Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Der blöde Schäfer

Ein dramatisches Gedicht

[Zweite Fassung]

An den Leser

Ich habe das Vergnügen, der Welt ein Gedicht mitzutheilen, das längst schon den Beyfall aller Kenner gehabt hat. Die Werke meines Freundes, des Herrn Gleim, hatten das Schiksal, dem alle Werke, die die allgemeine Bewunderung haben, ausgesezt sind; sie sind ohne sein Wissen nachgedrukt worden, und so ist man gewissen Verbesserungen zuvorgekommen, die er bey einer neuen Auflage vorhatte. Auch dieß dramatische Gedicht ist dieser Ausgabe beygefügt.

Herr Gleim, äusserst unzufrieden mit diesem gewinnsüchtigen Verfahren, erlaubt mir dieß Drama in dieser von ihm verbesserten Gestalt der Welt mitzutheilen. Ich werde die Schönheiten dieses Gedichtes mit keinem Wort anpreisen; dieser Kunstgrif ist bey einem Werk unnöthig, von dem man weiß, daß es von Gleim ist. Ich ergreife indeß die Gelegenheit mit dem angenehmsten Entzüken, unsrer Freundschaft ein öffentliches Denkmal zu stiften. Kan ichs allen, die Geschmak haben; kan ichs der Nachwelt besser sagen, daß Gleim mich liebt, als wenn ichs bey Mittheilung eines seiner schäzbaren Werke thu?

S. Gessner


Erster Auftritt.
Seladon.
(Ismene liegt schlafend.)
                  Sie schläft; was fang ich an? Sie schläft; sie schlumert nur?
Ihr Winde, wenn ihr euch bewegt auf dieser Flur,
O! so bewegt euch nur, sie lispelnd abzukühlen!
Du Zephir sollst allein mit ihren Loken spielen!
Wie eine Venus schläft die schönste Schäferin!
Wie? daß ich eben izt hieher gekommen bin;
Du Quelle rausche nicht, du könntest leicht sie stören;
Still stehen will ich hier, sie möchte sonst mich hören!
 
Zweyter Auftritt.
Seladon und Ismene.
Ismene (die erwacht.)
Schon wieder Seladon? Du schleichst mir immer nach.
Ich schlief so sanft! und du, du Schäfer! machst mich wach?
Was soll denn das? ich bat, du möchtest mich vermeiden;
Du kehrst dich nicht daran, soll ich es länger leiden?
Seladon.
Ach schönste Schäferin!
Ismene.
                                          Was suchest du bey mir?
Du kömmst auch allzuoft! Komm' ich so oft zu dir?
Und kommen möchtest du, ich ließ es noch geschehen,
Kämst du nicht immer nur, um wieder wegzugehen!
Suchst du vielleicht ein Schaaf?
Seladon.
                                                    Ach schönste Schäferin!
Ismene.
Du spottest! Lange schon weiß ich, wie schön ich bin;
Zu dir soll ich wol auch, ach schönster Schäfer! sagen:
Nun? warum stehest du, die Augen aufgeschlagen,
Und seufzest? Fehlt dir was? Warum?
Seladon.
                                                                Ich seufz' um dich!
Ismene.
Um mich? Wie meynst du das? Du seufzest? Und um mich?
Bin ich nicht fromm? Hab ich den guten Pan betrübet?
Ich wüßte nicht womit; ich hab ihn stets geliebet!
Versehn hab ich vielleicht – –
Seladon.
                                                  Was könntest du versehn?
Wer ist so fromm, wie du?
Ismene.
                                            Was wäre denn geschehn?
Versehn hab ich vielleicht, daß ich in meiner Hütte
Dich, Seladon, zu oft, und deine Seufzer litte,
Was seufzest du denn auch?
Seladon.
                                                Ich seufze nur nach dir!
Ismene.
Nach mir? so sage doch, was seufzest du nach mir?
Seladon.
Ich kann, o Schäferin, ich kann es dir nicht sagen;
Du zürntest über mich, ich darf es ja nicht wagen!
Siehst du es mir nicht an?
Dritter Auftritt.
Die vorigen und Filinde.
Filinde.
                                            Geh, Seladon, geh weg!
Da kömmt mein Filamor; sieh dort den schmalen Steg!
Er soll dich hier nicht sehn. Geh hinter jene Heken,
Da kannst du, wenn du willst, so lange dich versteken.
(Seladon geht ab.)
 
