Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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Natürlich gab die Sache ein groß Gerede weitumher, und man redete weit mehr davon, als daran war. Es gab zwei Partien: die eine gönnte die Geschichte den Eltern, die andere die reiche Frau dem Uli. Je länger die Sache dauerte, und das ging nicht nur ein Jahr, desto mehr gewann der Erfolg an Wahrscheinlichkeit, desto mehr unterzogen sich die Dienstboten dem Uli und stellten sich auf die Seite des mutmaßlichen Tochtermanns, so daß der Hof ein immer blühenderes Aussehen bekam und Uli immer unentbehrlicher wurde. Selbst Joggeli, dem der bare Gewinn in den Sack floß und der wohl rechnen konnte, was zwanzig Klafter Futter, tausend Garben Korn mehr zu bedeuten hätten, verbiß seinen Ärger, tat ein Auge zu und tröstete sich damit, er wolle Uli brauchen so lange als möglich; wenn es einmal Ernst gelten sollte, so könnte man immer noch sehen.

Als einmal Johannes daherkam, der auch von dem Gerede gehört hatte, und verdammt aufbegehrte und forderte, daß man Uli fortschicke, so wollte Joggeli nichts davon hören. Solange er lebe, hätte er hier zu befehlen, und Uli wäre Johannes der Rechte, wenn er ihn hätte. Was hier gehe, gehe Johannes nichts an, und wenn man dem Uli ds Elisi geben wolle, so gehe es ihn auch nichts an. Er müsse nicht glauben, daß er alles allein erben wolle; einstweilen sei, was sie noch hätten und was er ihnen nicht abgeläschlet, noch ihr. Je wüster Johannes tue, desto eher müsse ds Elisi heiraten; es sei nicht, daß es Uli sein müsse, es gebe Andere auch noch. Sie wüßten wohl, wie lieb sie ihm alle seien; wenn er das Geld hätte, so früge er Vater und Mutter und Elisi nichts mehr nach, sie könnten seinethalb alle noch einmal heiraten, und wenns Schinderknechte wären, so wäre es ihm gleich. So redete Joggeli zu seinem Sohne in seinem kärigen, hustenden Tone, daß es der Mutter ganz angst war und sie einredete, er solle doch nicht Kummer haben, das geschehe nicht, sie seie auch noch da und ds Elisi werde nicht alles zwängen und Uli sei ein braver Bursche usw. Johannes wollte nun mit Uli selbst reden, aber der war nicht zu finden. Er sei um eine Kuh aus, hieß es. Trinette, diesmal noch viel schöner schwefelgelb als früher Elisi, bewegte sich um Elisi mit verachtender Miene und gerümpfter Nase und sagte endlich zu demselben: «Pfitusig, wie gmein machst de dih! Mit eme Knecht sih möge abzgä! Es ist eine Schande für die ganze Familie! Wenn meine Leute gewußt hätten, daß meines Mannes Schwester einen Knecht sollte heiraten, sie hätten ihn geschickt Band hauen, er gefiel ihnen ohnehin nicht sonderlich. Aber ih bi Göhls gnue gsi u han e abselut welle. Mi cha dih nimme zur Familie zelle, und du kannst dann sehen, wo du untereschlüfst (ein Unterkommen findest), einmal hier sollt ihr dann nicht mehr bleiben. Pfitusig, so mit emene Knecht es Glscheipf z'ha! Pfitusig, es gruset mr fry ab dr, ih ma dih nume nimme aluege. Pfitusig, schämst dih nit i dys bluetig Herz yche und teuf (tief) i Bode ache!» Aber ds Elisi schämte sich nicht, sondern hängte Trinette noch ein viel böser Maul an und meinte: Ein Meitschi hätte dWehli, sich abzugeben, mit wem es wolle, und könne einen Knecht oder einen Herrn heiraten, vor Gott seien all Menschen gleich. Aber wenn es einmal eine Frau sei, dann würde es sich schämen, bald mit dem Stallknecht und bald mit dem Metzger, bald mit dem Herdknecht und bald mit dem Karrer und zletzt noch mit allen Zundleren und allen Ländern im Geschrei zu sein und Kinder zu haben, wo keins eine Nase habe wie das andere und eins dem andern gleiche wie ein Gäuer einem Weltsch. Wenn Vreneli und die Mutter nicht gewesen wären, so hätten sich die beiden Schwägerinnen die grasgrüne und die schwefelgelbe Seide vom Leibe gerissen. Als die Mutter Trinette mit Zusprechen helfen wollte, so ereiferte sich ds Elisi so, daß man es zu Bette bringen mußte. Erst jetzt, sagte es, als es wieder zu sich und zur Sprache kam, erst jetzt wolle es machen, was ihm anständig sei. Es wolle sich nicht einmetzgen lassen wie eine feiße Sau. Und es sei schlecht von den Eltern, daß sie meinten, es solle ein Kind einzig erben und das andere ohne Mann verrebeln, nur damit alles auf einem Haufen bleibe.

