Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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Fünfzehntes Kapitel

Uli kriegt Platz in Haus und Feld, sogar in etlichen Herzen

Am nächsten Sonntag rief die Mutter Uli ins Stübli. Joggeli war zum Sohn gefahren mit der Elisi, die dort einem Ball beiwohnen wollte und deswegen Schneider, Näherin, Schuhmacher fast auf den Tod geplagt hatte, sie schön zu machen, und, da alles nichts helfen wollte, weinte und Krämpfe kriegte. Im Weltschland, jammerte sie, sei sie immer von den Schönsten eine gewesen, und hier wolle alles nichts helfen, gäb wie sie anwende und kein Geld sie reue; aber die Schneider und die Näherinnen könnten in Gottsname nüt, und dann düechs es geng, man hätte hier gar nicht solches Zeug wie im Weltschland; dort möge man anlegen, was man wolle, so stehe es einem wohl an, und sollte es der Ofenwüsch sein. Gäb wie leicht es sich angelegt und noch lange nicht das Schönste, so hätten seine Frauen gesagt: «O quelle mignonne vous êtes, quelle jolie tournure vous avez, et le teint est si fin, si noble, vous êtes un Göscheli, comme on dit à Berne.» Und hier sage man ihm nur: «Du bisch es Bleechs un e Räbel», das sei das Schönste, wo es höre.

«Uli,» sagte die Mutter, «seh trink eis und nimm Brot und es Bitzli vom Hammli, wennd magst.» Er begehre nichts, sagte Uli, er hätte ja erst gegessen und es mangle sich dessen nicht. Er möchte sie nur etwas anderes fragen, und wenn es ihr nicht recht sei, so solle sie es ihm nur gleich sagen, er zürne es nicht. Er wisse wohl, daß an jedem Ort ein anderer Brauch sei. Ob sie ihm nicht erlauben wollte, an Sonntagnachmittagen in der Wohnstube zu sein, wenn ihn der Meister nicht etwa aussende. Er gehe nicht gerne, wo die Andern; er wisse nur zu gut, wie es da gehe. Ins Bett möge er auch nicht. Er lese am Sonntag gern öppe ein Kapitel und möchte seinem frühern Meister einen Brief schreiben, und dazu sei es gar zu kalt in seinem Stübchen. «He, ja freilich,» sagte die Frau, «ja freilich; Joggeli wird öppe nichts dagegen haben, und dem Elisi wird es auch nichts machen. Du bist nicht wie die Angere; die begehrte ich nicht, die können meinethalben gheye, wo sie wollen. Mit dem Rüsten und mit dem Haspen magst du dich gmühen, wie es noch Keiner gemacht hat. Und überall, wennd so fortfahrst, so bin ich mit dir bsunderbar wohl zfriede und der Joggeli auch. Aber er kann es nicht zeigen, und wenn er schon allbeneinisch e wenig wunderlich ist, so mußt du dich seiner nüt achten und deine Sache nur fortmachen.» Während sie ihm so zusprach, nötigte sie ihm doch etwas vom Hammli und etwas aus der Flasche auf und trug ihm noch auf, er solle morgen für Saumehl fassen, dr Joggeli brauch eben nicht alles zu sehen. Er sage freilich nichts darwider, aber er hätte ihr doch immer vor, wie viel sie brauche zum Säumästen. Verschleipfe wolle sie ihm nichts, und er esse so viel von den Schweinen als sie, und so werde das wohl keine große Sünde sein.

Vreneli machte ein kurios Gesicht, als Uli mit seinem Schreibgeräte dahergezügelt kam. «Was solls?» fragte es, «was kömmt dich an?» «He, die Meisterfrau hat mir erlaubt, am Sonntagnachmittag hier zu sein», sagte er. «Beim Küher mag ich nicht sein, droben ists mir zu kalt, und alle Sonntage ins Wirtshaus will ich nicht.» Vreneli ging zur Base und sagte: Es habe nichts gegen Uli, aber wenn es mit ihm ins Geschrei komme, so solle sie daran denken, daß sie schuld sei, und der Vetter werd auch ein gspässigs Gesicht machen, wenn Uli tue, wie wenn er da daheim wäre. «Du Göhl,» sagte die Base, «was hab ich machen sollen, wo er mich gefragt? Und er ist doch auch kein Hung, wenn er schon ein Knecht ist, und zuletzt ist es doch besser, er sei da, als daß er uns beim Küher hilft ausführen und dr Plätz machen.» «Wie gesagt,» sagte Vreneli, «ich habe nichts darwider; allein sinnet dann daran, daß ich nicht schuld bin, wenn allerlei geredet wird.»