Vierter Auftritt.
Ismene und Filinde.
Filinde.
Nun hab ich es gehört, nun hat er es gewagt,
Und aus dem innersten des Herzens dir gesagt,
Daß er dich liebt!
Ismene.
                              O nein, geseufzet hat er's! sagen
Kan er es nicht; er stand, die Augen aufgeschlagen,
Und sagte nur, wie sonst: Ach schönste Schäferin!
Und schwieg und seufz'te nur! Nun ist es aus, ich bin
Recht böse! Lieben? ihn? ich will – ich will ihn hassen!
Filinde.
Ihn hassen? Seladon? den Blöden? es zu lassen
Bitt' ich dich nicht! es war dir gestern schwer!
Ismene.
                                                                            Und heut
Ist es mir leicht; ich will – – –
Filinde.
                                                    Nun? seine Blödigkeit
Gefiel dir sonst so sehr? wenn unsre Schäfer lachten
Und scherzten, und das Spiel mit Schäferinnen machten,
Bey dem man einen Bok, mit Rosen schön gekrönt,
Für den Gewinner sezt, so stand er angelehnt,
Und lächelte dazu! Er glaubte viel zu wagen,
Wagt er mit dir und mir ein Häufchen abzuschlagen.Ein Spiel der Landleute.
Daß er nicht dreister war, gefiel dir damals ja,
Du sagtest mir ins Ohr: Sieh meinen Schäfer da,
Er ist wie ich ihn will, er ist so fromm so stille,
Nun da er stille bleibt, nun ändert sich dein Wille,
Nun wilst du Dreistigkeit! Du bist veränderlich;
Ja! Flüchtigkeit hast du, Beständigkeit hab ich!
Ismene.
Dir war ein Schäfer lieb, der immer blöde bliebe,
Nichts redete mit dir von sich und seiner Liebe?
Filinde.
Den macht' ich dreist!
Ismene.
                                    Und wie? ich bitte, lehr es mich,
Ich lerne gar zu gern!
Filinde.
                                    Ich dich es lehren? ich?
Es sey, weil du es bist! Die Schäfer sind verschieden;
Der schwärmt um uns herum, und läßt uns nicht zufrieden,
Er tändelt, scherzt und lacht, sagt dreist, daß er uns liebt,
Und rechnet fast für nichts die Küsse, die er giebt;
Und jener nicht so wild, entzündet edle Triebe
Zu einer zärtlichen, furchtsamen, blöden Liebe,
Durch sehn und wieder sehn; geduldig leidet er
Der Liebe Schmerzen, seufzt, wird immer zärtlicher!
Und ehrt uns!
Ismene.
                        Seladon ist so; ich weiß, er liebet,
Allein er sagt es nicht. Durch tiefe Seufzer giebet
Er zwar es zu verstehn; allein durch Worte nicht;
Zu sagen, daß er liebt, das ist ja seine Pflicht;
Der Blöde! Möcht er doch mich weniger verehren!
          Mein blöder Schäfer seufzt nur immer,
          Spricht immer nur von seiner Quaal,
          Will immer wagen, waget nimmer,
          Er wage doch einmahl!
Filinde.
Wär er mein Schäfer nur, ich wollt ihn bald bekehren;
Dreist machen heißt bey mir, bekehren, merk es dir!
Dreist soll dein Seladon schon werden, folgst du mir!
Ismene.
Dir folgen will ich gern; an mir soll es nicht fehlen;
Was ich schon neulich that, laß dir einmahl erzählen:
Du kennst den Dorilas, den dreisten Schäfer wol,
Den ich nicht lieben kan, und den ich lieben soll,
Weil er zehn Ziegen hat, so schön und auserlesen,
Daß keine noch so schön auf unsrer Flur gewesen;
Der kam zu mir, und dreist faßt er mich bey der Hand!
Da gab dem Seladon, der eben bey mir stand,
Ich selbst die andere, und sah ihn an, und lachte.
Allein so sehr ich mir die süsse Hoffnung machte,
Nach dieser kleinen List, ihn dreist gemacht zu sehn,
So trieb ihn doch die Furcht, gleich wieder wegzugehn.
Ach lernte Seladon, doch nur Ismenen kennen;
So hart ist sie ja nicht, als er sie pflegt zu nennen!
Filinde.
Hat Seladon denn schon dich einmal hart genannt?
Und du hast es nicht gleich zu Vortheil angewandt?
O du verstehst auch nichts! Du hättest es erfahren,
Er wäre lange dreist! als ich vor dreyzehn Jahren
Von meinem Filamor auch so genennet ward;
Da sagt ich: Schäferchen! ich bin ja nicht so hart!
Mehr Worte braucht ich nicht, mich ihm zu offenbaren;
Gleich war er wol so dreist, wie andre Schäfer waren!
Der Schäfer kenne nur das Herz der Schäferin,
Und ihre Tugenden und ihren Eigensinn;
So wird die Liebe selbst ihn schon zurechte führen,
Der Blödeste wird bald die Blödigkeit verlieren,
So gar ein Seladon!
Ismene.
                                Was unsre Chloe spricht,
Ist recht das Gegentheil; was du meynst, meynt sie nicht.
Sie meynt: Wir müßten uns nicht allzuleicht ergeben.
Wir müßten, hast du wol in deinem ganzen Leben,
Das Wort gehört? ich nicht! wir müßten spröde seyn;
Wir müßten künstlich uns verstellen, allen Schein
Der Liebe müßten wir und alle Schäfer meiden,
Gleichgültig gegen sie und alle Schäfer-Freuden;
Das nennt sie: spröde seyn; Amyntas kam dazu,
Sonst spräche sie wol noch; du lachst, was sagest du
Zu dieser Lehre?
Filinde.
                            Nun! es ist so eine Lehre;
Wenn in Arkadien sie nicht gekommen wäre,
So war es besser! Sie, die weise Chloe, hat
Vor sechszehn Lenzen schon sie leider aus der Stadt
Hieher gebracht zu uns! Man nennt sie auch: die Spröde.
Gezwungen ist ihr Gang, ihr Tanz und ihre Rede!
Die Schäfer fliehen sie; sie sucht sie auf, und doch
Ist sie noch ungeliebt, und bleibt es auch wol noch!
Du, noch nicht angestekt von ihrer Kunst zu lieben,
Sey der Natur getreu, sey folgsam ihren Trieben,
Sey offenherzig frey, sey alles was du bist!
Die ächte Lieb' ist wahr; von Falschheit, Wiz und List
Weiß mein' Ismene nichts, und will davon nichts wissen;
Empfindungen hat sie, von diesen hingerissen
Sagt sie zu Seladon: Ich liebe dich! und er
Sieht in dem Aug ihr Herz, und blöd ist er nicht mehr!
Ismen' ich liebe dich, wird er wol zehnmal sagen,
Und weil er wagen soll, so wird er alles wagen.
Ismene.
Es ist ein wenig viel, und doch will ich es thun –
Filinde.
Sieh doch, Ismene sieh!
Ismene.
                                        Nu denn! was ist denn nun?
Filinde.
Sieh meinen Filamor! er kömmt, was mag er wollen?
Ismene.
Er winkt, du wirst ihm wol zur Heerde folgen sollen.
 
