Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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«Was habt ihr für wunderliche Leute im Hause?» fragte unter anderem der heimelig gewordene Bräutigam. «Als ich das letztemal fortwollte, ging ich in die Küche und wollte dem hübschen Meitli, wo uns aufgewartet hat, ein Trinkgeld geben, wie es der Brauch ist; das kehrte mir den Rücken und sagte, es brauche kein Geld.» «Das wird Vreneli gewesen sein,» sagte die Mutter. «Es ist eigentlich nicht Magd, wir haben es dr Gottswille zu uns genommen. Es ist uns eigentlich von weitem verwandt und hat niemand gehabt, der sich seiner angenommen.» «Jä so,» sagte der Baumwollenhändler, «dann ists mir leid, wenn ich es beleidigt habe, ich muß es suchen gut zu machen.» Das sei nicht nötig, sagte ds Elisi; am besten täte er, es nicht immer so anzusehen, es könnte sonst meinen, was das zu bedeuten hätte. Es sei ohnehin ein anlässig Mensch. Das könne man just nicht sagen, sagte die Mutter. «Aber wer war denn der große, schöne Bursche,» durchschnitt der sprachgewandte Herr das unangenehm werdende Gespräch, «der mein Roß zäumte? Der hat mirs noch ärger gemacht. Der hat mir gar keine Antwort gegeben, aber den Zehnbätzler mir vor die Füße geworfen, so daß ich darauf und daran gewesen bin, ihm eine Ohrfeige zu geben, wenn ich meine Hand an einem Knecht hätte beschmutzen mögen.» Es sei besser, er habe das nicht getan, sagte Joggeli. Das werde Uli gewesen sein, der Meisterknecht, ein guter Knecht, aber längs Stück ein Kolder, mit dem nichts anzufangen sei. So einen würde er doch nicht haben, sagte der Händler. Er sei so bös nicht, sagte die Mutter. Und für das Land und das Vieh sei er bsunderbar gut, sie hätten noch Keinen so gehabt und so einen wüßten sie nicht mehr zu bekommen. Das müßte bös sein, sagte der Bräutigam. Wenn sie ihm den Auftrag geben wollten, so wolle er ihnen einen prokurieren um einen billigen Lohn, wo sie dann wüßten, daß sie einen Knecht hätten. Diesmal schnitt die Mutter das Gespräch ab und kam auf etwas anderes.

Endlich begann der Bräutigam davon zu reden, noch heute das Hochzeit angeben zu wollen zu Üfligen. Die Mutter schlug über diese Eile die Hände über dem Kopf zusammen, Joggeli schüttelte den Kopf und sagte: Das Pressier gefalle ihm nicht. Elisi sagte, das Wetter sei sehr strub, sie möchte warten bis morgen. Diese Meinung ging endlich durch, und der Herr blieb da über Nacht. Er suchte während dem Abend sein vermeint Vergehen gegen Vreneli gut zu machen, trappete ihm nach und wollte nach seiner Weise artig mit ihm sein. Elisi merkte es aber, und er hatte Mühe selben Abend, ein gutes Wort von ihm zu erhalten. Dem Vreneli packte das Elisi gräßlich aus, hielt ihm Anlässigkeit vor, daß es ihm den Bräutigam verführen wolle, daß es gesehen, wie sie mit den Augen ein Verständnis hätten, und daß es, wenn es einmal verheiratet sei, keinen Fuß mehr ins Haus setzen wolle, solange eine solche Luenz darin sei. Das sei ein schöner Dank, daß man es so lange dr Gottswille gehabt habe. Vreneli war nicht von denen, welche Personen wie Elisi schwiegen. «Die Luenz,» sagte Vreneli, «kannst du für dich behalten und deinen Schminggel auch; den möchte ich nicht, wenn ich noch einmal nichts hätte. Aber im Weg will ich dir nicht mehr sein, ich bin lange genug dr Gottswille hier gewesen. Was man an mir getan, glaube ich abverdient zu haben, und begehre nun nicht zTrinkgeld, daß man mir alle Tage vorhält, was längst vergangen ist und was dich nichts angeht, denn du hast nichts an mir getan als mich geplagt, wo du konntest. Einer solchen Gränne wegen wollte ich ein Narr sein zu plären und mir die Sache zu Herzen zu nehmen. Aber aus dem Wege will ich dir, darauf zähle. Und jetzt laß mich ruhig, dein Zyberligränni wird wohl auf dich warten.» Elisi wäre dem Vreneli ins Gesicht gefahren, wenn es nicht zu gut gewußt hätte, daß Vreneli sich von niemand auf den Leib kommen ließ. Es war schon einige Male bei solchen Anfällen von Vreneli an den Armen festgehalten worden, daß man die Zeichen noch tagelang sah.

