Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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Neunzehntes Kapitel

Eine Tochter erscheint und will Uli bilden

Ds Elisi hatte nämlich großes Wohlgefallen an Uli und tat recht dumm mit ihm.

Schon im Winter hatte es dasselbe gefaßt, und wenn des Sonntags nachmittags Uli allein in der Stube war, so machte sich Elisi an ihn, kramte ihm alles aus, und er mußte raten und bewundern, so daß es Uli recht erleidete, in die Stube zu kommen. Die bessere Jahreszeit unterbrach diese Konferenzen, da bekam ds Elisi Längizyti. Es hatte ein halb Dutzend Blumentöpfe. Die hatten bisher monatelang ruhig an einem Ort stehen können, wenn Vreneli sie nicht der Sonne oder dem Regen nachtrug. Nun waren sie ihm nie am rechten Ort. Uli stund selten vom Essen auf, daß ds Elisi ihm nicht sagte, er müsse ihm seine Meienstöcke fürerstragen, das Vreneli trüge gar keine Sorge zu ihnen, es ließe sie je eher je lieber zugrunde gehen. Und selten kam Uli so schnell fort, als er wollte; er mußte bald an diesem, bald an jenem schmöcken (riechen), und wenn er fort wollte, so kam es Elisi in Sinn, an einem andern Ort wären sie noch besser, und er mußte sie noch einmal weitertragen und noch an einem schmöcken, welcher das vorige Mal übersprungen worden war. Saßen die Knechte am Abend auf dem Bänkli vor dem Stalle, so kam Elisi mit einer Gießkanne zum Brunnen und tat so ungeschickt und schüttete sich Wasser in die Schuhe, bis Uli ging und half, während die Andern tapfer lachten und ziemlich unverhohlen über das Schlärpli spotteten. Regnete es oder waren ihm die Meien sonst nicht im Kopf, so trippelte es doch da herum, ja einigemal nahm es sogar eine Lismete in die Hand und spazierte damit den Schopf auf und ab, weil es seine kalten Füße erwärmen müßte, wie es sagte.

