Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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An die Schönen.

              Amor ist, – ihr Schönen, höret,
Hört mich Alten! – Amor ist,
Was man auch dagegen lehret,
Gott der Lieb' und Gott der List!

Neben einer Silberquelle,
Welche zwischen Blumen floß,
Lag der Schalk auf einer Stelle,
Wo ihn hohes Gras umfloß;

Eine Nymphe sah ihn liegen:
»Schwestern, welch ein schönes Kind!
Es zu sehn, welch ein Vergnügen,
Seht's, so viel der Nymphen sind!« –

Lalage lobt seine Wangen,
Amarillis seinen Mund;
Alle machen ihr Verlangen,
Zärtlich ihn zu küssen, kund.

Amor, aufgeweckt, erwachet;
Seine Götterfreud' ist groß;
Fröhlich springt er auf und lachet,
Setzend sich auf Chloens Schooß.

Ueberlistet, ihm zu trauen,
Schalkhaft überlistet sind
Alle Nymphen! – Ihn, den Schlauen,
Nennen sie: »Das gute Kind!«

Rathen, Winken, Warnen, Drohen
Ist umsonst, man duldet ihn;
Amor wird nicht mehr geflohen,
Und – was hilft's auch, Amorn fliehn?

Alle wandeln auf und nieder,
Seufzend nun an ihrem Bach;
Singen sehnend Liebeslieder: –
»Amor, böser Amor, ach!«

Amor hört's und kommt geflogen,
Sieht sie, spottet ihrer, spricht:
»Flamm' entzünden kann mein Bogen,
Flammen löschen kann er nicht!«

 


 


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