Das ärgerte allerdings den Joggeli den nächsten Sonntag gar sehr, als er Uli Platz nehmen sah, und die gute Mutter hatte manches Stichwort auszustehen, ja sie sollte ihn schicken. Das wollte sie aber doch nicht, er könne es ihm selber sagen, sagte sie; das wollte aber Joggeli nicht.

Nicht minder grännete ds Elisi, wie ihr die Mutter sagte. Die packte gewöhnlich alle Nachmittage ihren Kram aus, sonnete ihn und packte ihn dann wieder ein in die schönen Druckleni: Krälli, Seidenfaden, Ketteli, Ringe, Häfte, Tüchleni, Mänteli; sie hatte manchmal damit, wenn es sie recht ankam, den ganzen Tisch überlegt und alle Stühle dazu, hielt eins nach dem andern bald ans Licht, bald an den Kopf oder an den Rücken, und dann sollten ihr die Anwesenden sagen, was ihr am besten stehe; das legte sie zweg für den nächsten Sonntag. Da sie dieses aber fast alle Nachmittage vom Montag bis am Samstag trieb, so änderte der projektierte Putz gar manchmal, denn man trieb das Spiel mit ihm. Die Eltern durften ihm nichts sagen, sonst plärete Elisi und lag ins Bett, wollte sterben, weil sie verfolget würde; man mußte den Doktor holen lassen, und es gab eine Geschichte vom Gugger. Vreneli und Elisi waren einander nicht hold. Elisi behandelte Vreneli wie eine arme Verwandte, die das Gnadenbrot ißt, und bedachte nicht, daß die Last der ganzen Haushaltung eigentlich auf ihm lag; auch mochten Vrenelis gesunde Farbe und rüstiges Wesen nicht wenig geheimen Neid erwecken, obgleich Elisi manchmal sagte: Im Weltschland hätten sie ein Wochenmönsch gehabt, das Vreneli auffallend ähnlich gewesen sei, und von dem hätten seine Frauen immer gesagt: «O ciel, quel air commun elle a!» Vreneli dagegen sah mit Bedauren der Verwandtin Narrochtigi und Meisterlosigkeit, nahm derselben Hochmut nicht sehr zu Herzen, ließ hie und da ein Wort fallen, um Elisi abzumahnen, daß es sich doch nicht lächerlich machen möchte, was aber allemal übel aufgenommen und ausgelegt wurde, als ob Vreneli nur schalus sei.

Elisi grännete, als sich Uli an den Tisch setzte und etwas zu lesen begann. Er war ihr allenthalben im Wege, er sollte nicht an diesem Platze sein, sondern an einem andern, und war er an dem andern, so war er doch wieder nicht am rechten. Elisi hatte wieder den ganzen Tisch überlegt, eine ganze Menge Haarschnüre aufgerollt, eine schöner als die andere, und Uli konnte kaum mehr sein Buch darauf haben. Er ward in sich böse. Er sah die verdrüßlichen Gesichter wohl und die offenbare Absicht, ihn zu verdrängen, und nun meinte er bei sich selbst: wenn er eine ganze Woche bös habe, an Wind und Wetter sei, allenthalben der Erste und der Letzte, so sollte doch wohl zwei oder drei Stunden für ihn Platz in einer warmen Stube sein. Er war darauf und daran, seinen Unmut laut werden zu lassen und aufzuprotzen, obgleich es ihm so halb und halb vorkam, als wäre dieses dumm, indem er sich damit selbst strafe; das Klügste sei, zu tun, als achte er sich ihrer nicht, und zu machen, was ihm bequem sei. Aufzubegehren seis dann immer noch Zeit, wenn man ihm etwas sage. Wenn aber Ärger im Menschen ist, so macht er selten das Klügste, sondern gewöhnlich das Dümmste. Da fiel eins der Bänder Uli zu Füßen, er hob es auf, sah darüber hin und sagte unwillkürlich: Das sei das schönste Seidenband, das er noch gesehen; es nähmte ihn nur wunder, wie man sellig Blumen hineinweben könnte. Das sei noch gar nichts, sagte Elisi, es hätte noch viel schönere. Diese schönern brachte es herbei, und Uli bewunderte sie aus aufrichtigem Herzen, denn er hatte wirklich noch keine solchen gesehen. Es nehme ihn aber nicht wunder, setzte Uli hinzu, daß es schöne Haarschnüre begehre, es hätte auch schöne Züpfen dazu. Von da an fand Uli Platz am Tische und Gnade in Elisis Augen. Elisi war nun alle Sonntagnachmittage in der Wohnstube, züpfete darin, und Uli mußte raten, welche Haarschnur einzuflechten sei. Uli war aber auch ein hübscher Mann, freilich bald dreißig, aber schön von Wuchs und Farbe; im Kopf hatte er blaue, heitere Augen und auf demselben dunkelblondes, gekrauselt Haar, bas nieden eine schöne Nase und darunter weiße Zähne, welche die Juden auch gestohlen haben würden, wenn sie sich an einen solchen Mann getraut hätten.