Ja einmal im Emdet legte es sein Schaubhütli auf, zog lange Handschuhe an, schob zwei Paar Bracelets daran herauf, nahm sein Sonnenparesöli und ging hinaus, als sie mit dem Wagen Emd holen wollten. Uli mußte ihm einen Rechen auslesen, und nun fuhr Elisi, mit der einen Hand das Sonnenparesöli haltend, mit der andern den Rechen, in die Matte, sich schrecklich gebärdend über den harten Sitz auf dem Wagen und dessen jämmerliche Stöße. In der Matte wollte es Uli, der Heu auf den Wagen gab, nachrechen, das ging aber nicht. Erstlich fing sich ihm der Rechen immer im Grase, daß es ihn nicht loskriegen konnte, zweitens konnte es nicht rechen und zugleich das Paresöli halten, und die Sonne schien doch so heiß! Elisi setzte sich daher auf den Wagen mit seinem offenen Paresöli. Es war eine schwere Aufgabe für den Lader, den Wagen gehörig zu laden bei dem darauf sitzenden Elisi, das kein Glied machen konnte, das, wenn es etwas Platz machen sollte, Brülle ausließ, daß es den Schwalben, welche den Wagen umflogen, fast gschmucht wurde. Er mußte es hin- und herheben samt seinem Paresöli wie ein kleines Kind. Ringsum in den Matten stunden die Leute still, als sie das Parisöli auf dem Heufuder sahen, wußten zuerst nicht, was das war, denn so etwas hatten sie noch nicht gesehen, und lachten sich dann fast tot, als sie unter dem Parisöli auch das Elisi wahrnahmen. Als das Fuder höher und höher wurde, war es in einem beständigen Kreischen und wollte doch nicht herab. Als es auf dem schwankenden Wagen heimfuhr, hörten die «Herr Jeses, Herr Jeses! Ach heyt mih, heyt mih dr tusig Gottswille!» nicht auf. Endlich war man glücklich im Tenn, aber nun fing die Not erst an. Elisi durfte weder hinten dem Wellenseil nach hinunter noch vornen über das Fürgstütz. Der Vater und die Mutter kamen heraus, als sie das Geschrei hörten, und als die Letztere ihre Tochter mit dem Parisöli schreiend auf dem Fuder sah, sagte sie: «Du Tüfels Göhl, was kommt dir doch in Sinn? Hat man unser Lebtig e sellige Göhl mit dem Parisol uf enem Heufuder gesehen?» Joggeli begehrte mit der Mutter auf, daß sie jetzt hintendrein balge; sie hätte vorher wehren sollen, daß es nicht gehe, jetzt mache sie ihm nur Angst. Diese war in der Tat groß. Uli hatte hinten ans Fuder eine Leiter angestellt, und Elisi sollte auf die hinaustreten und da hinunter. Aber Elisi stund zitternd auf dem Fuder, das offene Parisöli in der Hand, und allemal, wenn es den Fuß hob, schrie es: «Herr Jeses, Herr Jeses! Heyt mih, heyt mih, ih fallen abe!» Endlich sagte Joggeli: Das tue nichts so, Uli solle hinauf und Elisi holen; es sei aber dumms von ihm, daß er Elisi einmal da hinauf gelassen, er hätte wohl denken sollen, das komme so. Uli ging die Leiter auf und wollte Elisi die Hand bieten. Aber Elisi schrie noch ärger. Da ging er aufs Fuder und wollte Elisi hinaus auf die Leiter heben, damit es auf derselben allein hinuntergehen könne; da schrie aber Elisi geradeaus, als ob man es am Messer hätte. Es blieb Uli endlich nichts übrig, als Elisi auf den Arm zu nehmen wie ein kleines Kind und so es zu tragen. Das ließ auch Elisi sich gefallen und hielt sich so wacker an Ulis Hals, daß er ganz braun und blau den Boden erreichte. Solange Elisi lebte, bildete diese Heufahrt seine Hauptgeschichte. Wenn man es erzählen hörte, was es da ausgestanden und erlebt, so stunden einem fast die Haare zu Berge, und man kam zur Überzeugung, daß was der Kapitän Parry auf seiner Nordpolexpedition erlebt, nur Kleinigkeiten seien gegen das, was Elisi von der Matte bis ins Tenn erfahren. Daneben behandelte es Uli handkehrum wieder mit gar mächtigem Hochmut, antwortete ihm so wenig als den andern Diensten, wenn er guten Tag oder gute Nacht wünschte, hielt ihm vor, er rieche nach dem Kühstall, führte ihn aus über seine rauhen, großen Knechtenhände, konnte sich aber denn doch nicht enthalten, mit seinen magern, bleichen Händen daran herumzufingerlen.

Uli war dieses sehr unangenehm, ohne daß er eine weitere Bedeutung darein setzte. Er meinte, das gehöre zu den Eigentümlichkeiten und Meisterlosigkeiten des verzogenen Kindes. Er war damit geplagt und wurde von den andern Diensten ausgeführt. Indessen benahm er sich anständig, denn es war immerhin die Meisterstochter, während hingegen die Andern das Mädchen zum Narren hielten oder es so rücksichtslos verhöhnten, besonders wenn sie zu Weihnacht aus dem Dienst wollten, daß es gar oft heulend und schreiend vor seinen Alten Klage führte und sich ins Bett legen mußte, sich gebärdend fast wie ein wirbelsinnig Kind. Joggeli nahm dann seinen Stecken und höpperlete weiters. Die Mutter sprach zu, es solle doch nicht so plären, es sei doch nicht dr wert, gab ihm Tropfen, und wenn es weit kam, so ging sie hinaus und putzte dem Sünder ab, daß er inskünftig ihr Meitschi rüeyig lasse. Dagegen erhielt sie gewöhnlich zur Antwort: Daß man Elisi gern rüeyig lasse, aber es solle dann in der Stube bleiben und brauche nicht zu ihnen zu kommen und anzufangen. Man sei doch nicht dafür da, sich von einem Sellige, das auf der Himmelswelt nichts sei, kujonieren zu lassen.

