Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Lied des Gärtners

1772

            Ich armer Gärtner bin zufrieden,
Ich bin es, und ich kann es seyn!
Viel Arbeit hat mir GOtt beschieden,
Und viel Bekümmerniß; allein,
Auch Freuden; Freuden eine Menge,
Ja, viele Freuden, ihm sey Dank!
Und Freuden, werth, daß ich sie sänge
Mit lautem Nachtigall-Gesang!

So früh, und munter, wie die Sonne,
Steh' ich von meinem Lager auf!
Und sehe meistens Freud' und Wonne
Den ganzen Tag, in ihrem Lauf!
Auch pflegt sie mir mit ihren Strahlen
Die hohen Bäume, Morgens früh,
Und Abends späte, schön zu malen,
Und durch die Bäume seh' ich sie.

Die Vögel singen ihr: Willkommen!
Willkommen, singen sie auch mir!
Kein Nestchen hab' ich ausgenommen,
Getödtet nie ein frommes Thier!
Darob ist alles mir gewogen,
Was über mir in Lüften schwebt,
Und was, herab zu mir gezogen,
Mit mir von einer Erde lebt!

Ist unser Morgenlied gesungen,
Dann geht es an die Arbeit frisch!
Und hingesungen, hingesprungen
Wird nach der Arbeit an den Tisch!
Auf Rasen steht er, ist bedecket
Mit süßem Kohl, und kühlem Most;
Ich esse hurtig! Besser schmecket
Nicht meinem König seine Kost!

Ich esse hurtig, gehe wieder
Frisch an mein Tagewerk, und ihr,
Ihr lieben Vögel, eure Lieder
Versingen meine Mühe mir.
Oft brech' ich ab, und seh', und höre
Das große Leben der Natur;
Hier summen kleine Mücken-Chöre,
Dort Bienen auf der Blumen-Flur!

Der große Schöpfer dieses Lebens,
Von welchem Alles Odem hat,
Erschuf nichts leer, und nichts vergebens,
Auf meinen Bäumen nicht ein Blatt!
Auf meinem Anger nicht ein Gräschen:
Mein hungrig Lämmchen mäht es weg;
An meinen Blumen nicht ein Fäschen,
Ich find' in Allem einen Zweck!

Der Zweck von meinem tiefen Graben
Ist, zum Exempel, auch zugleich:
Es wird gesorgt für euch, ihr Raben!
Und, Singevögelein, für euch!
Für euch ergrab' ich fette Maden,
Und Käferchen, und dürren Sand!
Dann kommt ihr, sitzt auf meinem Spaden,
Und singt, und eßt mir aus der Hand.

Die kleine Grasemücke hüpfet
Um mich herum, und sieht mir zu!
Holt sich ein armes Würmchen, schlüpfet
Auf ihrem Nest in ihre Ruh.
Ich folg' ihr, schlafe, süßer Schlummer
Giebt meinen Knochen frisches Mark,
Erwache, weiß von keinem Kummer,
Und fühle Leib und Seele stark!

Und alle diese meine Freuden
Theil' ich mit meiner Gärtnerinn!
Mein König würde mich beneiden,
Wüßt' er das alles, was ich bin!
Ich bin zufrieden, brauche wenig,
Mein Apfel und mein Kohl ist süß,
In meiner Hütte bin ich König,
Mein Garten ist ein Paradies.

Ich, ohne Furcht vor GOttes Hölle,
Bin Gärtner Adam vor dem Fall,
Bin fröhlich; meine Hofcapelle
Bist du, geliebte Nachtigall!
Du hast in deiner kleinen Kehle
Der Musica Vergnügen ganz!
Ich gäbe dich, bey meiner Seele,
Dem König nicht für seinen Quanz.

 


 


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