagen. Draußen traf er allerdings den Uli an, verdächtig in den Sonntagshosen und der Gelegenheit abpassend, wo er am unbemerktesten sich vom Hause wegstehlen konnte. Der Meister trat zu Uli und gab ihm zwei Neutaler. «Da nimm noch, was dir gehört. Hast du geglaubt, ich wolle dir das vorenthalten, was von Rechts wegen dein ist? Da bist du am Unrechten.» Uli wollte wieder Komplimente machen und sagte: Aber es sei doch nicht billig; er hätte es auch gelöst, wenn er selbst gegangen wäre, und sechszehn Pfund sei doch ein zu großer Taglohn für ein Knechtlein. «Hast du es gehört?» sagte darauf der Meister, «geredet ist geredet, und wenn es zehn Dublonen wären; was einer versprochen hat, das muß er halten, und ich bin zufrieden. Aber wegen meiner Alten habe ich da nicht wollen zanken, man muß den Weibern etwa einmal recht geben; man kann dann immer noch machen, wie man will oder wie es recht ist. Die Weiber haben in solchen Sachen nicht immer den rechten Verstand, wenn sie schon das beste Herz haben.» Uli nahm endlich den Rest der Dublone, und hoch vor Freuden schlug ihm sein Herz, an einem Tage um so viel reicher geworden zu sein, und er legte bei sich selbst das Zeugnis ab: sein Meister müsse doch wirklich ein braver Mann sein, unter Hunderten hätte das nicht einer getan.

Und wie der Meister so bei ihm stund, so ging das Herz ihm immer mehr auf, es düechte ihn, er möchte ihn doch neuis fragen. Aber er redete doch von etwas anderm, und wenn der Meister gehen wollte, so fing er wieder etwas Frisches an, aber doch nicht das Rechte. Endlich sagte der Meister: «Es ist Zeit, daß wir niedergehen, gute Nacht.» «Gute Nacht, Meister,» sagte Uli, «aber wenns dr gleich wär, so hätte ich dich gerne noch was gefragt.» «He was de?» sagte der Meister. «He, es ist mir wunderlich gegangen mit ds Hubechbure Käthi. Das hat mir neue so zuechegredt, daß es scheint, als hieße es dort nicht Nein, wenn ich es begehrte. Das muß ein bsunderbar werchbar Mönsch sein, in alle Spiel zu brauchen, es geht für einen Knecht. Und für einen, der nicht viel hat, muß da ein großes Vermögen sein, das wäre ein schöner Anfang. Käthi hat mir so um die Stauden herum geschlagen, daß es mir auftäte, wenn ich käme, und es zweiet (es wiegt) mir sich, ob ich gehen solle. Da habe ich gedacht, ich wolle dich fragen, du meinest es gut mit mir und könnest mir die beste Auskunft geben.»