Dem Elisi kam es auf einmal in Kopf, es wolle seinen Bruder besuchen, es wußte niemand warum. Es war eine unmußige Zeit. Der Vater wollte es nicht führen; man wollte es ihm ausreden, aber ds Elisi fing an zu plären, zu schnopsen, als ob es ersticken wolle, bis es endlich hieß, Uli solle es morgen führen. Nun kam es nach und nach zu sich selbst, tat Kästen und Schäfte und Kommoden auf und füllte die ganze Stube mit seinen Herrlichkeiten und rief das ganze Haus zu Rate, mit was es die Trinette ärgern könnte. Dem Uli war die Reise nicht anständig; er ging nicht gerne zu Johannes, und auch hörte er den Spott seiner Mitknechte nicht gerne, die sich lustig darüber machten, daß er mit der Meisterstochter im Lande herumfahren könne. Zudem schien ihm Vreneli puckt und mutz, gab ihm kurzen Bescheid und warf seine Schuhe, die er zum Salben brachte, gar unsanft in eine Ecke. Diese Unfreundlichkeit mühte Uli doch und er hätte gerne gewußt, woher sie stamme, aber er hatte keine Gelegenheit, zu fragen. Als er am Morgen erschien, schön angetan mit dem Halstuch, das ihm die Meisterfrau gekramet, da warf es ihm spöttische Blicke zu und sagte ihm, er hätte wohl angewendet, aber er werde gedacht haben: Helf, was helfen mag!, aber dem Elisi möge er doch nicht nach. Allerdings erschien dieses gar schön und glitzerig, umbunden und aufgezäumt mit allem Möglichen, zwei Jungfrauen hinter sich, von denen jede ein Pack mit Kleidern trug, und hintendrein die Mutter mit einer Drucke, worin noch eine Kappe und die Mänteli waren, die nicht verdrückt werden durften. Es wollte freilich den andern Tag wiederkommen, aber es sagte, man wisse nie, was es gebe, und es sei einem nicht wohl, wenn man sich nicht wenigstens zweimal anders anziehen könne. Als der Zug durch die Stube war, ergriff Vreneli die Katze und trug sie einige Schritte nach mit der Frage auf der Zunge, ob es die nicht auch noch mitnehmen wolle. Doch besann es sich eines Andern, setzte die Katze wieder ab, ging zurück und drückte trübe Augen ans angelaufene Fenster.

Uli hatte sich voraufgesetzt, im verdeckten Sitz saß vergnügt ds Elisi. Es versuchte, sobald das Haus im Rücken war, mit Uli zu reden, aber das wilde junge Roß fesselte dessen Augen so, daß er nicht rückwärtssehen, seine Antworten nur so abgebrochen über die Achsel geben konnte. Da wurde ds Elisi ungeduldig, und einige Regentropfen gaben ihm den Vorwand, den Uli zu heißen, auf den Sitz zu kommen. Er machte Umstände, allein da er endlich den Regen und seinen Hut bedachte, so setzte er sich neben ds Elisi. Nun war diesem recht wohl neben Uli und es sagte ihm mehrere Male, er solle sich nur nicht so in den Ecken drücken, sie hätten gar wohl Platz nebeneinander, sie seien ja Beide noch nicht so dick wie der Vater und die Mutter, und die müßten doch auch Platz haben. Die Mutter sei auch nicht immer so dick gewesen wie jetzt, sie hätte manchmal gesagt, sie sei zu ihrer Zeit noch dünner gewesen als es. Es werde ihm auch schon bessern; der Doktor hätte ihm schon manchmal gesagt, wenn es einmal einen Mann habe, so werde es schon wieder rote Backen bekommen. Es sei das schönste Kind gewesen, wo man hätte sehen wollen. Die Leute seien allbets bei ihm stillgestanden und hätten die Hände ob dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt: «Nei aber, wie ist das doch ein Kind! So ein schönes haben wir noch nie gesehen!» Es besinne sich gar wohl daran. Noch wo es ins Weltschland gekommen sei, sei nit mengs schöners Meitschi im Kanton gsi. Backen hätte es gehabt wie gmalet und eine Haut so glatt, man hätte sich können darin luegen wie in einem Spiegel. Wenn es allbets sys Gitarrli an einem rot und schwarzen Bändel umgehängt habe und vor dem Hause auf und ab spaziert sei und schöne Lieder gespielt und gesungen habe, zum Beispiel «Im Aargäu sy zweu Liebi, und die händ enandere gern» oder «Üsi Chatz und ds Herre Chatz hey enandere bisse,» so seien ganz Kuppele Weltsch um es gestanden und hätten ihm flattiert; es hätte nur brauchen Ja zu sagen, so hätte es zehn für einen haben können von den Vornehmsten, wo im Weltschland seien, und so schön, so schön, daß man hier nichts so sehe. Das seien dort andere Leute als hier. Da sei es aber krank geworden und hätte wieder heim gemüßt, und da sei man gar wüst gegen ihns gewesen; es hätte arbeiten sollen wie öppe eine gemeine Baurentochter, und Speise hätte es brauchen sollen, so wie sie andere Leute auch hätten, wie sie aber kein Hund im Weltschland fresse, der leicht meisterlosig sei. Seither hätte es, es könne es wohl sagen, keine gesunde Stunde gehabt, aber es werde ihm schon noch bessern. Darauf erzählte ds Elisi seine ganze Krankengeschichte dem Uli; die dauerte, bis sie das Städtchen vor sich sahen, wo ds Elisi noch kramen wollte.