Fünfter Auftritt.
Ismene, Filinde, Filamor.
Filamor (zu Ismene.)
Lauf alles, was du kanst, geliebte Schäferin,
Dort an dem Bach, wo ich mit meiner Heerde bin,
Dort sucht dich Thestilis. Sieh hinter meinen Buchen.
Da such und finde sie, sonst wird sie lange suchen.
Filinde, laufe mit!
Ismene.
                              Was will sie denn von mir?
Filamor.
Ey nun, wie kan denn ich das wissen?
Ismene.
                                                                Bleibst du hier?
Filamor.
Ich? Bleiben? Hier soll ich – (Filinde winkt ihm zu.)
                                                weswegen? gut! ich bleibe!
Filinde liebt mich nicht, zu meinem Gram-Vertreibe
Sing ich ein frölich Lied! Kommt aber bald zurük,
Sonst stoß ich mit dem Bok! o, welch ein grosses Glük!
Da kommt mein Seladon geschlichen!
Filinde.
(die sich nach ihm umsiehet.)
                                                              Bleibt er stehen?
Filamor.
(der ihm zuwinkt.)
Komm blöder Seladon, komm Schäfer!
Ismene.
                                                                Laß uns gehen!
 
Sechster Auftritt.
Filamor und Seladon.
Filamor.
Du siehst ja finster aus, mein lieber Seladon!
Du trauerst immerhin, was hast du denn davon?
Der Freude leben wir, laß alle Sorgen fahren,
Und sey nicht schon ein Greiß von neun und neunzig Jahren!
Durch meine Fröligkeit bin ich so jung wie du
Wer sorgen will, der hat noch immer Zeit dazu,
Im Winter, nicht im Lenz, ergieb dich ihr, der Freude!
Sie herrsch' in deiner Brust, als wie auf deiner Weide!
Sey guthes Muthes, komm! du zögerst dich zu freun?
Der lezte will ich nicht, ich will der erste seyn!
Sieh da! das frohe Lamm? Soll dich das Lamm beschämen?
Es grämet sich um nichts, soll sich der Schäfer grämen?
Auf! singe mir ein Lied, ich spiele dir dazu!
Zwar spiel ich nicht so gut, und nicht so schön, wie du;
Was schadet es? dein Lied wird ohne dem gefallen.
Auf singe Seladon, daß Berg und Thal erschallen!
Seladon.
Heut sing ich nicht!
Filamor.
                                Im Ernst, was bist du so betrübt?
So grämlich? Schäfer, ja gewiß du bist verliebt?
Dann aber wärest du vergnügt, und müßtest lachen!
Die Liebe wird ja nicht die Schäfer traurig machen!
Du sagst: Heut sing ich nicht! Wie soll ich es verstehn.
Seladon.
Du kanst, so bald du willst, ich bitte, laß mich gehn.
Filamor.
Was hast du denn zu gehn? du solltest lieber bleiben!
Denn deine Sorgen da, die will ich schon vertreiben!
Heut säng ich gern mit dir! Ismene kömmt zurük,
Ein Lied, ein einzig Lied, o Schäfer, macht dein Glük,
Sing es der Schäferin, es fängt sich an: Ihr blöden,
Ihr blöden werdet dreist!
Seladon.
                                          Du wirst mich nicht bereden,
Heut sing ich nicht, ich geh!
Filamor.
                                                Noch eines fällt mir ein:
Wir wär es, wollten wir mit Blumen überstreun
Hier diesen ganzen Plaz, und hinter jenen Heken,
Die schöne Schäferin belauschend, uns versteken?
Erst glaub ich, zürnte sie darüber, daß sie mich
Nicht fände, säh sich um, und suchte Schäfer dich!
Und würde sie betrübt, fort gehend mit Filinden,
Umhergestreuet hier die schönen Blumen finden,
Dann würde sie es bald entdeken, daß du ihr
Den kleinen Scherz gemacht, dann Schäfer kämen wir
Hervorgerauscht, und sähn die Schäferinnen beyde
Den Blumenplaz besehn, und lachten; welche Freude!
Seladon.
Wer glüklich ist wie du, der hat noch Lust zu Scherz!
Filamor.
Du liebst, das ist gewiß! Entdeke mir dein Herz!
Seladon.
Ich, ich empfinde was, das hab ich nie empfunden!
