Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Das schöne Weibchen

Keine Romanze

            Das schöne Weibchen, welches starb,
Und sich der Engel Lob erwarb,
Das will ich ja nicht singen.
O welch ein Schmerz! ich Armer, ich!
Auf meinen Thränen müst' ich mich
Bis in den Himmel schwingen!

Das schöne Weibchen, das noch lebt,
Das will ich singen; Musen gebt,
Daß der Gesang gelinge!
Daß er so sanft, als wie der Blick
Des schönen Weibchens, Freud' und Glück
In jede Seele singe!

Das schöne Weibchen! o, wie schön!
Habt keine Donna so gesehn,
In euren Bildersälen;
In seinem Himmel Vatican
Sah solche Plato-Winkelmann
Nur leider ohne Seelen!

Das schöne Weibchen, welch' ein Glück!
Sie sehn, und sehn in ihrem Blick
Der Weibchen Ruhm, und Ehre;
Sehn ihre Weisheit im Gesicht!
Mehr, glaub' ich, sähe man ja nicht,
Und wenn sie Pallas wäre!

Das schöne Weibchen – Musen, seh'ts!
Vor euer aller Augen gehts,
Den Himmel in den Mienen;
Wie Demuth geh'ts, es geht herum,
In eurem Tempel, sieht sich um,
Und alle Herzen dienen.

Das schöne Weibchen – All so reich
Wie eine Fürstinn, kennt man's gleich
An unsern Galla-Tagen;
Von allen Kleidern, ist ihr Kleid
Das schönste; die Bescheidenheit,
Die, glaub' ich, könt' es tragen.

Als alle Weibes-Tugenden,
Begleitet von den Grazien,
In ihren Garten giengen,
Sie zu besuchen, Sonntags früh,
Da sahn die Vögel all' auf sie,
Und fingen an, zu singen.

Und als sie gieng in stillen Wald,
Des scheuen Wildes Auffenthalt,
Das scheue Wild zu sehen,
Und als sie stand am Felsen, da
War alles Wilde zahm, und sah
Das schöne Weibchen stehen!

Auf ihrer kleinen Meyerey,
Gab sie ein Fest, am ersten May,
Den Alten, und den Jungen,
Und da, da wurd', o schöne Zeit!
Mit kleiner Ausgelassenheit
Gesungen, und gesprungen!

Aus ihren blauen Augen lacht
Die Freude, wenn sie Freude macht,
In Herzen, und Geberden;
Wenn einen Traurigen sie sieht,
Und Wolke seine Stirn umzieht,
Sieht man sie traurig werden.

Ein Richter der Gesänge spricht:
»Du singst das schöne Weibchen nicht.«
Ach, Richter der Gesänge!
Das Gute hat des Schönen Gunst,
Sey, bitt' ich, sey mit deiner Kunst
Dem Weibchen nicht zu strenge!

Das schöne Weibchen – Fort, Gesang!
Das schöne Weibchen wurde krank;
O welch ein Hände-Ringen!
Das beste Weib, der beste Mann,
Sich trennen? Wer's euch singen kan,
Der sing's, ich kan's nicht singen.

Das schöne Weibchen – ward gesund!
Welch eine Freude! Welch ein Mund!
Nun wieder unter Rosen!
Solch' einen sah Lavater nicht!
Und o, wie lieblich, wenn er spricht,
Dem Männchen liebzukosen!

Fort, meine Musen! denn ich will,
Der Mißgunst, und dem Neide still,
Nicht eben Alles singen;
Man hat's dem Sänger keinen Dank;
Ihr Musen, laßt uns den Gesang
Dem Ende näher bringen!

Das schöne Weibchen – sollte nun
Nur eine kleine Reise thun,
Von Edderitz bis Halle;
Da fiel's dem Männchen um den Hals,
Da sprach's: »Du liessest allenfalls
Die Rappen wohl im Stalle!
«

Da liefs Trepp' auf, Trepp' ab, und kam
Als wie zu ihrem Bräutigam,
Die erste Lieb' im Blikke,
Von ihrem Spiegel, ihrem Tand,
Ein Reise-Müffchen in der Hand,
Zu ihrem Mann zurükke.

Da küßt's den Mann mit Herzensquaal,
Da wollt's nun reisen, und empfahl
Sich seiner lieben Liebe;
Da wollt's nun reisen, reiste nicht,
Und sagte, Tropfen im Gesicht:
»Ach Männchen, wenn ich bliebe!«

Bleib, sagte Männchen, Weibchen, bleib!
Bleib herzgeliebtes gutes Weib!
Und klopft's auf ihre Wangen!
Und gieng – das Weibchen, sagte man,
Das, weg von ihm, nicht leben kan,
Das war' ihm nachgegangen;

War' eingeschlafen süß, und fein
In seinem Arm, bis Sonnenschein
Auf ihre Liebe lachte,
Hätt', als es hätte schon getagt,
Im Traum geredt, und, ach! gesagt:
»Es ist ja noch bey Nachte!«

Der Mann wär' aufgeschlichen, und
Hätt' ihr, auf ihren Rosenmund,
Nur einen Kuß gegeben;
Nur einen, und gestanden da
Vor ihrem Schlaf hätt' er, und – ja!
Mit Zittern und mit Beben

Hätt' er ein still Gebet gethan,
Und ihren Schlaf (der gute Mann!)
Mit Engel-Schlaf verglichen,
Und Sorgenvoll, sie würde wach,
Wär' er, aus ihrem Schlafgemach,
Auf Zehen weggeschlichen;

Geschlichen hin auf seine Flur
Wär' er, und eine Rose nur,
Die schönst' in seinem Garten,
Hätt' er geholt, und schnellen Schritt
Hätt' er geschritten, um damit
Ihr Wachseyn abzuwarten.

Hätt' an dem Schlafgemache still
Gestanden, und gedacht: Ich will
Sie mit der Ros' erwekken;
Erwekken? Nein, o Himmel, nein!
Ich könt' ein Engel-Mörder seyn;
Sie könte sich erschrekken!

Und als sie nun war' aufgewacht,
Da hätte, wachend, sie gedacht:
(Wie's alles, unverholen,
Sie selbst einmal gestanden hat,
Auf einem Ball zu Halberstadt,)
Ihr Männchen sey gestohlen;

Und hätte jämmerlich geschrien:
»Ihr Diebe laßt mir, laßt mir ihn,
Nehmt mir mein junges Leben,
Und wenn euch Reichthum nöthig thut,
So nehmt mir all mein Haab' und Guth,
Ich will's euch alles geben!
«

Und als Sie's ausgeschrien hätt',
Ihr Männchen wär' zu ihrem Bett'
In einem Sprung gesprungen,
Hätt' ihr die eine Rose bracht,
Und ihr, zu Ehren ihr gemacht,
Ein Rosenlied gesungen!

In der Geschicht, und im Gedicht,
Von solcher Lieb' ich hörte nicht
In meinem langen Leben!
Ihr Lieben, sollt's in Prag, in Wien,
In Wansbeck, oder in Berlin,
Wohl so noch eine geben?

Noch eine giebt's! Mein Agathon
Sang mir ein schönes Lied davon
In seiner kleinen Hütte;
Noch eine giebt's, ich weiß auch wo,
Zu – doch, ich sag's euch nicht, und, o
's Giebt auch noch eine Dritte.

Von dieser Dritten viel zu voll,
Und hülfen Musen und Apoll,
Möcht' ich kein Lied nicht singen!
Denn Wahrheit säng' ich nicht vorbey,
Und schweige, meine Dichterey
Nicht in Verdacht zu bringen.

 


 


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