Da ließ es halten und sagte dem Uli, es regne nicht mehr, er solle wieder voraufsitzen, die Leute würden sonst nicht wissen, was das gegeben habe, daß es mit dem Knecht im Schesli hocke, und könnten ihm einen wüsten Lärm machen, den es nicht begehre. Das stach Uli in die Nase, und schweigend setzte er sich vorauf. Im Wirtshaus machte sich ds Elisi ganz breit, ließ sich nicht übel aufwarten, nachdem es doch auch an Uli gedacht und befohlen hatte, daß man ihm einen Schoppen gebe und etwas Weniges zu essen, öppe es Mümpfeli Fleisch und es Brösmeli Gchöch, und aß nur vom Besten. Rindfleisch nahm es keins, deren hätten sie daheim alle Tage, sagte es, und vom Gemüse, daß es deren keins gegessen, seit ihm der Herr erlaubt, es treibe ihm den Bauch gar auf, und vom Kalbfleisch wollte es wissen, daß es zu fett mache, und im Weltschland in den Häusern, wo man leicht vornehm sei, esse man gar keins. Hingegen den Fischen, Tauben, Hähnelinen sprach ds Elisi munter zu, als ob es gedroschen hätte. Es kramete tüchtig und sagte in jedem Laden, es wolle seinen Knecht schicken, die Sache zu holen. «Wo ist mein Knecht?» frug es, sobald es wieder im Wirtshause war. «Mein Knecht muß mir das holen, mein Knecht soll anspannen.» So ging es an einem fort, bis sie endlich wieder zum Tor aus waren.

Kaum dachte Elisi, nun könne vom Städtchen aus sie niemand mehr sehen, nicht einmal mehr der Sigrist im Turm oder der Landjäger im Schloß, so zog es ein rotes Nastuch hervor und sagte Uli, es hätte ihm auch etwas gekramet, er solle sehen. Er begehre nichts, sagte Uli, er könne es sonst machen. «So sieh doch,» sagte Elisi. Er hätte nicht Zeit, sagte Uli, er müsse auf das Roß sehen. Er solle halten und hereinkommen, befahl Elisi. Er sei wohl da, sagte Uli, es könnte es ja jemand sehen. «Bist höhn, Uli? Bis doch recht nit höhn,» sagte Elisi. «Was kann ich dafür? Üserein muß tun, was dr Bruch ist, we me nit will vrbrüllet werde. Gmein Lüt heys gar chumlig, es git niemer druf acht, was si mache; sie chönne mache, was es sie achunt, es seyt niemere nüt, aber üsereim paßt alles uf. Bis doch recht nit höhn, sunst han ih kei Freud meh!» So bat, befahl, jammerte, weinte endlich Elisi, bis Uli hineinging, aus Angst, Elisi möchte etwas Ungattlichs anfangen. Nicht weit von Frevligen hielt er aber von selbst und wechselte stillschweigend seinen Platz.