Das sah aber Joggeli wiederum nicht gerne, er wurde überhaupt immer ärgerlicher auf Uli. Der Schnee war vergangen und mit dem Holzen war man fertig geworden. Aber Uli hatte zugleich unnötiges Gräbel aller Art, das ums Haus lag, aufgeholzt und weggeräumt und die Scheiterbygen so zierlich gemacht, daß die Bäurin große Freude daran hatte und sagte: Jetzt sei eim doch einmal recht wohl, man könne zring ums Haus gehen, man stolpere über nichts und könne zring ums Haus luegen, und es mache einem nichts taub (zornig). Joggeli aber brummte gewaltig: So einen hätte er noch nicht gehabt, dem nichts recht sei; er lasse nichts am alten Ort, und zuletzt komme er ihnen noch ins Stübli und räume da auf. Zugleich hatte er um Erlaubnis gefragt, die Bäume, die in ganz jämmerlichem Zustande, voll Moos, Misteln und dürren Ästen waren, putzen zu dürfen. Er machte es einem Meister zTrotz, aber Joggeli doch nicht recht, und alle Knechte schimpften, er ziehe die Arbeit aus dem hintersten Ecken hervor, um sie zu kujonieren. Die Bschütti mußte ausgetan werden, damit man für das Frühjahr neue machen könne, das war wieder Keinem recht. Sobald es recht auffror, ging es hinter die Matten, die eigentlich im Herbst hätten instand gesetzt werden sollen. Hier waren Wuhre aufzutun, und Gräben und neue Britschen hätten sollen gemacht sein. Aber Joggeli, obgleich er das Holz hatte, sperrte sich mit allen Füßen und wollte nicht; es war, als ob Uli den Nutzen davon hätte. Die seien lange gut gewesen, sagte er, er wüßte gar nicht, warum jetzt auf einmal alles neu sein solle. Die andern Knechte hätten mit denen wässern können, und wenn Uli so ein Meister sein wolle, so düech es ihn, er sollte es mit denen auch können.

Im März, an einem hellen Sonntagnachmittag, sagte Uli zu Vreneli, er möchte gerne ein Wort mit dem Meister reden, es solle ihn doch heißen herauskommen. Vreneli richtete den Auftrag aus, und Joggeli brummte: «Was wott er ächt aber, was ist ihm wieder zSinn cho? Er ist e Tüfels Chäri und läßt einem Sunndig und Werchtig nit rüeyig.»