Mein Filamor sprach einst von Schmerzen und von Wunden
Mit seiner Schäferinn, du hast sie mir gemacht!
Sprach er; seit dem hab ich darüber nachgedacht
Und izt erfahr ich es, ihm war wie mir zu Muthe!
Filamor.
Wie ist dir? sage mir's!
Seladon.
                                      Ich fühl in meinem Blute –
Was fühl ich? läßt es sich beschreiben. Nein! mir ist
So eben Filamor, wie dir gewesen ist,
Als deine Schäferinn, die einzige von allen
Dir einst gefiel; du sprachst: Mein Blut fangt an zu wallen
Wann ich Filinden seh, ich zittre, glühe, bin
In meiner Seele voll von einer Schäferinn!
Für eine nur fühl ich der Liebe süsse Schmerzen
Die andern alle sind vertilgt aus meinem Herzen.
O wie so wol ist mir, denk ich sie mir! allein
Wie traurig wünsch ich noch, o wäre sie doch mein!
Das alles sagtest du; ich konnt' es nicht verstehen;
Allein ich hatte noch Ismenen nicht gesehen!
Filamor.
Ismenen, Seladon, Ismenen liebest du?
O wie beklag ich dich!
Seladon.
                                      Du lächelst ja dazu!
Filamor.
Die Unerbittliche, die wirst du nicht erbitten,
Die Deinige zu seyn; in unsern Schäfer-Hütten
Ist sie die einzige, die stets dem Amor Spott
Gesprochen hat, o die hat gegen diesen Gott
Sich immer aufgelehnt, ist immer frey geblieben;
Und doch, wär ich wie du, sie sollte wol mich lieben!
Ich lernt es in der Stadt, wie Gunst sich Gegengunst
Gar leicht erwerben kann; die Lieb' ist eine Kunst!
Seladon.
Die Lieb' ist eine Kunst? Ich kann Pocäle schnizen,
Wo auf dem Rand umher ein Haufen Satyrs sizen,
Und sehen, wie man trinkt; auch kann ich Kugeln drehn,
Und Kegel gleich und glat, und Stäbe rund und schön,
Ich kann die Feldschalmey, ich kann die Flöte spielen,
Daß meine Lämmer stehn, und horchen, und es fühlen,
Und schöne Körbe kann ich flechten; könnt ich doch
Du lieber Filamor, die eine Kunst auch noch!
Was gäb ich nicht darum? Du solltest sie mich lehren,
Mein schöner weisser Bok, der sollte dein gehören.
Filamor.
Ey ja, das thut man gleich, für einen schönen Bok,
Solch eine schöne Kunst? Du gäbst mir wol ein Schok!
Was kann man nicht durch sie? Sind Schäferinnen blöde?
Sind sie der Liebe stumm? Sie bringet sie zur Rede;
Sind Nebenbuhler? Nun? was schadets? Meine Kunst
Ist über sie; sie hält der Schäferinnen Gunst
An deinem Herzen fest; sie müssen deinen Trieben
Antworten, huldigen; sie müssen wol dich lieben!
Seladon.
Welch eine schöne Kunst, ich hätte gutes Spiel,
Verstünd ich sie; allein ein Schok das ist zu viel!
Wie leichte könnt' es mir mit deiner Kunst nicht glüken?
Du Schalk, was lachst du denn? du lachst ja hinterm Rüken!
Filamor.
Ich lache, Seladon, weil du so geizig bist,
Da niemahls sonst der Geiz Verliebten eigen ist!
Ich lache, weil ich doch von deiner lieben Heerde
Aus meines Freundes Hand kein Lämmchen nehmen werde!
Viel lieber gäb ich ihm Ismenen und dazu
Von meiner Heerd ein Lamm! wie steht es! hast denn du
Sie schon geküßt?
Seladon.
                              Geküßt? Ey ja! das könnt ich lieber,
Man darf es ja nicht thun, sie zürnt ja gleich darüber,
Und wenn sie böse wird, was hätt ich denn davon?
Filamor.
Der Schäferinnen Zorn ist Liebe; Seladon!
Man wagets; zürnen sie, so waget man von neuen,
Sie lieben heftiger, je öfter sie verzeihen;
Was sprichst du wol mit ihr?
Seladon.
                                                Ich spreche mancherley,
Von allem was ich weiß, von meiner Schäferey,
Von meiner Fütterung, von meinen Tränke-Bächen
Von meinem Weide-Fläz, was anders könnt ich sprechen?
Filamor.
Ein Schäfer spricht davon, wenn er nicht liebt; allein,