Frevligen ist ein großes Dorf in ebenem Lande, reich an Feldern und Wäldern; eine Heerstraße zieht sich durch dasselbe und schöne Bäche bewässern es, viel Reichtum ist dort, aber auch viel Übermut. Die Leute können notdürftig lesen und schreiben, haben Bildung, darum sind sie auch grenzenlos einbildisch. Weil sie vom A bis Z alle Buchstaben geläufig kennen, so meinen sie, sie kennten auch alle Dinge im Himmel und auf Erden, sprechen daher mit weiten Nasenlöchern, den Hut auf der Seite und die Hand am Geldseckel, über himmlische und irdische Dinge ab, daß Funken davonfahren, als ob die sieben Weisen Schnuderbuben gegen sie wären und jeder von ihnen eine lebendige, herumwandelnde Universität mit allen vier Fakultäten und den sieben freien Künsten im Leibe. Und wenn sie zufällig eine Tabakspfeife im Maul haben, dann will ich niemand raten, ihnen zu widersprechen. Jupiter mit Blitz und Donner in beiden Händen, im Begriff, Städte, Länder zu zerschmettern, muß ein lieblich Mieneli gemacht haben, mit dem Gesicht verglichen, das ein Frevliger macht, wenn er eine Tabakspfeife im Maul hat und Widerspruch vernimmt. Die Flüche entströmen ihm nicht einzeln, sondern dutzendweise, und die «Himmelsdonner» und «Dr Tüfel soll mih näh» hängen aneinander wie Fröschmalter (Spitzenfalten), und je gebildeter er sich glaubt, um so länger und um so gräßlicher flucht er, daß einem dünkt, er sei nicht bloß eine lebendige Universität, sondern auch eine lebendige Dampfmaschine, die Flüche fabriziert en gros. Wenn sie von weitem eine Wahrheit hören, seis nun eine religiöse oder eine medizinische, eine politische oder juridische, so blähen sie sich dagegen auf mit Schnauben und Tabak, als ob sie Schwefel unter der Nase fühlten. Wenn ihnen aber ein halbwitziger Gumi oder ein am Verunglücken begriffener juridischer oder medizinischer oder politischer Spekulant die sinnlosesten Unwahrheiten, die wüstesten Lästerungen vorplaudert, so tut es ihnen wohl durch den ganzen Leib; sie strecken wohlbehaglich die Beine von sich aus, und wohl Einer oder der Andere steht auf, schlägt auf den Tisch und brüllt, indem er Maul und Augen aufreißt, daß sein ganzes Gesicht nur ein Loch scheint: «Dä het jetz auf meine armi türi Himmelsgottsseel recht, dä vrfluecht Millionstusigsdonner!» Diese Leute sind ein fürchterlicher Beweis von einem menschlichen Zustande, in welchem man nur Lügen zu lieben, zu glauben imstande ist; sie beweisen die Wahrheit der Worte, daß nur, wer aus der Wahrheit ist, ein wahrhaft Gemüt in sich trägt, Wahrheit begreifen, lieben und glauben kann. Wer diese psychologische Wahrheit im Auge behält, der kann sich gar manches Rätsel im Staatenleben erklären, und gar manche Erscheinung, mit der er sonst nichts zu machen wußte, wird ihm deutlich. Wenn der widerlichste, wüsteste, selbstsüchtigste Lümmel mehr Glauben, mehr Anhang findet als der aufrichtigste Menschenfreund, so weiß er, was da einzig trösten kann.

Als sie dort vor das Wirtshaus fuhren, worin Johannes der Wirt war, so kam der Stallknecht, das Pferd abzunehmen. Kinder stunden vor dem Hause, aber bewegten sich nicht, Gesichter fuhren vom Fenster weg und zeigten sich nicht. Ds Elisi stund da vor dem Wirtshaus in grüner Seide, mit halb verfrornem Gesicht, wie ein Krautblatt im Winter, und Uli packte aus, Pack um Pack, die ihm niemand abnahm. Als endlich alles ausgepackt, das Pferd längst im Stall war, wanderten sie der Haustüre zu, bei den Kindern vorbei, die sie mit großen Augen anglotzten, die liebe Tante weder mit Gebärden noch Worten begrüßten, sondern sich herumschlenggeten und den Rücken wiesen, wenn man sie anreden wollte.


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