Draußen nun fragte ihn Uli um die Frühlingsarbeit. Sein Meister und er, sagte er, hätten in jeder Jahreszeit und vor jedem Werch die ganze Arbeit und alle Geschäfte ins Auge genommen und dann sich eingerichtet, daß öppe alles zusammen gegangen und nichts zurückgeblieben sei. Wenn man alles ein wenig ins Auge nehme, so wisse man, was für Leute man nötig habe, wann man anfangen und wie man die Leute brauchen müsse, daß an allen Orten etwas gehe. Wenn man die Sache nur so von einem Tag zum andern nehme, so vergesse man immer etwas; man glaube immer mehr Zeit zu haben, als es sich ergebe, und weniger Geschäfte, als sich dann nach und nach zeigen; so komme man in Hinderlig, und zuletzt werde alles zur Unzeit gemacht und schlecht, so auf und davon gearbeitet. Er möchte daher fragen, da es bald angehen werde, was für Sommerfrucht gepflanzt werde, wieviel Erdäpfel, wie große Bäunde usw. und wo man dieses und jenes haben wolle. Wenn es ihm anständig wäre, so sollte er ihm heute das Land anweisen; es sei ein so freiner Nachmittag, daß es ein rechtes Pläsier sei, ein wenig an der Sunne umezträtsche.

Da seis noch lange Zeit dafür, sagte Joggeli, der Schnee sei ja kaum ab; wenn es dann Zeit sei, so wolle er es ihm schon sagen. Das Pressiere trage nichts ab, sie hätten bis dahin den Hof werchen können ohne ein sellig Pressier. «Aber nichts desto besser,» sagte die Frau, «es gibt ja bald keine Sachen mehr. Und ich wollte mit Uli gehen; es tut dir nur wohl, wenn du dich auch ein wenig an die Sonne lässest. Warum willst du hingere hangen und den Leuten umsonst z'fressen und den Lohn geben? Andere Jahre sind wir mit Holzen und Dreschen drei Wochen später fertig gewesen und mußten immer um so viel später anfangen als andere Leute und blieben so das ganze Jahr durch im Hinderlig. Was sollen die Leute jetzt machen, wenn du nicht Arbeit anweisen willst?» Joggeli zog brummend seine Finkenschuhe aus und andere an, die Frau mußte ihm das Halstuch umlegen und ein Nastuch in die Tasche tun. Hinter dem Ofen suchte er einen Stecken und ging endlich zankend und ärgerlich.

Joggeli hatte sein Lebtag noch nie sein ganzes prächtiges Gut ins Auge genommen und darüber nachgedacht, wie es zu benutzen sei, daß nicht nur ein bedeutender Ertrag herauskomme, sondern daß das Gut selbst gesünder werde, ein Teil dem andern nachhelfe usw. Er säete so viel an, als er Mist hatte oder die Zeit erlaubte. Mußten Erdäpfel gesetzt werden, so suchte er einen Plätz dazu, aber immer so klein als möglich, daß man nach dem Neujahr mit den Erdäpfeln zu sparen anfangen mußte. So machte er es mit den Flachs-, Raps- und Werchplätzen. Er ließ sich die von der Frau nur so abmärten, und Mist dazu und Bschütti mußte fast gestohlen werden. Alles Land, das nicht Korn oder Futter trug, reute ihn, er hielt es wie für verloren. So war auf dem ganzen Gute nur so eine Stümperei. Hier ein Plätzli von dem, dort ein Plätzli von jenem, je nachdem zufällig ein Stücklein wenig oder viel Gras gehabt. Zudem stund das Angebaute mit dem Liegenden nie in rechtem Verhältnis. So wenig als sein Gut nahm er seine Dienerschaft ins Auge, berechnete und verteilte nie ihre Kräfte in der Bearbeitung des Gutes. Er hatte eben nicht am liebsten zu viele Leute, die Leute aber, die er hatte, wußte er nicht zu beschäftigen und anzuleiten; er brummte freilich, wenn sie so wenig und so schlecht als möglich arbeiteten, allein weiter brachte er es nicht. Daher fehlten dem Gute die nötigen Kräfte, es wurde nicht bearbeitet; bald fehlte Mist zum Ansäen, meist die Zeit. Man wurde nie fertig, und doch wurde kaum die Hälfte von dem, was nötig gewesen wäre, getan. Daher nahm das Leben des Gutes – denn jedes Gut hat ein Leben, das halb von der Beschaffenheit des Bodens, halb von der Arbeit abhängt – ab, und somit auch alle Jahre der Ertrag. Und das ist die Ursache vom unglücklichen Siechtum vieler Güter, daß man das Gleichgewicht nicht zu finden weiß zwischen dem, was das Gut will, und dem, was sein Besitzer will, zwischen den Kräften und Bedürfnissen des Gutes, daß man das Maß und die Art und Weise der Arbeit nicht gehörig würdigt.