Liebt er, so fallen ihm viel schönre Sachen ein!
Er siehet Sonnenschein das ganze Feld vergülden;
Die Schäferinn ist ihm das Schönst' in den Gefilden;
Er sieht in ihrer Pracht am Bache Rosen stehn
Auf ihren Wangen sind viel schönere zu sehn;
Er sieht auf ihrer Flur die jungen Lämmer springen;
Wird munter, waget, ihr ein Liedchen vorzusingen,
Gemacht von ihm; ist dann der Inhalt ganz von ihr,
Ihr Herz wird weich, es schmelzt und sie ergibt sich dir!
Seladon.
Ergeben? mir? o Freund! bey meinem Schäfer-Leben
Ich kenne sie, sie wird – sie wird sich nicht ergeben,
Sie sieht mich ja kaum an!
Filamor.
                                            Das bildest du dir ein;
Ich sollte, Seladon, an deiner Stelle seyn;
Drey Seufzer und ein Blik, so hätt ich sie! Wir wollen
Uns doch belehren, Freund, wie wir sie sehen sollen,
Die liebe Schäferinn. Verstehe mich, ein Blik
Klug hingeworfen, bringt verliebten Blik zurük!
Der Schäferinn muß man die Lieb ins Herze sehen!
Ist wol einmahl ein Blik von ihr auf dich geschehen?
Seladon.
Noch keiner.
Filamor.
                      Wenn ein Blik von ihr auf dich geschieht,
So merke, wie sie dir, durchs Aug ins Herze sieht!
Sie wird die Augen auf und wieder nieder schlagen,
Sanft wallend – doch es läßt sich besser sehn als sagen!
Seladon.
Allein wie viele mal, du weist es, du bist klug,
Blik ich sie denn wol an? Ist zweymal wol genug?
Noch nie erkühnt' ich mich, sie öfter anzubliken,
Denn allzuschön ist sie, ich seh sie mit Entzüken,
Bin ausser mir, bin weg, bin gleichsam wie entfernt!
Filamor.
Du armer Seladon, du hast nicht viel gelernt!
Die Liebe sollte dir zum bessern Lehrer dienen,
Bist du mit ihr allein, was braucht es dann Erkühnen?
Die Blike gehen frey, wo keine Zeugen sind;
Und wer die Kunst versteht, der macht sie alle blind!
Die ganze Kunst ist die: Es sind die Schäferinnen
Verschieden, und darum verschieden zu gewinnen.
Wiz, Munterkeit, und Band und Kuß und Ernst und Scherz.
Von diesem gut gewählt, gewinnet jedes Herz;
Die eine liebt sich selbst – der muß man Lieder singen,
Die andre liebet Puz, der muß man Bänder bringen;
Die dritte liebet Lust, die Lenz und Liebe giebt.
Bey dieser ist man dreist, und sagt ihr, daß man liebt!
Ismene wäre wol der dritten Art; ich kenne
Sie ziemlich gut, und wann ich auch sie geizig nenne,
So irr' ich nicht; hast du sie schon beschenkt?
Seladon.
                                                                            Noch nie!
Doch ja! der Blumenstrauß? er war ja wol für sie?
Sechs Monde schon sind es! ich hab ihn ihr geschiket;
Recht schön war er gewiß! Ich selbst hatt' ihn gepflüket!
Die schönste Ros, ihr gleich, die schönste Rose nahm
Die Mitte; rund um sie, sie zu erheben, kam
Zu stehn der weisse Mohn, das Veilchen stand bescheiden
Von ihr entfernt, man sah das Sträußchen recht mit Freuden!
Filamor.
Das, lieber Seladon, hast du nicht gut gemacht,
Den schönen Strauß hätt' ich ihr selber hingebracht!
Ihr selber hätt ich ihn gesezt an ihren Busen,
Begeistert hätten mich nicht Phœbus, nicht die Musen,
Ihr Auge hätte mich begeistert; sanft hätt ich
Die schöne Schäferinn gefraget: Liebst du mich?
Auch wäre mir vielleicht ein schönes Lied gelungen,
Hätt ich sie nicht erküßt, so hätt ich sie ersungen!
Seladon.
(Der bedächtig und beschämet mit dem Band am Stabe spielt.)
Du meyntest ja vorhin, wir wollten Blumen streun
Ismene kömmt wol bald, ich weiß, in welchem Hayn
Die schönsten blühen, Klee, Lavendel, Kalmus, Flieder.
Filamor.
Geh, hole welche! geh! komm aber ja bald wieder.
([Seladon] Geht ab.)
 