Johannes und seine Frau blieben nicht lange da. Auf dem Heimwege öfters einkehrend, wobei aller Rückhalt verloren ging, kramten sie ihren guten Freunden, Kollegen und Kolleginnen die ganze Geschichte aus, und ihre Erzählung erhob das Gerücht zur vollen Gewißheit. Der Bruder und seine Frau haben es selbst gesagt, hieß es, und die werden doch etwas davon wissen.

Nicht lange darauf fuhr Uli mit einem Roß zMärit, sah aber bald, daß er es nicht verkaufen könne um das, was er lösen sollte. Da es schlecht Wetter war, so nahm er es ab dem Markt und stallete es in einem Wirtshause ein. Wie er in die Gaststube wollte und um eine Ecke bog, prallte er an seinen alten Meister. Mit unverhohlener Freude bot Uli ihm die Hand und sagte, wie froh er sei, ihn anzutreffen und ein wenig bei ihm zu sein. Der Meister war trockener und redete von vielen Geschäften, gab aber doch endlich Uli ein Stelldichein, wo sie ruhig eine Halbe trinken könnten. Dort, nachdem sie in einem Winkel ziemlich gedeckt saßen, eröffneten sie die Vorrede und Johannes fragte, ob es viel Heu gegeben, und Uli sagte «Ja,» und ob bei ihnen das Korn auch schon gefallen wäre, ihres hätte der erste Luft gestoßen. «Du bist alle zweg,» fuhr der Meister nach einigen weitern Zwischenreden fort, «und was hab ich gehört? Du werdest bald Bauer in der Glunggen werden, sagen die Leute.» «So, wer redt das?» fragte Uli. «He, die Leute sagens, es sei weit und breit das Gerede und man rede es für eine bestimmte Wahrheit.» «Die Leute wissen immer mehr,» sagte Uli, «als die, welche es angeht.» Öppis werde doch an der Sache sein, antwortete der Meister. He, sagte Uli, er wolle nicht sagen, daß es es einst nicht geben könne, aber die Sache sei noch im weiten Felde; geredet sei noch nichts darüber, und es könnte noch beid Weg gehen. «He,» sagte Johannes, «es düecht mih, es sei genug geredet.» «He, wieso?» fragte Uli. «He, ds Meitschi ist ja schwanger!» «Das ist eine verfluchte Lüge,» sagte Uli, «ich habe es nie angerührt dä Weg. Ich will nicht sagen, daß ichs nicht hätte können, aber ich hätte mich geschämt, es so zu machen. Es hätten da alle Leute mir schuld gegeben und gedacht, es sei ein Schelmenstreich von mir, wie schon mehr dergleichen geschehen, und das habe ich nicht gewollt. Die Leute müssen mir nicht nachreden, ich sei dä Weg zu einer reichen Frau gekommen.» «So?» sagte Johannes, «das ist dann anders, als ich gehört, und ich habe geglaubt, Uli wolle mich ansprechen, ihm z'best z'reden. Das wäre mir zwider gsi, ich muß es sagen, und deswegen habe ich lieber gewollt, ich hätte dich nicht angetroffen. Es freut mich, daß es nicht so ist, ich hätte auch noch Schmutz davon auf den Ärmel gekriegt. Jedenfalls hätte es mich geärgert, wenn du es auch so gemacht wie andere Lusbueben.» Aber öppis werde doch an der Sache sein? He, sagte Uli, er wolle nicht leugnen, daß er nicht glaube, die Tochter wollte ihn und es wäre zu erzwingen, wenn sie recht ansetzten. Und es hätte ihn allerdings düecht, für ein armes Bürschli, wie er sei, wäre das ein großes Glück, besser machen könnte er es nie. «Das wird doch wohl das bleich, durchschynig Meitschi sy, wo geng ab em Luft mueß, wenn ers nit näh soll?» fragte Johannes. «Öppe gar ds Brävst ist es nicht,» sagte Uli, «es ist magers und ungsüngs; aber es werde ihm schon bessern, wenn es einen Mann habe, hat der Doktor gesagt; aber hunderttausend Pfund bekömmt es.» «Höcklets no geng so da ume, oder rührt es auch etwas an, macht es die Haushaltung?» fragte Johannes. «Werche tut es nicht viel, und in der Küche ist es wenig, aber schön lismen kann es und mit Krällene allerlei Styfs machen. Aber wenn es den Hof einmal bekömmt, so vermag man eine Köchin zu halten. Wenn es nur hie und da nachsieht, es braucht ja nicht selber alles anzurühren,» meinte Uli. «Jä, für nachezluege muß man die Sache selbst verstehen; das ist gar dumm, daß man meint, wenn eine Frau bei einer Sache hocke, so sei damit alles getan. Es kann zum Beispiel eine Frau lang in einer Apothek hocke und lismerle, die Knechte können doch machen, was sie wollen,» sagte Johannes. «Aber es het mih düecht, es lueg gar ulydig dry und gränn eim nume so an, statt eim auch es freundlich Wort z'gä.» Es fehle ihm viel, sagte Uli, und es sei gar ein Empfindliches. Aber wenn es einen freinen Mann hätte und öppe zu tun, so viel es möcht, daß es sich ein wenig vergessen könnte, es würde ihm schon bessern. Es sei doch nicht, daß es dann nie könne freundlich sein. Es könne bsunderbar flattieren, und wenn man den Hof recht werche, so könne man darauf wenigstens zehntausend Garben machen und zwar nur Korngarben. Das sei viel, sagte Johannes, und solche Höfe gebe es nicht mehr viel im Kanton. Aber wenn man ihm die Wahl ließe, einen gfreuten Hof und eine ungfreuti Frau dazu oder keins von beiden, er wollte hundertmal lieber das Letztere. Reichsein sei eine schöne Sache, aber reich mache noch nicht glücklich; wenn man so ein kybig Häpeli daheim habe, das über alles entweder gränne oder pflenne, so möchte der Tüfel dabeisein. Und wenn man einmal die Freude außer dem Hause suchen müsse, so hätte es gefehlt.