Die sämtlichen Hochzeitgeschichten aller Art, das Hochzeit selbst usw. wollen wir überspringen, denn mit dem Baumwollenhändler haben wir es eigentlich nicht zu tun, sondern mit Uli, daher uns schon zu lange mit dieser unbedeutenden Nebenperson abgegeben. Als dieselbe aber einmal aufgetreten war, wollte sie sich bei ihrer angebornen jüdischen Zudringlichkeit nicht so schnell abfertigen lassen, und noch jetzt, nach gefaßtem Entschluß, werden wir ds Teufels Mühe haben, sie uns vom Leibe zu halten.

Ulis Stillschweigen und ruhiges Verhalten war den alten Eheleuten sehr sonderbar, indessen nicht unangenehm vorgekommen. Es wollte ihnen scheinen, als hätten sie das Verhältnis zwischen Elisi und Uli zu ernsthaft genommen und dieser sei froh, daß es gelöst sei, so daß er weiters nichts daraus machen, sondern dableiben werde. Sie hatten aber nicht Zeit, während dem Hochzeitstrudel das Nähere zu erforschen, sondern nahmen getrost das Bessere an. Als die Geschichte aber versurret hatte, mahnte die Mutter Joggeli, daß er Uli doch frage, was er gedenke; sie hätte alle gute Hoffnung, er werde bleiben. Joggeli meinte, wenn er nicht bleibe, so sei sie daran schuld. Ein Besserer wäre wohl zu bekommen, der Tochtermann hätte ihnen ja einen versprochen, aber man sei jetzt an Uli gewohnt, daher sei es ihm recht, wenn er bleibe; aber hängen wolle er sich nicht, wenn er gehe. «Du bist immer der gleiche Löhl,» sagte die Frau und ging zur Stube aus.

Als Uli einmal grasete, trappete Joggeli zu ihm und sagte: Sie werden es, denke er, wohl haben wie gewöhnlich; einmal er sei nicht anders gesinnet, als daß Uli bleibe. «Nein, Meister,» sagte Uli, «ich will fort, Ihr müßt für einen Andern sehen.» «Was kömmt dich an?» sagte Joggeli, «hast du schon wieder zu wenig Lohn oder hat dich der Johannes mir abgestohlen?» «Keins von beiden», sagte Uli. «Aber warum willst du dann fort?» «Ho, man kann nicht immer an einem Orte sein», sagte Uli. «Und wenn ich dir noch vier Kronen hinzumache?» «Um hundert bliebe ich nicht. Es ist mir erleidet, und wenn es mir einmal erleidet ist, so behält mich kein Geld.» Mißmutig stöffelte Joggeli dem Stübli zu und sagte seiner Frau: «Da hast du es jetzt, Uli will nicht bleiben; gehe und suche jetzt einen Andern, ich will nichts damit zu tun haben.»