Siebender Auftritt.
Filamor. (Allein.)
Du armer Seladon, wie grausam quälet dich
Die Liebe? Folge mir! – wie artig! Ihm geb ich
Die Lehren, welche mir die Stadt-Bewohner gaben;
Mittheilen müssen wir, die Weisheit die wir haben!
Da kommt Filinde! sieh! sie gehet nicht, sie fliegt!
Welch eine Schäferin, wie munter, wie vergnügt!
In ganz Arkadien ist keine zu vergleichen
Mit meiner Schäferin. Ihr Schönen und ihr Reichen
Der Städte, stehet weit dem guten Mädchen nach,
Die Tugend, sie, und ich, wir unter einem Dach
Sind wol ein gutes Drey!
 
Achter Auftritt.
Filamor, Filinde.
Filamor.
                                          Was eilest du Filinde?
Du bist ja wie der Wind, warum denn so geschwinde?
Warum allein? Wo bleibt Ismene?
Filinde.
                                                          Seladon
Ist ja nicht hier! zu ihm lief ich von ihr davon;
Ismene bittet euch, ihr möchtet ihrer warten
Sie käme bald zurük, sie gieng in Damons Garten
Dametas gieng mit ihr!
Filamor.
                                      Was wollen sie denn da?
Filinde.
Die Emsigkeit, die ich an dem Dametas sah,
War nicht umsonst, er war gefällig und geflissen
Um sie herum, allein, von ihm will sie nicht wissen:
Er ist ihr viel zu dreist! sie sprach von ihm mit mir
Und pries den Seladon. Ist er denn nicht mehr hier?
Filamor.
Er ist nicht weit, er ist gegangen in die Buchen;
Und bald kommt er zurük, er wollte Blumen suchen,
Und diesen Anger hier wollt er damit bestreun
Eh ihr zurüke kömmt.
Filinde.
                                    Wozu denn soll es seyn?
Filamor.
Sobald ihr nur vorhin zehn Schritte von uns waret
Hat seine Liebe mir der Schäfer offenbahret;
Was ich von dir einst sprach, was jeder Blöde spricht,
Sprach er: Ich liebe sie, sie aber liebt mich nicht.
Ismene sey ein Fels der allen Sturm bestünde,
Sie sey an Sprödigkeit die andere Filinde!
Man weiß ja wol, wie ihr, ihr Schäferinnen seyd,
Wie gern ihrs seht, wenn euch ein Schäfer Blumen streut!
Erwegend, welchen Dienst mir einst die Veilchen thaten,
Hab ich dem Seladon auch izt dazu gerathen.
Filinde.
Du scherzest, Filamor! Sieh da, da ist er schon!
 