Uli hatte seine liebe Not mit dem Alten. Es reute ihn jeder Boden, den er hergeben sollte für dies oder das, aller Mist, der nötig war. Er wollte Boden und Mist immer für etwas Anderes, Besseres versparen. Vergebens stellte ihm Uli vor: Man könne doch nicht alles auf den Herbst sparen, und es dünke ihn, für eine solche Weite Landes sei viel zu wenig angesäet; man müsse auch den Frühling benutzen, und Mist für den Herbst wolle er schon genug machen. Mit der größten Not brachte er ein größer Erdäpfelstück heraus, als sonst der Brauch war, und einigen Sommerweizen, in den er dann Klee säen wollte. Daneben sah er auf dieser Wanderung Häge, zwei Klafter breit, Börder, mutwillige, sah Arbeit für die Zwischenzeit auf viele Jahre.

Auf dem Heimwege sagte Uli: Er müsse ihm noch etwas sagen, wenn er es nicht ungern haben wolle. Joggeli sagte: Es düech ihn, er hätte ihm afe viel gesagt und sollte zufrieden sein für heute. Doch solle er es auch noch füremache, es gehe am Ende in einem zu. «Meister,» sagte Uli, «es ist in den Ställen nicht alles, wie es sein sollte. An unsern Rossen ist nicht mehr viel zu erfüttern; wenn man nicht etwas ändert, so kommen die meisten in Abgang. Bei den Kühen ists noch viel schlimmer. Die geben nicht Milch, wie sie sollten; die meisten haben nur zwei oder drei Striche, sind auch wohl alt, und es dünkte mich, wenigstens mit vieren sollte man fort und dagegen etwas Junges einstellen, mit ganzen Eutern, man käme viel weiter.» Diesen Weg füttere man fast ganz zUnnutz.

«Ja, ja,» sagte Joggeli, «verkaufen kann man wohl, verkaufen kann ein jeder, wenn er etwas hat; aber wenn man dann etwas anderes hätte!» Man werde heutzutage mit allem betrogen. Und wer sich mit diesem Handel abgeben solle? Er möge nicht mehr nach, und wem er es anvertrauen solle, daß er nicht bschissen werde? Oh, sagte Uli, das müsse ein jeder Bauer riskieren, und betrogen sei schon ein jeder geworden; aber bei seinem Meister habe er Rosse und Kühe gekauft und sei noch glücklich gewesen dabei. «Jä so,» sagte Joggeli, «du wolltest das also machen, verkaufen und einkaufen; jä so, das ist öppis angers, jetzt nimmts mich nicht mehr wunder. He nun, wir wollen sehen, wir wollen sehen, das ist eine wunderliche Sache.»

Daheim klagte er seiner Alten bitter, wie Uli ihn drängseliert habe. Nichts sei ihm recht. Er würfe ihm das ganze Gut zunderobis, wenn er ihn machen ließe. Und beide Ställe wolle er ihm neu besetzen. Er merke aber das Bürschli wohl und wolle es ihm reisen. So einer, der keine Handbreit Land hätte, wolle, wie man ein Gut werche, besser wissen als einer, dessen Ätti und Großätti schon vornehme Bauren gewesen seien. Das sei ein Hochmut in den Leuten vom Tüfel, es sei gar nicht mehr dabeizusein. Als er nun insbesondere erzählte, um was ihn Uli drängseliert, so sagte seine Alte: «Bauren hin, Bauren her; aber wenn Mancher nur halb so witzig gewesen wäre, als mancher Knecht ist, so wäre er z'Halbem reicher und sein Hof trüg ihm noch einmal so viel ab.»