«Aber Meister,» sagte Uli, «du hast mich doch immer brichtet, ich solle husen und sparen, so gebe ich auch einen Mann ab, man sei nichts, wenn man nichts habe.» «Ganz recht, Uli,» sagte der Meister, «das habe ich gesagt und sage es noch. Es ist einer glücklicher, wenn er huset, als wenn er liederlich ist, und es ist einer kein Mann, wenn er in seinen ledigen Tagen nicht für die alten sorgen kann. Wenn einer in den jungen Jahren nicht einen guten Anfang macht, so kömmt er zu einem bösen Ende. Ein braver Bursche mit etwas Geld kann auch besser heiraten als ein Hudel und soll auf eine rechte Frau sehen, aber die reichste Frau ist nicht immer die beste. Es gibt Weiber, die mir ohne einen Kreuzer lieber wären als andere mit hunderttausend Pfund. Es kommt immer auf die Person an. Mach, was du willst, aber besinne dich wohl.» «Ds Elisi ist freilich eine elende Person,» sagte Uli, «aber es kann ihm bessern; es ist Manche mager gewesen in der Jugend, sie ist im Alter noch dick geworden, und bös aparti ist es nicht, besonders wenn es zufrieden ist. Wenn es höhn ist, dann weiß es freilich nicht recht, was es sagt, und hält mir den Knecht vor und andere Meitscheni; aber wenn es wieder zufrieden geworden ist, so kann es recht kurzweilig sein und hat das beste Herz von der Welt. Es hat mir schon gekramet, es weiß kein Mensch wie viel, und hätte mir noch viel mehr gegeben, wenn ich nicht immer gewehrt hätte.» «Mach, was du willst,» sagte Johannes, «aber ich sage dir noch einmal: besinne dich wohl; es tut selten gut, wenn so Ungleiches zusammenkömmt, und es ist noch selten gut gekommen, wenn der Knecht des Meisters Tochter geheiratet hat. Es ist mir etwas an dir gelegen, einem Andern hätte ich nicht so viel gesagt. Jetzt muß ich heim; komm einmal in müßiger Zeit zu uns, dann wollen wir noch weiter über das Kapitel reden, wenn es nicht zu spät ist.»

Uli sah seinem Meister unzufrieden nach. Ich hätte nicht geglaubt, dachte er, daß der mir mein Glück nicht gönnte. Aber so sind die Donners Bauren, sie sind alle gleich; sie mögen es nicht leiden, wenn ein Knecht zu einem Hof kömmt. Der Johannes ist noch von den Besten einer, aber er mag es auch nicht vertragen, daß sein alter Knecht reicher wird, als er ist, und zu einem schönen Hof kömmt. Was hätte es ihm sonst gemacht, ob ds Elisi hübsch oder wüst ist? Er hat doch auch nicht allein auf die Hübschi gesehen, als er seine Frau genommen. Sie sehen das fast wie eine Sünde an, wenn unsereiner an eine Baurentochter nur denkt, und doch wär noch Manche froh, sie bekäme einen manierlichen Knecht und müßte nicht ihr Lebtag der Hund auf einem Hofe sein. Er lasse sich aber nicht so mir nichts dir nichts absprengen, das sei ihm jetzt schon zu lang gegangen und das Gerede zu fast unter die Leute gekommen, als daß er so davon wolle. Aber ab Brett müsse die Sache, dachte er, er wolle einmal wissen, woran er sei; so zwischen Tür und Angel zu hangen, sei ihm nicht länger anständig. Er wolle es Elisi sagen, es solle mit den Alten reden; bis im Herbst müsse das Hochzeit zu verkünden sein, oder er wolle auf Weihnacht fort, dr Narr wolle er nicht länger sein.


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