Neunter Auftritt.
Filamor, Filinde, Seladon.
Seladon. (Mit einem Arm voll Blumen.)
Willkommen Schäferinn!
Filinde.
                                          Willkommen Seladon!
Ein Arm voll Blumen ist zu viel zu einen Kranze,
Für deine Schäferin; die alle, die zum Tanze
Dein Fest ermuntern wird, die alle können sich
Damit bekränzen – Gib mir doch – –
Seladon.
                                                              Du scherzest mich!
Filinde.
Du bittest mich gewiß; das weiß ich, deine Bitte
Wird meine kleine Flur und meine kleine Hütte
Mit grosser Fröligkeit erfüllen, denn ich bin
Die beste Freundin ja von deiner Schäferinn!
Seladon.
Von meiner Schäferin? Mein darf ich keine nennen!
Filinde.
Und auch Ismenen nicht?
Seladon.
                                          Die Schäferinnen kennen
Den Allerzärtlichsten von allen Schäfern nicht,
Ismene wäre sonst wol mein?
Filamor.
                                                  Filinde spricht,
Ismene liebe dich, du dürftest dich nicht quälen,
Sie wäre dein, an ihr sollt es gewiß nicht fehlen!
Seladon.
Ihr scherzet mich?
Filinde.
                                O Nein, mein Schäfer, glaube mir
Quält deine Liebe dich, so liegt die Schuld an dir!
Sie liebet dich, sie will von keinem andern wissen;
Sie wünschet heute dir den ersten Kuß zu küssen!
Seladon.
Ihr scherzet mich!
Filinde.
                              Sie stand, und fragte halb betrübt:
Ich lieb' ihn, weist du denn, ob er Ismenen liebt?
Seladon.
So liebt er sie, daß er ohn ihre Gegenliebe
Nicht leben kann; ihr Herz, wenn es der Felsen bliebe,
Der es gewesen ist, seit ich das erste mal
Sie sahe, liesse mich der Marter und der Qual
Der Liebe!
Filinde.
                    Qual hinweg! wir haben uns zu freuen!
Filamor.
Die Blumen her!
Seladon.
                            Ich will, ich will sie selber streuen!
Filinde.
(Zu Seladon.)
Ihr Schäfer seyd mir schlimm! stets fangt ihr uns mit List
Kaum hätt ich es geglaubt, daß du so lose bist!
Filamor.
Nun Seladon, nicht wahr! nun treib ich mit Filinden
Ismenens Heerd ins Thal, sie glaubt uns hier zu finden,
Und findet dich allein; dann mach ihr deinen Scherz
Und sey ein wenig dreist, sieg' und erküß ihr Herz!
Ist meine Lehre nur von dir in acht genommen,
So wird es gehen.
Filinde.
                              Ja!
Filamor.
                                    Wir wollen wieder kommen.
 
Zehnter Auftritt.
Seladon. (Allein.)
Ja! Filamor hat recht, ich sollte dreister seyn;
An mir liegt alle Schuld, ich seh es nun wol ein!
Wir wollen lieben, wir! die Schäferinnen müssen;
Wir zwingen sie ja gleich, wir dürfen sie nur küssen,
Nur küssen? Einen Kuß, so liebt sie mich? Ein Kuß
Erfordert Muth, sie schilt, allein, ich will, ich muß!
Drey Dinge waren es, besinn ich mich auch wieder?
Es waren Bänder! ja! es waren – Küß und Lieder!
Geschwind, ich muß mich noch besinnen? war es mehr?
Was rauschet? Himmel da! da kommt, da kommt sie her!
 
Eilfter Auftritt.
Seladon, Ismene.
Ismene.
Nun? Hier so ganz allein? Und wo ist meine Heerde?
Da glaubt' ich, daß ich hier Filinden finden werde,
Mit ihrem Filamor, und nun find ich nur dich?
Wer hieß sie denn von hier sich wegbegeben?
Seladon.
                                                                            Ich!
Ismene.
Du Seladon? warum?
Seladon.
                                    Weit werden sie nicht treiben,
Ich wollte gern allein bey diesen Blumen bleiben,
Der schönsten Schäferin, das ist, Ismene, dir
Gestreuet ganz allein, o Schäferin, von mir!
Ismene.
Du ehrest mich zu viel!
Seladon.
                                      Ismene dir zu Ehren
Gab ich Arkadien zehn Lieder anzuhören,
Gäbst du mir einen Kuß! zehn Bänder gäb ich dir
An deinen Schäfer-Hut, gäbst du dein Herze mir.
Wie lang ich leben soll, muß ich noch heute wissen;
Ich wag es, Schäferin, den ersten Kuß zu küssen.
Ismene.
Nun? Seladon! was denn! du fängst schon wieder an?
Du willst – –
Seladon.
                        O Schäferin! was hab ich dir gethan?
Es zürnen Pan und du! Die Hälfte meiner Schafe
Entführe mir der Wolf zu wolverdienter Strafe.
Ich that es, Schäferin, von Zärtlichkeit verführt;
Doch deinen schönen Mund hab ich noch nicht berührt!
Nimm an mein liebstes Band, nebst meinem schönsten Stabe,
Den ich mir selbst geschnizt, und selbst gebunden habe,
Nimm doch, o Schäferin, es zur Versöhnung an,
Und tilge meine That, und denke nicht daran!
Ismene.
In Liebe schwimmt mein Herz! wie kann ich länger schweigen?
Ich liebe, Schäfer, dich, und dich zu überzeugen
Nehm' ich, weil du es willst, es an, dein liebstes Band,
Und deinen schönsten Stab geschnizt mit eigner Hand!
Das alles, was du giebst, ist würdig zu gefallen;
Du bist der Schäfer Preiß, der Zärtlichste von allen.
Ich hörte, da du sangst, dir einst im Walde zu,
Und liebte dich; wo singt ein Schäfer so, wie du?
Der schöne Blumen-Strauß, den du mir einst geschiket,
Ist noch so frisch und grün, als wär er erst gepflüket.
So hab ich ihn verwahrt, so würdig schäz ich ihn,
Und stets heb' ich ihn auf, bleibt er auch gleich nicht grün!
Was schöners für mein Herz wüßt ich nicht aufzuheben.
Er will, dacht ich, mit ihm mir seine Liebe geben!
Ich dacht' an Seladon; und dann ward er geküßt.
O wüßt' er, dacht' ich dann, wie er geliebet ist!
Du hattest einst das Bild, doch nur auf vieles Bitten
Von einer Schäferin, in einen Baum geschnitten.
Ich sah es, o wie sehr, wie sehr verdroß es mich!
Filinde weiß es wol; recht falsch war ich auf dich!
Ich wollt' auf deine Flur mit ihr nicht wieder gehen;
Ich suchte dich nicht mehr, ich wollte dich nicht sehen!
Seladon.
Grausame Schäferin! o welch ein bittrer Scherz!
Er tödtet mich! In Gram versenkest du mein Herz,
Erschaffen, dich allein, Ismene, nur zu lieben!
Ismene.
Sieh da!
 