Indessen lief die Arbeit, und alle Welt verwunderte sich, wie früh man in der Glunggen erwacht sei. Kamen die Üfliger zu den Diensten, zum Karrer, der Mist führte, zum Melcher, wenn er Salz holte usw., so sagten sie: Das müsse scheints streng gehen in der Glunggen, das sei doch schlecht von einem Knecht, die Leute so zu drängselieren; aber sie täten es nicht, sie würden aufbegehren und so von einem herzugelaufenen Burschen sich nicht lassen befehlen, sie wollten ihm zeigen, daß sie länger dagewesen seien als er. Es gehe alles, bis es genug sei, sagte der Karrer, man solle nur sehen. Kamen sie zu Joggeli, so sagten sie: Was ihn ankomme, daß er so pressiere? Oder ob er etwa einen neuen Meister bekommen habe? Es sei eine Gegend nicht wie die andere und sie hätten noch nie gesehen, daß zu fast pressieren viel abtrage. Er lasse ihn wohl viel zwängen für den Anfang. Daneben wollten sie nichts gesagt haben, er werde wohl wissen, was er mache. Kamen sie dann zu Uli, so sagten sie: So einer wäre auf der Glunggen schon lange nötig gewesen. Man sehe es schon von weitem, daß da ein Anderer predige. Daneben sei er ein Göhl, daß er sich so plagen möge; er bleibe doch nicht lange da, bei Joggeli halte er es nicht aus, und ein solcher Kerli wie er werde nicht immer Knecht sein wollen oder dann noch auf einen andern Pfosten pretendieren.

Dieses trug nicht dazu bei, die gegenseitige Anhänglichkeit zu vermehren, den Gang der Dinge zu erleichtern. Erst jetzt nahm Ulis Bürde zu, und es war ihm, als ob er bis an die Knie im Lett wandeln müsse. Alles mußte er Joggeli abdisputieren, abzanken, und wenn ers dann ausführen wollte, so hatte er allenthalben unwillige, ungeschickte Hände. Er mußte allenthalben stoßen und stüpfen, an allem machte man so lange und so schlecht als möglich. Er glaubte es nicht dahin bringen zu können, daß man den Flachsplätz sauber rüste, daß man auf irgend einem Acker die Furchen auch recht zu Boden hacke. Man sah noch in zweijährigem Grasboden Furchenstreifen, so oberflächlich war gehacket worden. Er wußte, wie schwer sich über das Arbeiten etwas sagen läßt, wie ungern sich ein Mensch vorwerfen läßt, er mache eine Landarbeit nicht gut, wie ein sechskreuzeriges, drei Schuh hohes Knechtlein auffährt wie ein Güggel, wenn man ihm sagt, er könne nicht mähen oder hacken, wie er sagt: «Ich bin schon bei manchem Meister gewesen und habe es ihnen recht gemacht, und wenn ich dir nicht genug arbeite, so brauchst du es nur zu sagen, es Bürschli wie ich findet Meister dGnüegi.» Nehmen es die Leute von einem Meister nicht an, wie sollen sie es von einem Knecht annehmen? Er meinte daher auch, Joggeli sollte dies, sollte jenes sagen, aber Joggeli wollte nicht. «Sag du es ihnen, wenn es dir nicht recht ist, was sie machen,» sagte er, «das ist deine Sache, darein mischle ich mich nicht. Ich wollte ein Narr sein, einem Meisterknecht einen großen Lohn zu geben und dann noch alles machen zu sollen, was an ihm ist!» Wenn ihm aber die Diensten klagten, heute hätten sie das machen müssen und jenes noch und am Ende noch hintenfür müssen, es sei alles nicht gut genug gewesen, so balgete Joggeli wieder: Von dem hätte er nichts gewußt; es täte es Uli doch wohl, zu fragen, aber er mache, wie wenn ihm niemand etwas zu befehlen hätte, wie wenn der ganze Hof der seine wäre. Uli begriff es alle Tage besser, wie man von einem sagen könne, er habe die Wände auf springen wollen, kam es ihn doch selbst alle Tage an.

Indessen ging die Sache doch, wenn auch mühselig. Sie waren mit den Frühlingsarbeiten so früh fertig als andere Leute und hatten mehr gepflanzt als sonst. Sie konnten dieses Jahr zweimal in die Erdäpfel, konnten sie kärstlen (hacken) und häuflen und mußten nicht das Unterlassen des einen oder des andern mit einigen hundert Mäßen büßen. Der Flachs wurde gesteckelt und war so schön, daß die Bäurin fast alle Tage hinging, ihn zu besehen, und wenn die Üfliger vorbeigingen, so sagten sie zu einander: «Es ist schade, daß Joggeli diesen Knecht hat. Man sieht, er versteht die Sache, es bekäme gleich alles eine andere Nase in der Glungge. Er wird ihn aber bald fortgchäret ha.»


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