Wie auch die Frau fragte: «Warum? Was hat er gesagt?», so antwortete Joggeli nichts darauf als: «Frag ihn selbst.» Und als sie fragte: «Was fangen wir jetzt an?», so sagte er auch: «Da siehe du zu, ich habe von Anfang gesagt, das komme so.» Weiteres brachte sie auf ihre Fragen nicht heraus. Da ging sie hinaus in die Küche, wo Vreneli waltete, die ihre Vertraute war in allen häuslichen Angelegenheiten, und sagte: «Denk o, Uli will fort, weißt du warum?» «Aparti nicht,» sagte Vreneli, «aber ds Elisi hat es ihm wüst gemacht und er wird denken, er wolle nicht da den Leuten zum Gespött sein und dazu sein Lebtag für Andere werchen, wenn man es ihm am Ende so macht.» «Aber was sollen wir jetzt auch anfangen?» sagte die Mutter, «so einen kriegen wir nicht wieder. Er ist manierlich, fromm, arbeitsam, es ist allen wohl dabei, man hat nichts von Streit gehört, und wenn er fortgeht, so ist alles anders; ich darf gar nicht daran denken.» «Es geht mir gleich», sagte Vreneli. «So, wie es vorher gegangen ist, mag ich nicht mehr dabeisein. Es ist mir leid, Base, aber ich muß Euch bei diesem Anlaß auch sagen, daß ich nicht mehr dableiben kann, ich will auch fort.» «Was, du? Was hab ich denn dir zuleid getan? Uli und du werden es abgeredet haben?» «Nein, Base,» sagte Vreneli, «Uli und ich haben nichts miteinander abgeredet, wir haben nichts miteinander. Ihr habt mir auch nichts zuleid getan, Base, Ihr seid immer eine Mutter an mir gewesen, und wenn alles auf mir gewesen ist, so habt Ihr Euch meiner angenommen; ich werde Euch das nie vergessen, solange ich lebe, und solange ich bete, werde ich für Euch beten, daß der liebe Gott Euch vergelten wolle, was Ihr an mir getan.» Und Vreneli weinte und längte der Base die Hand, welcher auch wieder große Tropfen über die roten Backen rollten. «Aber warum, du wüests Meitli, willst dann fort, wann du mich lieb hast und ich dir nichts zuleid getan?» fragte diese. «Ich bin an dich gewohnt, du hast mir alles zuvorgetan. Wenn ich etwas habe machen wollen, so war es gemacht; wie soll ich jetzt, wo ich alle Tage älter werde, bald nichts mehr mit mir ist, die schwere Haushaltung machen?» «Base, es ist mir leid, aber ich muß fort; ich habe mich verredet, ich wolle mir von Elisi nicht allemal wüst sagen lassen, wenn es mit seinem Mann kömmt. Allemal hält es mir vor, ich wolle ihm den Mann verführen, und hält mir alle Suppenbröckli vor, die ich hier gegessen. So kann ich nicht länger dabeisein. Wenn mich sein Schminggel einmal anrührte, ich schabte mir die Haut bis auf das Bein ab, so gruset es mir ab ihm. Ich habe ihm gesagt, ich wolle ihm aus dem Wege und wolle mir nicht alles vorhalten lassen, ich sei jetzt nicht mehr dr Gottswille da.» «Ach,» sagte die Mutter, «du mußt dich des Elisis nichts achten, du kennst es ja, es ist immer ein Wüstes gewesen, und was es sagt, hat nichts zu bedeuten. Warum läßt du mich entgelten, was es dir sagt?» «Dafür kann ich weiß Gott nichts», sagte Vreneli. «Warum kann Elisin niemand in Zucht und Ordnung halten? Ich muß ihm aus dem Wege. Dann ist noch eins, aber ich will es nur Euch gesagt haben. Sein Mann ist allerdings mehr hinter mir drein, als nötig ist, das wüst Böckli! Aber habe er nur Sorge: kömmt er mir zu nahe, so überschlage ich ihn, daß er mit den Beinen am Himmel bhanget. Ach, Base, das geht jedenfalls nicht mehr gut hier, ich könnte ohnehin so nicht mehr dabeisein; der Tochtermann macht schon jetzt, als ob nur er zu befehlen hätte und schon alles sein wäre.»

Daran war etwas Wahres. Die reiche Fülle, welche bei der üblichen Sparsamkeit in der Haushaltung herrschte, wo es auf eine Maß Milch, ein Pfund Anken, ein Brot mehr oder weniger nicht ankam, über die Eier keine Rechnung geführt, Arme, ohne sie zu zählen, gespiesen wurden, hatte er aufs Korn genommen. Manchmal schon in der kurzen Zeit hatte er dem Joggeli vorgerechnet, wie viel er eigentlich sollte verkaufen können, jetzt trage ihm das Gut nicht einmal zwei Prozente ab. Wenn er das Geld für das Gut in seinem Geschäft hätte, so wollte er wenigstens acht Prozent daraus ziehen. Allemal darauf hatte dann Joggeli gemuckelt, über den vielen Verbrauch mit seiner Frau gebalget und gemeint, sie sollte da oder dort abbrechen. Als man ihn in Spycher und Gaden herumgeführt, in Tröge und Schäfte hatte blicken lassen, erstaunte er über die reichen Vorräte. Das trage doch gar nichts ab, sagte er, das verliege ja. In den Sachen liege ein bedeutend Kapital, das nicht nur kein Prozent abtrage, sondern sich am Ende selbst aufzehre. Wenn sie nur das Überflüssigste verkaufen wollten, und gerade jetzt sei ein günstiger Moment, so garantiere er ihnen: wenigstens dreitausend Pfund wollte er lösen. Aber er würde es nicht den Unterhändlern hier verkaufen, die gewöhnlich fünfzig Prozent Gewinn nähmten, sondern direkt den ersten Abnehmern. So hatte er ihnen Garn, Flachs, Tücher, Schnitze, Korn, Kirschenwasser abgeschwatzt, bedeutend Kisten und Kasten ernüchtert, daß der guten Mutter das Herz blutete und sie sich des Weinens fast nicht enthalten konnte. Sövli use, sagte sie, syg si nit gsi, sit si heyge afa huse. «Bhüetis Gott vor ere türe Zyt, was fieng ih a, ih dörft niene warte.» Er hatte Nachricht gebracht, daß er alles vortrefflich verkauft, aber kein Geld. Er habe es gegeben, wie es im Handel üblich sei, auf halbjährigen Kredit, hatte er flüchtig gesagt. Das wollte Joggeli eben auch nicht am besten gefallen.


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