Zwölfter Auftritt.
Ismene, Seladon, Filinde, Filamor.
Ismene.
              Wo habt ihr denn die Heerde hingetrieben?
Laßt ihr sie denn allein?
Filamor.
                                        Ey! welche Blumen! sieh!
Für welche Schäferin? für welche streut er sie?
(Er legt sich auf die Blumen.)
Wie liegt es sich so sanft auf dieser schönen Erde!
Geh doch, Ismene, geh! geh doch zu deiner Heerde!
Geh doch, bewache sie, geh, Seladon, mit ihr!
Es kam ein grosser Wolf, geht doch! was macht ihr hier?
Filinde.
Mein Argus ist dabey, der wird sie schon bewachen!
Filamor. (Zu Ismenen.)
Ist Seladon nicht schlau? Er weiß es recht zu machen!
(Zu Seladon.)
Komm her, der Siz ist dein!
Seladon.
                                              Lebt wol! ich muß nur gehn!
Ismene.
Warum, o Seladon! was ist dir denn geschehn?
Seladon.
Du liebst mich nicht, darum will ich mich nur entfernen!
Filamor.
So will Ismene nicht von dir die Liebe lernen?
Filinde.
Ismene lerne doch die Liebe!
Filamor.
                                                  Schäfer, Muth!
Seladon.
Sie liebt mich nicht.
Filamor.
                                  Und du? du bist ihr doch so gut?
Ismene.
Ich liebe, Seladon! ja! wiß' es nur, ich liebe
Viel zärtlicher, wie du; liebt ich wie du, so bliebe
Die Liebe kümmerlich verborgen, ungesehn,
Im Herzen trüg ich dich, und würd es kaum gestehn.
Sieh! ganz Arkadien mag meine Liebe wissen,
Den ersten Kuß will ich auf deine Lippen küssen!
Seladon.
(Langsam und blöde.)
Schön sind die Worte zwar, allein gesagt in Scherz?
Der schönste Mund sagt sie, doch nicht das schönste Herz!
Ismene, deine Huld, könnt' ich mir nicht erwerben,
Du willst es, Schäferin, ich will – –
Ismene.
                                                            Was willst du?
Seladon.
                                                                                      Sterben!
(Seladon geht ab.)
 
Dreyzehnter Auftritt.
Filinde, Ismene, Filamor.
Filinde.
Sie sterben nicht so leicht, die Schäfer, laß ihn gehn!
Was sagt' er: Nur dein Mund und nicht dein Herz sey schön?
Filamor.
Der arme Seladon, fast ist er doch zu blöde.
Da mahlet ihn der Gang, so, wie vorhin die Rede!
Ismene.
Und doch geh ich ihm nach, dem Liebenswürdigen,
Und achte keinen Schimpf! In ganz Arkadien
Ist keiner zärtlicher, als er: Soll ich ihn hassen
Den Liebenswürdigen? Soll ich ihn sterben lassen?
Nein! sterben soll er nicht! es rettet ihn ein Kuß,
Den ich geschwind, geschwind dem Schäfer bringen muß!
Filinde.
Wenn wir auf unsrer Flur viel solche Schäfer hätten,
Wir wollten alle sie mit einem Kusse retten.

 


 


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