«Für was mangelst du einen Knecht?» fragte der Meister. «Knecht mangle ich aparti keinen,» sagte Uli, «aber ich habe geglaubt, Käthi wäre eine rechte Frau für mich.» «Jä so,» sagte der Meister, «aber du hast mir an Käthi ausgestrichen, was zu einem guten Knecht gehört und nicht zu einer Frau; und eine Frau und ein Knecht sind nicht nur ganz verschiedene Krebse, sondern ein guter Knecht kann eine schlechte Frau und ein schlechter Knecht eine gute Frau sein. Was trägt es dir ab, wenn deine Frau den Knecht macht und von der Haushaltung so viel versteht als ein Gusti vom Geigen? Und so ist es mit Käthi. Es mäht und mistet, wie Mädchen das können, und trappet dir den Mist mit den bloßen Füßen, daß er ihm bis weit über die Stumphosen hinaufspreiset; aber eine repetierliche Suppe, die man von irgend einem Gschlüder unterscheiden kann, ist es nicht imstande zu machen. Die Mutter macht die Haushaltung, und nur wenn sie krank ist, chaaren dTöchtere i dr Pfanne herum und sagen, sie müßten kochen, und kochen dann, daß es eine eigeliche Sau nicht fressen möchte. Zu den Zeiten, wo sie meinen, sie müßten etwas Apartes haben, oder wenn der Vater nicht zu Hause ist, tätschlet eine jedere für sich. Wenn sie nur viel Anken und Eier und Mehl vergeuden können, so meinen sie, die Sache müsse auch gut sein. Keine kann dir ein Loch plätzen; ich glaube nicht, daß eine noch je eine Nadel in den Fingern gehabt hat. Es ist da ein schrecklicher Hausbrauch; es sind Sachen genug, jedes braucht, so viel es kann, und niemand achtet sich wieviel. Deswegen sind die Leute nicht reich; da geht es eher zurück als vorwärts, wie es allenthalben geht, wo keine Ordnung ist. Eine Tochter wird da niemals viel erhalten, Käthi mag sagen, was es will: das Vermögen ist im Land, das nehmen die Buben, und die Meitscheni können luegen, was sie kriegen. Von den Basen aus dem Aargau habe ich auch schon gehört, aber das sind nur so Zuckerstengel, die sie den Leuten durchs Maul ziehen. Ich wüßte gar nicht, woher sie Basen im Aargau haben sollten. Es geht nicht um diese Meitlein, sie rühmen viel zu fast, da denkt man, es hätte sich nötig. Schon ihre Mutter hat es so gehabt. Sie hätte mich auch beinahe gefangen, und ich wäre mich übel reuig geworden. Ich glaube, du bekämest Käthi, aber was wolltest du mit ihm? Geld kriegtest noch lange keins, du könntest hingegen dort Knecht sein ohne Lohn, Sühniswyb. Oder wenn du etwas anfangen wolltest, so könntest du eine Jungfrau anstellen für die Haushaltung zu machen, während Käthi dir den Mist vertrappet. Dann würde Käthi nirgend genug sehen, und wenn es nicht die Milch von vier Kühen verchaaren könnte, so würde es über Mangel und Not schreien. Du glaubst nicht, was man mit Baurentöchtern oft angeführt ist, aus denen man das größte Wesen macht und die aus einem großen Wesen heraus kommen. Die wissen oft in Gottes Namen nichts als gradane dryschla, nie genug zu sehen; wenn sie nicht bis an den Hals in der Milch und im Anken flotschen können, so meinen sie, es gehe ihnen übel, und wenn nicht immer der Schneider hinter ihnen, die Näherin vor ihnen ist, so sehen sie aus, daß man nicht weiß, was hinten und vornen ist. Und wenn man nicht Jungfrauen vermag oder die nicht mehr Verstand haben als die Meisterin, so weiß man oft in einem solchen Hause nicht, wo trappen, und das Essen ist, wie wenn es die Hühner ab dem Mist gekratzet hätten. Dafür wollen sie manchmal Pflug halten, meinen, was das sei, wenn sie einige Tage im Jahre vom Morgen früh bis am Abend spät mit dem Volk auf dem Felde sind. Zwischen den großen Arbeiten machen sie gewöhnlich den Faulhung. Wenn du so eine kriegtest, so hätte sie es dir das ganze Jahr alle Tage für und in den langen Tagen zweimal, wie gut sie es daheim gehabt hätte und aus welchem Hause sie käme und wie bös sie es bei dir habe und wie sie doch dr dümmst Hung gsy syg, sie hätte Andere haben können als so ein Baurenknechtlein. Das ist meine Meinung, Uli,» sagte der Meister, «mach darneben, was du willst; aber weil du mich gefragt hast, so rate ich es dir nicht.»

Uli hatte ganz andächtig zugehört und sagte endlich: «So will ich denk gehen und meine Sonntagshosen abziehen; du hast mir so eine Baurentochter ganz erleidet, aber du magst öppis recht haben. Wenn man eine Frau will, so muß man nicht auf einen Knecht sehen, und ich könnte da selbst der Knecht sein und nichts davonbringen als eine Kuppelen Kinder und eine böse Frau, die nie genug sehen würde aus Vertünligi (Gewohnheit, viel zu brauchen). Wenn du mir nicht gewehrt hättest, ich wäre gegangen und hätte da vielleicht den Schuh noch völler herausgenommen als mit Stini oder Ürsi. Es ist doch gut, wenn man noch jemand hat, der witziger ist, als man selbst ist.» «Ja,» sagte der Meister, «das ist kummlich; aber dann muß man ihn fragen und ihm glauben, sonst trägt es einem nichts ab».

«Du hast recht,» sagte Uli, «so witzig bin ich doch jetzt auch worden, zu fragen und zu glauben; du sollest Dank haben.» «Ist gerne geschehen,» sagte der Meister. «Gut Nacht.» «Gut Nacht,» antwortete Uli. «Aber los, daß du dann niemand plauderst, was ich dir gesagt.» «Häb nit Kummer,» sagte Uli, «sellig Sache bhäben ih für mih.»


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